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Frauen in der IT

Der IT-Sektor in Österreich leistet einen substanziellen Beitrag zur österreichischen Wirtschaft. Durch Fachkräftemangel droht ihm die Luft auszugehen. Dass nicht ausreichend Technikerinnen zur Verfügung stehen, liegt vor allem am traditionellen Rollenbild der IT.

Die Bruttowertschöpfung der IT-Branche liegt bei rund 26,4 Mrd. Euro, das entspricht 7,4 % der Gesamtwirtschaft Österreichs. Als wesentliche Stütze und Motor für alle Branchen sichert die IT-Branche insgesamt rund 234.000 Beschäftigungsverhältnisse in Österreich. Für die kommenden Jahre wird deutlich mehr Personal benötigt. Rosige Aussichten für die IT-Branche, wäre da nicht der Fachkräftemangel. »Er bildet mittlerweile einen wachstumslimitierenden Faktor«, warnt Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende von Infineon Technologies Austria.

»Bei uns sind derzeit 200 Positionen ausgeschrieben. Gefragt sind die Fachrichtungen Elektrotechnik, Physik, Automatisierungstechnik, IT und Chemie.« Bundesweit beläuft sich der Fachkräftemangel mittlerweile auf rund 24.000 Personen, Unternehmen können ihre offenen internen IT-Positionen nur zu durchschnittlich 77 % besetzen. Die meisten Fachkräfte fehlen in den Bereichen Software Engineering, Web Development und IT-Security. Laut dem Österreichischen Infrastrukturreport 2021 mahnen 91 % der befragten Unternehmen die Förderung der IT-Fachkräfteausbildung ein. 40 % fordern einen flächendeckenden Informatikunterricht in allen Schulen ab der ersten Schulstufe.

Ja zu Technikerinnen

Als weiterer Schlüssel wird angeführt, mehr Frauen für eine Ausbildung in MINT-Branchen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik), vor allem in Technik und Informatik, zu begeistern. Laut dem Verband Österreichischer Software Industrie, VÖSI, liegt der Frauenanteil im gesamten IT-Sektor erst bei etwa 18 %. Nur knapp ein Viertel der Unternehmen setzt Aktionen, um mehr Frauen für IT-Jobs zu gewinnen. Diese Schritte sind zwar wichtig, der Zugang zu IT muss aber früher erfolgen. Laut der VÖSI-Arbeitsgruppe »WOMENinICT« fehlt die Frühförderung, um bei Mädchen das Interesse für MINT-Fächer zu wecken.
Gerade im Volksschulalter sind Mädchen aber für das spielerische Programmieren und für Mathematik, die Grundlage für Informatik, zu begeistern. Daher bietet etwa RoboManiac Sommercamps an, die speziell Mädchen zwischen fünf und 16 Jahren ansprechen und spielerisch die MINT-Fächer Robotik und Programmieren näherbringen.

Infineon Technologies Austria betreibt in Villach einen auf spielerisches, naturwissenschaftliches und technisches Experimentieren fokussierten Kindergarten. Die Österreichische Computer Gesellschaft organisiert Informatik-Wettbewerbe an Schulen sowie Ferialpraktika. Präsident Wilfried Seyruck freut sich, dass der Frauenanteil beim Schülerwettbewerb »Biber der Informatik« fast 50 % beträgt und weibliche Teilnehmer genauso gut abschneiden wie die männlichen. Rechtsanwältin Katharina Bisset, selbst Absolventin dieser Schule, empfiehlt Informatikgymnasien. »Wenn man schon in der Schule mit dem Thema IT konfrontiert wird, egal ob als Frau oder als Mann, ist man generell dafür offener.« Im traditionellen Gymnasium werde IT sehr stiefmütterlich behandelt.

IT neu zeichnen

Eine Forderung nannten alle IT-Technikerinnen im Gespräch mit dem Telekom & IT Report: Das Bild der IT müsse adaptiert werden, es braucht mehr Aufklärung und Information für Schülerinnen, Eltern, Lehrer und Bildungsberater. Es fehlt an Wissen, welche IT-Berufe es gibt, dass diese sehr kreativ und vor allem zukunftssicher sind und selbstverständlich auch von Frauen erlernt sowie ausgeübt werden können.

Und einen Wandel braucht es auch im sozialen Umfeld. Denn vielfach raten Eltern, Verwandte und Freunde jungen Frauen nach wie vor von einer IT-Ausbildung und dem Einstieg in die IT-Branche ab. Später errichten laut Nicole Walther, Projektleiterin bei FiT, oft Ehemänner und Partner diese Mauer. Gerade am Land herrscht vielfach noch ein tradiertes Rollenbild – Burschen besuchen die HTL, Mädchen die HAK.

