Donnerstag, April 25, 2024
»Die Verkehrsdynamik des Datenaufkommens hat sich geändert«
Roman Oberauer, NTT: »Greifen unterschiedliche Ansichten und Bedürfnisse der Kunden auf.« (Bilder: NTT/Lisi Lehner)

Aktuell in der Geschäftsleitung für Innovation und »Go to Market« verantwortlich, übernimmt Roman Oberauer im Februar 2022 die Geschäftsführung von NTT in Österreich. Wir haben mit ihm und Walter Kasal, Head of Austria and Switzerland von NTTs Global Data Centers Devision in EMEA, über den Cloudmarkt und die jüngste Erweiterung des Rechenzentrums in Wien gesprochen.

Report: Wie ist das Jahr 2021 für NTT in Österreich verlaufen? Wie geht es Ihren Kunden?

Roman Oberauer: Natürlich war das Jahr 2021, speziell vor dem Hintergrund der Covid-Pandemie, für uns alle herausfordernd. Es ist bekannt, dass viele Branchen – darunter auch die Autoindustrie oder auch der Technologiesektor – mit Lieferverzögerungen zu kämpfen haben. Mitunter kann die Hardware nicht in der Schnelligkeit geliefert werden, wie es sich Kunden manchmal wünschen. An sich können wir uns aber nicht beklagen, denn die Nachfrage und der Bedarf an Technologie sind sehr groß. Unternehmen haben bereits erkannt, dass es in Krisenzeiten durchaus sinnvoll ist, zu investieren. Die Krise wird immer mehr auch als Chance wahrgenommen, Dinge nachzuholen, die in der Vergangenheit vielleicht liegen geblieben sind.

Report: In welche Bereiche der IT investieren Unternehmen in der Pandemie?

Oberauer: Wenn man die gesamte Genese der Covid-Phasen betrachtet, ging es zu Beginn der Krise vor allem darum, dass die Dinge, die die Menschen im Homeoffice benötigt haben, einfach funktionieren. Dazu gehören unter anderem das Netzwerk, die Leitungen nach Hause und die Endgeräte.

In weiterer Folge ist dann auch das Thema Security stärker in den Fokus der Unternehmen gerückt. Hier spielt vor allem eine durchgängige End-to-End-Security für die Geräte, die im Homeoffice verwendet werden, eine wichtige Rolle. Das ist nach wie vor ein großes Thema. Es geht hier vor allem darum, durchgängige Security-Konzepte zu entwickeln und anzuwenden, die den Hackern weniger Angriffsmöglichkeiten bieten. Gerade in der Krise wurden hier Unsicherheiten oder Lücken in den Systemen verstärkt ausgenutzt, beispielsweise mit Phishing-Mails oder getarnten Support-Anrufen. Viele Unternehmen haben nun erkannt, dass sie besser skalieren können, wenn sie nicht alle Business-Anwendungen vom eigenen Firmenstandort, sondern zentral aus der Cloud beziehen.

Report: Bemerken Sie einen Paradigmenwechsel zur Offenheit für Cloud-Lösungen in Österreich?

Oberauer: Was sich geändert hat, ist die Verkehrsdynamik des Datenaufkommens. Früher war das in den meisten Fällen schon im Design klar definiert. Meist haben sich am Hauptstandort eines Unternehmens auch sämtliche Server und Rechnerkapazitäten befunden. Über ein Netzwerk waren dann allfällige weitere Firmenstandorte angebunden. Die Dynamik hat sich verändert: Heute arbeiten die Menschen an den unterschiedlichsten Orten. Dadurch können durchaus auch Bottlenecks entstehen. Cloudanwendungen und hybride Ansätze sind hier ein Lösungsansatz.

Generell muss es im Cloud-Bereich nicht immer eine ›All-in‹-Lösung sein, aus unterschiedlichsten Gründen, beispielsweise aufgrund eines Investitionsschutzes, wenn Teile bilanziell noch nicht abgeschrieben sind. Das macht das Ganze aber mitunter auf der Ebene der Security auch komplexer und erklärungsbedürftiger. Hier sehen wir es als unsere Aufgabe, die unterschiedlichen Ansichten und Bedürfnisse unserer Kunden aufzugreifen, darauf einzugehen und sie zu beraten.

Report: Was ist mit jenen, die den Betrieb ihrer Kernsysteme kategorisch im eigenen Haus belassen?

