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»Das darf man nicht dem Zufall überlassen«
Foto: Luiza Puiu

Eine Plattform für Frauen in der IT, die über Jobtitel hinweg vernetzt. Doris Schlaffer, Kristina Maria Brandstetter und Astrid Wieland setzen mit #TheNewITGirls ein starkes Zeichen in einer Branche, die enorm viele Chancen bietet.

Report: Wie ist es zur Gründung der Plattform #TheNewITGirls gekommen?

Astrid Wieland: Ich habe 2014 in der IT-Branche zu arbeiten begonnen und war damals oft die einzige Frau auf Partnerveranstaltungen oder bei Panel-Diskussionen – mit einer Ausnahme, Doris. Daher haben wir uns auf die Suche nach anderen Frauen gemacht, mit denen wir uns vernetzen können. Doch die Netzwerke für Frauen waren meist sehr allgemein oder, auf die IT-Branche bezogen, etwa rein auf Programmierer­innen oder »Women in AI« ausgerichtet. Um eine gemeinsame Plattform schaffen, haben wir 2018 den Verein #TheNewITGirls gegründet.

Wir setzen uns ehrenamtlich für die Förderung von Frauen in der IT ein, übergreifend über einzelne Jobtitel hinweg. Wir zeigen, welche vielfältigen und kreativen Möglichkeiten die Branche auch für Frauen bietet. In der IT sind genauso Sales-Expertinnen, Beraterinnen HR- und Marketing-Spezialistinnen tätig, gemeinsam lernen wir voneinander und stärken einander.

Doris Schlaffer: Wir haben bewusst einen Namen gewählt, der mit Klischees spielt und den Begriff der starken, selbstbewussten »It-Girls« aus den neunziger Jahren mit IT verbindet. Frauen waren es übrigens auch, die als Programmiererinnen Pionierarbeit in der IT geleistet hatten – damals schlecht bezahlt und mit geringem Ansehen. Das hat sich geändert. Jobs in der IT sind heute gut dotiert und wir wollen mit dem Hashtag ­»TheNewITGirls« diese Rollenbilder verbinden und zeigen, dass beides möglich ist: It-Girl und IT-Girl gleichzeitig zu sein.

Wir haben bei der Gründung eigentlich recht klein gedacht und einfach einmal ein Meetup ausgeschrieben, um zu sehen, was passiert. Wir hatten am ersten Tag dann 25 Teilnehmerinnen und auch einen Teilnehmer, der uns unterstützt hat, und gleich sehr gutes Feedback von allen bekommen. Diese Motivation trägt uns mittlerweile mehrmals im Monat bei unseren Meetups mit rund 1000 »Members« weiter.

Wir drei sind selbst über Zufälle in die IT gestolpert. So geht es auch vielen anderen Frauen. Nun gibt es ein großes Potenzial an IT-Expertinnen, die in Österreich dringend benötigt werden. Das darf man nicht dem Zufall überlassen.

Report: Wie wichtig ist die Sichtbarkeit von Frauen bei der Ansprache von Mädchen bei der Berufswahl?

Kristina Maria Brandstetter: Studien zeigen, dass Technologiebegeisterung bei Buben und Mädchen bis zu einem Alter von elf Jahren in etwa gleich ausgeprägt ist. Mit 15 oder 16 ist bei vielen Mädchen das Interesse an einem Tiefpunkt – just in einem Alter, in dem wichtige berufliche Weichen gestellt werden. Irgendwo dazwischen wird das Thema Technik offenbar durch unsere Gesellschaft aberzogen. Wenn in der Schule gefragt wird, wer beim Beamer hilft, oder wenn prinzipiell technische Themen aufkommen, wird das generell an Burschen gerichtet – nicht an Mädchen. Es sind Kleinigkeiten, die aber in Summe ein falsches Bild vermitteln.