Unternehmen mit Role-Models

Vorurteile wie »IT ist nichts für Mädchen« oder »Da gibt es nur lauter Nerds« werden durch Role-Models effektiv widerlegt. Als Sprecherinnen bei Konferenzen, bei Veranstaltungen, Schnuppertagen im Unternehmen, IT-Recruiting und auch bei Töchtertagen sind weibliche Führungskräfte in der IT bereits präsent. »Mir ist es ein großes Anliegen, dass man Role-Models sowie die Vielfältigkeit an Karrieremöglichkeiten vorstellt«, betont etwa Gerlinde Macho, Gründerin von MP2 IT-Solutions. Man müsse Diversität schaffen, davon profitieren Unternehmen und Arbeitsmarkt – Frauen ziehen Frauen nach. Wenn eine Frau in einem IT-Job oder als IT-Teamleiterin agiert, wirkt sie laut Macho als Vorbild für andere.

»Es braucht unterschiedliche Sichtweisen, diverses Denken und damit junge Frauen und auch Quereinsteigerinnen, um der Welt von heute zu begegnen«, betont auch Christiane Noll, Geschäftsführerin von Avanade. Im Vorjahr hat die Arbeitsgruppe ­WOMENinICT eine Eventreihe zum Thema Role-Models sowie ein Mentoring-Programm gestartet, die im Herbst 2021 fortgesetzt werden.

 

Vielfache Anstrengungen

»Wir suchen ständig IT-Mitarbeiter*innen, von der Softwareentwicklung bis zur IT-Security«, berichtet Gerlinde Macho von MP2 IT-Solutions, die im Vorstand des VÖSI und Mitgründerin von WOMENinICT ist. »Wir bilden im eigenen Haus viel aus und haben ein eigenes Personalentwicklungskonzept. Zudem ist MP2 auf Karriereportalen präsent, spricht Bildungseinrichtungen direkt an und nimmt an Jobmessen teil.« ›Employee Experience‹ ist bei MP2 ein zentraler Bestandteil der Unternehmenskultur. »Wir setzen dazu gezielte Maßnahmen, wie das eigene ­Gesundheitsprogramm fit@MP2, Teambuilding-Incentives und individuelle Trainings, etwa in den Bereichen Kommunikation, Coaching, Digitalisierung und Zeitmanagement.« Die Frauenquote bei MP2 liegt derzeit bei einem guten Viertel.

Kein Zufall

Auch für Stephanie Jakoubi, Leiterin der Stabstelle Strategisches Partner Management bei SBA Research, muss das Thema IT neu präsentiert werden. »IT-ler sitzen nicht im Pulli mit einer Pizzaschachtel im Keller.« Im Rahmen einer von Jakoubi durchgeführten Umfrage unter 200 IT-Technikerinnen wurden 107 unterschiedliche Jobbeschreibungen abgegeben. »Diese Vielfalt muss dargestellt werden, dann identifizieren sich auch andere Personengruppen mit IT. Es darf nicht länger ein Zufall sein, dass Frauen in der IT Fuß fassen«, ist Jakoubi überzeugt. Für die Expertin bieten HTL oder HAK mit digitalen Schwerpunkten eine erste entscheidende Ausbildung. Neben Uni und FH verweist sie auf viele Angebote für Quereinsteiger*innen mit nur wenigen Monaten Ausbildungszeit, etwa die CodeFactory und UpLeveled in Wien oder codersbay in Linz. Die Institute vermitteln die Absolvent*innen auch gleich an Unternehmen. Bei SBA Research ist der Frauenanteil mithilfe von Initiativen wie FEMtech-Praktika für Studentinnen von 6,7 % im Jahr 2010 auf heute 29,2 % gewachsen.

Interesse an Technologie

»Nicht von umfangreichen Anforderungsprofilen und Qualifikationen in Jobbeschreibungen abschrecken lassen«, rät Irene Marx, Country Manager bei Proofpoint, einem führenden Cybersicherheits-Unternehmen. Die jungen Frauen sollten sich nicht von alten Dogmen einschüchtern lassen und sich selbst etwas mehr zutrauen. Jobs in der IT haben sehr oft nichts mit Programmieren zu tun, sondern mit Interesse an Technologie. IT bietet Kreativität, ein breites Themenfeld und aufgrund der rasant wachsenden Berufsbilder Zukunftssicherheit und wirtschaftliche Unabhängigkeit. »In Gesprächen mit jungen Menschen versuche ich immer wieder das Berufsbild zurechtzurücken und auf die umfangreichen Möglichkeiten, Potentiale und auch auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hinzuweisen.« Proofpoint erzielt bereits eine höhere Frauenquote als der Durchschnitt der Branche. 25 % der mehr als 3.900 Mitarbeiter*innen sind Frauen, der Vorstand ist zur Hälfte mit Frauen besetzt.