Oberauer:
Viele Unternehmen hatten in den vergangenen Jahren eine Non-Cloud-Strategie, die nach und nach aber aufgeweicht wurde. Das ist meist aus purer Notwendigkeit geschehen, da IT-Kapazitäten in der Cloud viel schneller bereitgestellt werden können. Natürlich gibt es immer noch Branchen wie die Energiewirtschaft, wo man sehr vorsichtig ist. Das verstehe ich, es geht hier um sehr kritische Infrastrukturen. Auf der anderen Seite sehen wir immer mehr Unternehmen, auch in der produzierenden Industrie, die zumindest Teile ihrer IT in der Cloud verwalten. Als NTT bieten wir auch Private-Cloud-Lösungen an, bei denen ausschließlich ausgewählte Personen Zugriff auf die IT-Infrastruktur haben. In unseren Rechenzentren laufen die spezifischen Applikationen der Unternehmen, während Standard-Anwendungen für den Bürobetrieb und die Kommunikation und Zusammenarbeit in Hyperscaler-Umgebungen liegen.

Report: Es wird also gerade bei größeren Unternehmen weiterhin einen Mix aus IT »on premises« und Multi-Cloud-Umgebungen geben?

Oberauer: Das wird von Unternehmen zu Unternehmen tatsächlich unterschiedlich sein. Man muss hier gut abwägen: Welche Sicherheitsanforderungen habe ich bei Anwendungen und Daten? Wo sind diese gespeichert? Und welche Besonderheiten im Cloud-Angebot der Anbieter kann ich nutzen? Es gibt beispielsweise auch Szenarien, wichtige Daten im Land zu lassen, während die Anwendung bei einem Hyperscaler läuft. Aber bei Private-Cloud-Anwendungen ist auf jeden Fall die Sicherheit gegeben, den Zugriff exklusiv im Land zu behalten.

Report: Warum investiert NTT aktuell in die Erweiterung des Rechenzentrumsstandorts in Wien?

Walter Kasal: 2015 haben wir unser erstes Bauteil am Standort Wien 1 in Betrieb genommen. Die Erweiterung um Bauteil B erfolgte ebenfalls recht schnell. Die Gebäudeflächen sind durch die hohe Nachfrage heute bereits ausgelastet. Mit dem Bau des neuen Bauteils C reagieren wir darauf. Wir hatten zu Beginn schon die Hoffnung, dass unser Angebot in dieser Weise angenommen wird. Es freut uns natürlich sehr, dass unsere Erwartungen hier nochmals weit übertroffen wurden.

Report: Welchen Vorteil ziehen Ihre Kunden daraus, einen Rechenzentrumspartner zu wählen – und ihre Server-Infrastruktur nicht selbst zu betreiben?

Kasal:
Das steigende Datenaufkommen führt dazu, dass Unternehmen immer mehr digitale Infrastruktur brauchen, die wir als IT-Dienstleister effizienter, sicherer und auch kostengünstiger betreiben können. So können vor allem hardware-bezogene Aufwände, aber auch die Themen Energieversorgung, Kühlung, Ausfallssicherheit ebenso wie Objektsicherheit an den Rechenzentrumspartner abgegeben werden. Diese Anschaffungen müssen von den Unternehmen nicht selbst getätigt werden. Wartungsarbeiten können besser koordiniert werden, wenn die IT zentral an einem Ort steht. Der Betrieb eines Rechenzentrums bringt auch behördliche Auflagen mit sich. Wenn sie dann noch einen Dieselgenerator aufstellen und Gaslöschanlagen installieren wollen, wird es herausfordernd für jemanden, dessen Kerngeschäft eigentlich woanders liegt.

Walter Kasal, NTT: »Können IT-Infrastruktur effizienter, sicherer und auch kostengünstiger betreiben.«

Unsere Kunden bekommen beim Bezug unserer Infrastruktur automatisch auch unsere Zertifizierungen mit – bis hin zu speziellen Themen wie ISAE 3402 für die Finanzbranche oder PCI DSS für Abwicklungen im Zahlungsverkehr. Gängige Zertifizierungen sind ISO 27001 für die Informationssicherheit, ISO 50001 für Energiemanagementsysteme, ISO 9001 für ein zertifiziertes Qualitätsmanagement oder der US-Rechenzentrumsstandard TIA-942, den wir auf dem Level Tier 3 erfüllen. Worauf ich besonders stolz bin: Mir ist kein anderes Rechenzentrum bekannt, das die europäischen Rechenzentrumsnorm EN 50600 in allen Gewerken auf Level 4 erfüllt.

