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Der Weg zum Gericht, online beschritten
Christian Gesek, Leiter der Abteilung für Rechtsinformatik, Informations- und Kommunikationstechnologie des Bundesministeriums für Justiz: „Neue Interaktionsmöglichkeiten und Angebote sind die Bausteine einer digitalen, leicht zugänglichen und bürger*innennahen Justiz.“ (Bilder: Milena Krobath)

Am 18. Oktober 2021 wurden beim eAward des Report Verlags besonders wirtschaftliche, kundenfreundliche und innovative IT-Projekte ausgezeichnet. Sieger in der Kategorie „Services und Prozesse (Public Sector)“ ist die Plattform JustizOnline, ein Serviceangebot der österreichischen Justiz, das vom Bundesrechenzentrum (BRZ) technisch umgesetzt und betrieben wird.

Im Interview dazu ist Staatsanwalt Christian Gesek, Leiter der Abteilung für Rechtsinformatik, Informations- und Kommunikationstechnologie des Bundesministeriums für Justiz. Er spricht über den Servicewandel in der Verwaltung und das Projekt JustizOnline.


„Services eines modernen Staats werden für die Bevölkerung einfach zugänglich.“ „Ein hervorragender Ansatz für Öffnung von Abläufen und Prozessen in der Justiz.“ „Sehen seit Jahren wichtige Digitalisierungsschritte, die vom Justizministerium gesetzt werden.“ Das waren die Begründungen der eAward-Jury, die JustizOnline zum Kategoriesieg verhalfen.

Report: Die Justiz setzt in einer ersten Ausbaustufe eine vereinfachte Eingabe von Daten und die elektronische Akteneinsicht für Bügrer*innen in eigene Verfahren um. Was ist die Idee hinter diesem neuen Service?

Christian Gesek:
Mit dieser Initiative soll die Justiz für alle Bürger*innen und Unternehmen leichter zugänglich und Zutrittsbarrieren abgebaut werden. Mit der Serviceplattform JustizOnline entfallen bisher notwendige Wege zum Gericht und es werden rasch Informationen und Antworten auf juristische Fragen des Alltags bereitgestellt.

Unter Nutzung der Handysignatur beziehungsweise zukünftig ID Austria für eine zuverlässige Authentifizierung können ausgewählte Wege zu Gericht online erledigt werden – rund um die Uhr und ohne örtliche Gebundenheit, vom Desktop oder Smartphone aus. Mit JustizOnline wird das Bürgerservice der unabhängigen Gerichte und Staatsanwaltschaften – unter Wahrung höchster Sicherheits- und Barrierefreiheitsstandards – um digitale Services erweitert und der breiten Öffentlichkeit kostenfrei zugänglich gemacht.

Report: Welchen Bedarf sprechen Sie damit an?

Gesek: Bürger*innen und Unternehmen erwarten sich von einer modernen, transparenten und bürgernahen Justiz in zunehmendem Maße, dass sie auf ihre Fragen möglichst rasch und unkompliziert eine Antwort erhalten. Sie wollen ihre Anliegen auf direktem Weg an die Justizdienststellen herantragen können, ohne dabei zwingend zu Gericht kommen zu müssen oder an Öffnungszeiten gebunden zu sein.

Report: Was wurde dabei besonders gut gelöst?

Gesek:
JustizOnline hat es sich zum Ziel gesetzt, vorhandene Zutrittsbarrieren abzubauen und den Zugang auch für jene Bevölkerungsgruppen zu erleichtern, die trotz Bedarfs den Weg zur Justiz bisher nicht gefunden hatten. Daher wurde bei Konzeption und Entwicklung großer Wert auf Barrierefreiheit, Bedienbarkeit und eine möglichst intuitive Nutzerführung gelegt, um es allen Usern zu ermöglichen, die auf JustizOnline angebotenen digitalen Services nutzen zu können.