Wenn Frauen in der IT nun als Role-Models für diese Mädchen sichtbar sind, und diese sich ganz normal in einem von Technik geprägten Wirtschaftsbereich bewegen, hat das nachweislich einen positiven Effekt. Es gibt bereits gute Initiativen in den Schulen. Wenn aber 50-jährige Männer erklären, wie cool die IT sein kann, erreichen sie gerade die Mädchen nicht. Spricht eine 25-Jährige über ihren Werdegang in der IT-Branche, vermittelt das einen ganz anderen Zugang.

Wir geben Berufsbildern ein Gesicht und zeigen, welche Skills notwendig sind, um in einer zukunftssicheren Branche, die auch für Frauen viel bietet – Kreativität, Flexibilität, gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie, gute Verdienstmöglichkeiten – Fuß zu fassen. Denn die meisten wissen schlicht nicht, welche unterschiedlichen Interessensgebiete die IT unterstützt und dringend benötigt.

Report: Sie wollen auch Frauen fördern, die bereits in der IT tätig sind.

Brandstetter: Unser Ziel ist, in einer Dachfunktion in Kooperation auch mit anderen Netzwerken einen möglichsten großen Impact und möglichst viele Frauen zu erreichen. Vor allem Quereinsteigerinnen müssen sich Seilschaften über Unternehmensgrenzen hinweg aufbauen können. Auch wenn diese Unternehmen dann vielleicht sogar im Mitbewerb stehen, sorgt das für eine besondere Verbundenheit untereinander. Wir bieten Frauen bei unseren Veranstaltungen eine »Safe Zone«, in der sie ihre Expertisen vorstellen können, und wir fördern die Präsenz vor Publikum und auf Podien. Genau diese Förderung braucht es auch in den Unternehmen, ihre Mitarbeiterinnen als Sprecherinnen nach außen zu sehen und zu trainieren – um Frauen auf Fachveranstaltungen sichtbarer zu machen.

Wieland: In der IT ist Platz für alle und es werden die unterschiedlichsten Fähigkeiten gebraucht. Ich habe Wirtschaft studiert und mit der Zeit gemerkt, wie mir viele Eigenschaften und Fähigkeiten aus diesem Studium bei meinem Job in der IT helfen. Dass ich die Sprache des Business spreche, hilft gegenüber den Kund*innen enorm. Ich bringe mich als Brückenbauerin zur Technik ein, da ich beide Seiten kenne und verstehe. Teilweise ist das ein Stolperstein für rein auf die Technik ausgerichteten Kolleg*innen. Deshalb fokussieren wir nicht auf bestimmte Berufsbilder, sondern vielmehr auf Eigenschaften. Wenn ich bei einer Schülerin sehe, dass sie kreativ Probleme lösen kann, dann ist sie perfekt für die IT geeignet. Umgekehrt muss man auch nicht zwingend gut in Mathematik sein, sondern ist auch mit einem Talent für Sprachen etwa für das Übersetzen von Anforderungen und Aufgaben bei Kundenprojekten wie geschaffen.

Brandstetter: Wir hatten nach einem Podiumstalk auf der Veranstaltung »lunchBreak The Pattern« im März mit einer Zuschauerin gesprochen, die bis zur Krise als Projektmanagerin in einem Reisebüro gearbeitet hatte. Ihr wurde bereits geraten, den Wechsel in die IT zu überlegen, doch die Hemmschwelle war groß, da sie über die Branche wenig wusste. Der Kontakt mit #TheNewITGirls hat ihr gezeigt, wie gefragt ihre Skills in der Branche sind. Fähige Projektmanagerinnen werden auch in der IT dringend gebraucht!

Report: Wie hoch ist der Bildungsgrad bei Frauen in technischen Berufen auf den Universitäten in Österreich?