Report: Was bedeutet Level 4?

Kasal: Vereinfacht gesprochen bedeutet es, dass unsere redundanten Systeme im Inneren noch ein weiteres Mal redundant sind. Wenn ein Teil in der Stromversorgung ausfällt, betrifft dies nicht das gesamte System. Im Notfall kann hier auch ein zweites, komplett redundantes System übernehmen. Das betrifft auch Wartungsarbeiten: Nehme ich ein Kühlgerät aus dem System A, könnte dort auch ein zweites kaputt gehen – der Kunde merkt davon nichts – System B arbeitet nach wie vor mit ausreichend Leistung.

Report: Welchen Einfluss haben Umwelt- und Klimathemen auf den Betrieb von Rechenzentren?

Kasal: Das wird immer mehr zum Thema. Initiativen wie der »Climate Neutral Data Centre Pact«, den NTT als Mitglied der European Data Centre Association mit initiiert hat, sieht die Klimaneutralität aller Rechenzentren ab Ende 2030 vor.

Die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz waren uns aber bereits davor sehr wichtig: So haben wir beispielsweise schon 2015 darauf geachtet, die internationale Ökologiezertifizierung LEED in der höchsten Stufe Platinum zu erreichen. Eine effiziente Kühlanlage, ein begrüntes Dach, die Sammlung von Regenwasser für die Toiletten – in Summe sind es viele kleine und größere Maßnahmen für den umweltfreundlichen und ressourcenschonenden Gebäudebetrieb. Einzig die Stromversorgung am Standort Wien ist noch nicht zu 100 % aus Ökostrom zusammengesetzt, aber auch daran arbeiten wir.

Oberauer: NTT hat sich aus eigenem Antrieb dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2030 100 % Ökostromanteil bei der Energieversorgung seiner Rechenzentren weltweit zu erreichen. Das soll nicht nur über den Stromeinkauf erreicht werden, sondern generell auch über die Drosselung des Energiebedarfs in den Rechenzentren. Man geht hier bis tief in die technische Kommunikation zwischen den Geräten, indem elektrische von optischen Signalen abgelöst werden. NTT forscht dazu in eigenen F&E-Zentren, aber auch gemeinsam mit Instituten weltweit, um die Übertragungsprotokolle energieeffizienter zu designen.

Report: Energieeffizienz im Rechenzentrum bedeutet, mit weniger Energie mehr Leistung umsetzen zu können. Mit dem wachsenden Markt wird der Energiehunger der IT trotzdem weiter ansteigen.

Kasal: Wenn Sie das, was wir in unserem Rechenzentrum haben, bei mehreren Kunden On Premises verteilt sehen würden, bräuchte man dramatisch mehr Strom. Eine Anschlussleistung von 20 MW bei einem großen, konsolidierten Rechenzentrum würde um den Faktor 1,8 bis 2,0 höheren Stromverbrauch bei einer verteilten Infrastruktur bedeuten. Hat ein Unternehmen einen größeren Serverraum in seiner Verantwortung, ist ein niedriger PUE-Wert (Anm. »Power Usage Effectiveness«) wohl nicht das oberste Unternehmensziel. Bei uns, mit anderen Größenordnungen im IT-Betrieb, bedeutet der Faktor, viel Geld sparen zu können – mit ständigen Investitionen in die Optimierung unserer Anlagen und beispielsweise Free-Cooling.



Rechenleistung in Wien vergrößert
Der Rechenzentrumscampus Wien 1 der Global Data Centers Division von NTT Ltd. (ehemals e-shelter) am Wienerberg hat derzeit eine Fläche von 5.800 m² und bietet eine Rechenleistung von rund 11 MW. Mit der Zusage für eine Investitionsprämie von 4,12 Millionen Euro durch den Bund hat der weltweit tätige japanische IT-Konzern jetzt mit einem Zubau begonnen. Im ersten Schritt wird NTT den bestehenden Campus um rund 3.000 m² auf 8.800 m² erweitern. Bis Sommer 2022 sollen 15,2 MW IT-Kapazität für die Kunden zur Verfügung stehen.

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