Mehr Ausbau

Es braucht mehr Ausbildungen, auch Quereinsteigerinnen muss es ermöglicht werden, Fuß zu fassen«, fordert Christiane Noll, Geschäftsführerin von Avanade, einem Joint Venture von Microsoft und Accenture. Sie nennt als Konzepte eigene Akademien und Unternehmenskooperationen. Noll fordert ebenso einen frühen Zugang zu Digitalisierung und Information. »Auch der Mechaniker, der früher mit einer Zange unter dem Auto lag, arbeitet bei modernen Fahrzeugen heute via Software.« Um mehr Technikerinnen anzusprechen, bietet Avanade, das selbst eine Frauenquote von rund 30 % hält, Schnuppertage in Schulen und Praktika an, nimmt an Töchtertagen teil und hält verschiedenste Präsentationen in Ausbildungsstätten. An Unis und Fachhochschulen fordert Noll den Ausbau des Angebots.

Verständnis gewandelt

»IT ist eine extrem spannende Querschnittsmaterie«, blickt Rechtsanwältin Katharina Bisset auf ihre jahrelange Tätigkeit in der IT zurück. Heute berät sie Unternehmen in rechtlichen Technikthemen. »Es ist extrem schwer, gute Leute zu finden und auch zu halten, denn viele gehen ins Ausland. Das merke ich immer wieder bei der Zusammenarbeit mit Entwicklern.« Bisset bedauert, dass sich wenige Frauen der IT verschrieben haben. »Flexibilität ist die entscheidende Frage. Es geht nicht mehr ausschließlich um Arbeit, Familie, Kinder. Das Selbstverständnis bei Frauen wie bei Männern hat sich gewandelt.« Darauf müsse vom Unternehmen mit einem flexiblen Arbeitsmodell reagiert werden, das nicht 100 % Präsenz im Büro fordert. »Ich hoffe, man hat aus der Covid-Krise gelernt.«

Hochattraktive Chancen

»Die Technik bietet gerade für Frauen hochattraktive Chancen mit interessanten Arbeits- und Karrieremöglichkeiten. Es braucht einen gesellschaftlichen und bildungspolitischen Schub, um Mädchen so früh wie möglich für Technik zu begeistern«, fordert Sabine Herlitschka. Ihre Botschaft an junge Frauen: Die Chancen für Frauen in technischen Branchen sind heute so gut wie nie, probiert es aus! »Wir als Infineon sind seit langem aktiv, setzen zum Beispiel in dem von uns initiierten internationalen Kindergarten in Villach auf spielerisches, naturwissenschaftliches und technisches Experimentieren, engagieren uns bei Girls und Women Days oder den Smart Learning Schulen.« Aktuell liegt der Frauenanteil von Infineon Austria bei 18,4 %. Der Konzern unternimmt viel, um Karrierewege für Frauen in der Technik zu ermöglichen. Rahmenbedingungen wie flexible Arbeitszeiten und Kinderbetreuung, Telearbeit und Teilzeit-Möglichkeiten, Ferienbetreuungen, Aus- und Weiterbildung, Mentoring-Programme, Gesundheitsförderung und ein aktives Karenz-Management für Eltern sind fest verankert.



Das Projekt „FiT – Frauen in Technik und Handwerk“ fördert den Einstieg von Frauen in Berufe mit einem Frauenanteil von unter 40 %. »Die Ausbildungsmöglichkeiten umfassen eine IT-Lehre mit dem jeweiligen Schwerpunkt, auch verkürzt bei abgelegter Matura, sowie einen Kolleg- oder Fachhochschulabschluss«, informiert Projektleiterin Nicole Walther.

»Mit der Dualen Akademie können Mitarbeiter nach den eigenen Bedürfnissen ausgebildet werden«, erklärt Wilfried Seyruck, der mit seiner Programmierfabrik der erste Partner im Programm war. Die Duale Akademie richtet sich vor allem an Maturanten und Studienabbrecher. Mittlerweile arbeiten vier Trainees in der Programmierfabrik, im Herbst kommen weitere vier dazu. Marlene Thallinger ist ein Trainee der ersten Stunde. Die Frauenquote der Programmierfabrik: 40 %.

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