Schlaffer: Beim Studium der Informatik und verwandten Studiengängen haben wir in Österreich rund 17 % Frauen. Davon beenden nur etwas mehr als ein Drittel ihr Studium und wiederum nur 8 % dieser Frauen sind in technischen Berufen tätig. Wir verlieren also nicht nur während des Studiums die Frauen, sondern sie üben auch nach einem Abschluss den Beruf nicht aus. Das nächste Problem ist, dass von diesen 8 % nur 4 % jemals eine Führungsposition erreichen. Solange wir aber keine oder nur wenige Frauen in den Managements haben, wird sich das Klima nicht ausschlaggebend ändern.

Report: Wie geht es den Frauen tatsächlich auf dem Weg in der Technik? Und wie sollten Unternehmen hier unterstützen?

Schlaffer: Als Frau in der IT muss man sich in Österreich noch richtig durchbeißen, sowohl auf dem Bildungsweg als auch kulturell am Arbeitsplatz. Ich höre immer wieder von IT- und Maschinenbau-Studentinnen, dass sie in den gemeinsamen Vorlesungen mit den männlichen Kollegen oft mit Sexismus konfrontiert sind. Vorurteile herrschen auch später oft in den Unternehmen. Hier braucht es noch Bewusstsein und aktives Gegensteuern in den Unternehmen selbst, denn: das kann Berufswahl und Karriere negativ beeinflussen.

Diversität und Inklusion sind Themen, die wir gemeinsam mit unseren Partner*innen und Sponsor*innen diskutieren und fördern. Und ich meine damit nicht, anlässlich des »Pride Month« das Firmenlogo in Regenbogenfarben zu schmücken. Unternehmen sollten sich die Frage stellen, was sie die restlichen elf Monate für die Diversität tun. Sie sollte ein zentraler Bestandteil bei der Gestaltung und Umsetzung der Geschäftsstrategie und im Tagesgeschäft eingebettet sein.

Report: Warum ist es so dringend, den Frauenanteil zu erhöhen?

Brandstetter: In Österreich fehlen uns allein in der IT mindestens 24.000 Fachkräfte. Das bedeutet einen jährlichen Wertschöpfungsverlust von 3,8 Milliarden Euro. Wenn sich eine Firma nicht um – eben auch weibliche – Fachkräfte bemüht, wird sie nicht überleben. Vielfalt ist auch ein Treiber für Innovation, die essentiell für neue Geschäftsmodelle und Strategien in der Digitalisierung und in einer immer weniger planbaren Welt ist. Frauen nicht anzusprechen, kann sich niemand mehr leisten.

Report: Was macht Berufe in der IT für Sie attraktiv?

Wieland: Ich habe mich für einen Beruf in der IT entschieden, weil ich dort ständig Neues erlebe. Es ist eine erfolgreiche, sich ständig wandelnde und weiterhin stark wachsende Branche, die nicht nur aus wirtschaftlichen Standpunkten als Arbeitgeberin für Frauen spannend ist, sondern viel kreatives Potential bietet.

Brandstetter: Die Vielfalt der Themen, der Impact: Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam eine bessere Welt schaffen können und Technologie dazu der Schlüssel ist. Und dabei können und wollen wir mitgestalten.


Thema D&I

- Welchen Schritt können Unternehmen setzen, um gezielt Frauen in der IT zu fördern?
- CEO als »Headliner« für alle Maßnahmen rund um Diversität und Inklusion (D&I) positionieren.
- D&I ist weit mehr als ein HR- oder Marketing-Thema – es muss als zentraler Bestandteil der Unternehmensstrategie in allen Bereich des Geschäftsalltags eingebettet werden.
- Führungskräfte verantwortlich machen: Um D&I voranzutreiben, sollten klare Ergebnisse vereinbart werden, etwa im Rahmen eines »Objectives and Key Results«-Modells (OKR).
- Laufende Bewusstseins- und Kompetenzentwicklung sowohl im Recruiting und Talentmanagement als auch in Führungskräftetrainings.


Quelle: #TheNewITGirls

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