Bürger*innen wurden bereits im Konzeptionsstadium mittels Interviews und einer Abtestung der konzipierten Interfaces sowie auch in weiterer Folge im Zuge der Umsetzungsarbeiten als Friendly User frühzeitig eingebunden. Dadurch war es möglich, rasch Feedback potentieller User zu erhalten und dies unmittelbar in der agilen Entwicklung berücksichtigen zu können. Weiters ist von entscheidender Bedeutung, die zuweilen schwer verständlichen juristischen Fachausdrücke bürgerfreundlich aufzubereiten. Hier wurden wesentliche Schritte gesetzt, um Fachausdrücke im Rahmen von leicht verständlichen Begriffsdefinitionen näherzubringen, um auch in dieser Hinsicht die Anforderungen der User abdecken zu können und die Verständlichkeit und Nutzbarkeit weiter zu erhöhen.

Neben diesen inhaltlichen Aspekten ist ein durchgängiges und zeitgemäßes Erscheinungsbild nach Außen mitentscheidend für die öffentliche Wahrnehmung der Justiz als moderne und professionelle staatliche Institution. Um dies zu erreichen, wurde die grafische Entwicklung für JustizOnline eng mit der zeitgleich stattfindenden Überarbeitung des Justiz Corporate Designs koordiniert, um auch in dieser Hinsicht ein überzeugendes und designtechnisch abgestimmtes Produkt bereitstellen zu können.

Report: Welchen Herausforderungen sind Sie in der Umsetzung begegnet?

Gesek:
Die Öffnung und Informationsbereitstellung aus Justiz-Fachapplikationen für alle Bürger*innen auf digitalem Weg stellt einen Meilenstein in der Transparenz und Bürgernähe der österreichischen Justiz dar. Damit wird ein weiterer Schritt in der konsequenten Digitalisierung der Justiz gesetzt, die intern mit der strategischen Initiative „Justiz 3.0“ und der Digitalisierung der Aktenführung ihren Ausgangspunkt hat und nun auch bei Bürger*innen und Unternehmen ankommt.

Die Ermöglichung dieses Zugangs zu bisher justiz-internen Informationen erforderte zum Teil umfangreiche Anpassungen an den beteiligten und für den täglichen Justizbetrieb unabdingbaren Fachanwendungen unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung der bisherigen Funktionalitäten und Verfügbarkeiten.

Neben diesen technisch notwendigen Inputs war ergänzend die Beiziehung von Expert*innen für User Experience und Visual Design erforderlich, um hinsichtlich Nutzerfreundlichkeit und Bedienbarkeit der Anwendung bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Nachdem diese Plattform den Zugang zur Justiz für alle Bevölkerungsgruppen erleichtern und ermöglichen soll, wurden Barrierefreiheitsüberprüfungen durch ein darauf spezialisiertes Unternehmen durchgeführt, um auch in diesem Aspekt bestmöglich auf spezielle Nutzer*innenbedürfnisse und -anforderungen einzugehen und diese erfüllen zu können.

Neben diesen primär technischen Herausforderungen waren ebenso fachliche und organisatorische Hürden zu bewältigen. Einerseits waren legistische Anpassungen notwendig, um einzelne Services kostenfrei anbieten zu können. Andererseits war die Überzeugung von Entscheidungsträger*innen und auch Mitarbeiter*innen ein entscheidender Erfolgsfaktor in der erfolgreichen Umsetzung dieser zukunftsweisenden Initiative.

Report: Was ist prinzipiell das „Kerngeschäft“ der Justiz? Welche Tätigkeiten sind darin umfasst?

Gesek:
Die Justiz ist neben der Gesetzgebung und der Verwaltung die dritte Säule des Rechtsstaats. Die Bundesverfassung normiert die Trennung von Justiz und Verwaltung in allen Instanzen.

Eine funktionierende und verlässliche Justiz ist der Grundpfeiler eines demokratischen Rechtsstaates. Die österreichische Justiz bekennt sich zu dieser Verantwortung und steht für die Wahrung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit. Sie gewährleistet eine unabhängige Rechtsprechung und handelt unter Achtung der Grund- und Freiheitsrechte in sozialer Verantwortung.

Die österreichische Justiz umfasst die ordentlichen Gerichte, die über zivilrechtliche Ansprüche und strafrechtliche Anklagen in einem förmlichen Verfahren entscheiden. Sie sind auf Grund der Gesetze eingerichtet und mit unabhängigen, unabsetzbaren, unversetzbaren, unparteiischen und nur an die Rechtsordnung gebundenen Richterinnen und Richtern besetzt.

Teil der Justiz sind auch die Staatsanwaltschaften, die vor allem die Interessen des Staates in Strafverfahren vertreten. Ihnen obliegt die Leitung des Ermittlungsverfahrens, die Entscheidung über die Anklage und die Vertretung der Anklage vor den Gerichten. In Erfüllung dieser Aufgaben sind sie von den Gerichten unabhängig.

Schließlich umfasst die österreichische Justiz auch noch die Justizanstalten – Strafvollzugsanstalten und gerichtliche Gefangenenhäuser –, die Einrichtungen der Bewährungshilfe, den Bundeskartellanwalt und die Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften.

Die Sicherstellung der organisatorischen, personellen und sachlichen Voraussetzungen für eine geordnete Rechtsverfolgung und Rechtsdurchsetzung ist die wichtigste Aufgabe der Justizverwaltung. An ihrer Spitze steht die Bundesministerin für Justiz, die als oberstes Verwaltungsorgan und Mitglied der Bunderegierung für die Koordination und oberste Aufsicht über das Justizressort und alle dazugehörigen Dienststellen verantwortlich ist.

Durch ihre Leistungen und insbesondere durch eine objektive, faire und unabhängige Führung von Verfahren durch die Gerichte und Staatsanwaltschaften in angemessener Dauer sichert die österreichische Justiz den Rechts- und Wirtschaftsstandort Österreich maßgeblich.

Report: Gibt es weitere geplante Ausbauschritte der Plattform JustizOnline? Wie sehen diese aus?

Gesek:
Da die Projektidee von einer angestrebten breitflächigen Öffnung der Justiz getragen wird, muss dafür Sorge getragen werden, dass neben Bürger*innen auch weitere Usergruppen Zugang zu JustizOnline erhalten. Für die Nutzbarmachung und Zugänglichkeit dieser Plattform für ein breites Userspektrum, wie beispielsweise juristische Personen, Gerichtssachverständige, Gerichtsdolmetscher*innen, Notare und Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte werden in weiterer Folge zusätzliche Vertretungs- und Authentifizierungsmechanismus etabliert. Damit einher gehen auch Verknüpfungen und Schnittstellen zu anderen E-Government Portalen, wie beispielswiese das Unternehmensservice-Portal, damit notwendige Vertretungs- und Berechtigungsinformationen im Sinne einer Verwaltungsoptimierung durch User nur an einer einzigen Stelle gepflegt werden müssen.

Mit der Entwicklung weiterer Features und der Überführung und Integration bisher separat angebotener Services und Informationen der Justiz wird die Plattform kontinuierlich als das Gesicht der Justiz nach „außen“ ausgebaut und der zentrale Einstiegspunkt zu allen digitalen Services der unabhängigen Gerichte und Staatsanwaltschaften.

https://justizonline.gv.at



Bild: Das erfolgreiche Projektteam „JustizOnline“ mit Franziska Lehner (BRZ), Christian Gesek (BMJ, 2.v.l.)und Sektionschef Alexander Pirker (BMJ, 4.v.l.) - und eAward-Juror Peter Reichstädter (Österreichisches Parlament, li.) und Martin Szelgrad (Report Verlag, re.) am 18. Oktober in Wien.

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