Riesige Datenmengen in Echtzeit verarbeiten am Ort ihrer Entstehung: Das wird in Zukunft für viele KMU von entscheidender Bedeutung sein. Edge-Lösungen müssen dabei flexibel, kosteneffizient und vor allem sicher sein.
Die Industrie 4.0 verändert die Produktionsprozesse nachhaltig, auch im KMU-Bereich, der mit 99,6 Prozent aller Unternehmen (Quelle: KMU Forschung Austria) das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft darstellt. Für IT-Expertinnen und -Experten in produzierenden Unternehmen, insbesondere in den KMU, stellt die Verarbeitung von riesigen Datenmengen mit möglichst geringer Latenzzeit eine große Herausforderung dar. In einer durchschnittlichen Produktionsstätte können täglich Daten im zweistelligen Terabyte-Bereich anfallen. Das rückt eine Dezentralisierung der IT-Infrastruktur in Form von Edge-Rechenzentren nahe am Ort der Daten-Generierung in den Mittelpunkt der Digitalisierungsstrategien. Folgende fünf Tipps können kleinen und mittelständischen Betrieben helfen, ihre Edge-Lösungen maßgeschneidert umzusetzen.
1. Dezentrale Edge-Datenverarbeitung vermeidet unerwünschte Verzögerungen der Produktion
Produktionsstätten in Österreich liegen oft abseits der Datenhighways oder Hotspots. Fehlende Bandbreiten oder WAN-Netzwerkinfrastrukturen machen die rasche Bearbeitung großer Datenmengen, die beim Einsatz von Industrie 4.0- bzw. Industrial Internet of Things-Anwendungen (IIoT) entstehen, in zentralen Rechenzentren und Cloud-Lösungen oft unmöglich. Die Übertragung, Verarbeitung und Rückübermittlung der Daten dauern für viele Anwendungen, besonders im Produktionsbereich, zu lange und können dabei zu unerwünschten Verzögerungen in der Produktion führen. Manche Anwendungen – z. B. Industrieroboter, die mittels Künstlicher Intelligenz gesteuert werden – müssen zudem in der Lage sein, Befehle in Echtzeit auszuführen. In solchen Fällen ist das Edge Computing – also die Datenverarbeitung nahe am Ort ihrer Entstehung, etwa in einer Fabrik, einem Retail Store oder einer Außenstelle – die richtige Wahl.
2. Edge-Lösungen können zur Kosteneffizienz beitragen
Die Bereitstellung hoher Bandbreiten hängt nicht nur mit unzureichender IT-Infrastruktur zusammen – gerade für KMU können dadurch hohe Kosten entstehen. Um diese Kosten zu senken, können Edge-Lösungen mit dem Cloud-Computing sinnvoll kombiniert werden: So können Edge-Rechenzentren die Daten vorbearbeiten und somit die Datenmengen reduzieren, die an die Cloud übertragen werden. Darüber hinaus ermöglicht der technologische Fortschritt die Unterbringung von leistungsfähigen Rechenzentren direkt an der Produktionsstätte in nur einem Rack oder Container. Ein wesentlicher Faktor der Kosteneffizienz ist auch die Skalierbarkeit von Edge-Lösungen, die bei Bedarf eine flexible Erweiterung der Kapazitäten ermöglicht.
3. Edge-Lösungen müssen ins Umfeld passen
Eine Edge-Lösung muss einfach zu implementieren sein und ins Produktionsumfeld passen. Dabei muss das Konzept von Micro-Rechenzentren mit Edge-Lösungen einen reibungslosen, sicheren und energieeffizienten Betrieb gewährleisten. Dazu gehören etwa die ideale Positionierung – in einer Produktionshalle oder im Freien –, Klimatisierung, optimierte Stromversorgung bzw. Wasser-, Hitze- und Staubdichtheit.
4. KMU sollen Herr der eigenen Daten sein
Eine Edge-Lösung muss den Aspekten der Sicherheit Rechnung tragen und erfordert einen effektiven Zugriffsschutz sowie Zugangskontrollen. In manchen Fällen sind Edge-Lösungen außerhalb des Produktionsgebäudes installiert – in diesen Fällen muss der Zugriff zu sensiblen Systemen und Daten ebenfalls geschützt werden.
Neben der allgemeinen Sicherheit spielt für viele innovative KMU in Europa, und damit auch in Österreich, der Schutz des geistigen Eigentums eine immer bedeutendere Rolle. Zahlreiche österreichische KMU sind Innovationsvorreiter – daher stellt die Sicherheit von sensiblen Unternehmensinformationen für sie eine Existenzfrage dar. Aus diesem Grund meiden innovative europäische KMU die von gängigen US-amerikanischen Anbietern betriebenen Public-Cloud-Systeme, aus Sorge vor einem Übergriff oder wegen der rechtlichen Rahmenbedingungen. In diesem Fall wäre etwa die Verwendung von rein europäischen Edge-Appliances ratsam, die Open-Source-basierend sind, auf in Europa entwickelten Datenmodellen fußen und keine amerikanischen oder asiatischen Provider beinhalten. Damit wird die Souveranität über die eigenen Daten gewährleistet. Die Unternehmen können bei solchen Edge-Appliances selbst entscheiden, welche Datenpunkte wie und von wem verwendet werden.
5. Industrie 4.0 erfordert gesamtheitliche Datenstrategie
Die aktuellen Trends rund um Industrie 4.0 und Industrial Internet of Things (IIoT) bieten etwa Fabriken, Logistikunternehmen oder Großhändlern die Möglichkeit, ihre Wertschöpfungsketten auf Basis von Datenanalysen zu optimieren oder neue Anwendungen wie die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) von Maschinen einzuführen. Das erfordert jedoch die Vernetzung von Produktion, Verkauf, Logistik und Supply Chain sowie die Etablierung von durchgängigen Datenmodellen. Um aus den gewonnenen Daten auch Wertschöpfung zu generieren, müssen diese verknüpft, korreliert und ausgewertet werden. Vorgelagerte Edge-Rechenzentren unterstützen die Datenanalyse in zentralen Instanzen, wofür sich insbesondere private Cloud-Lösungen eignen. Diese sinnvolle Interaktion zwischen Edge- und Cloud-Lösungen sollte Teil einer gesamtheitlichen Strategie im Unternehmen werden, die auch Zulieferer und Partner miteinbezieht. So lassen sich die Vorteile von Industrie 4.0 und IIoT optimal nutzen.
Über den Autor
Andreas Hajek, 55, ist bei Rittal Österreich als Verkaufsleiter für den Bereich IT-Infrastruktur verantwortlich und Experte für Edge-Rechenzentren. Rittal entwickelte gemeinsam mit seinen Schwesterfirmen iNNOVO Cloud, German Edge Cloud, IoTOS und Partnern wie SupplyOn, Bosch Connected Industry und Siemens die europäische Edge-Appliance ONCITE, die auf von der Fraunhofer-Gesellschaft erarbeiteten Datenmodellen aufsetzt. Der ausgebildete Naturwissenschaftler hat nach dem Studium relativ bald von den Naturwissenschaften in die EDV gewechselt und war, bevor er zu Rittal kam, unter anderem am Rechenzentrum der Universität Graz, bei General Electric und bei Hewlett-Packard tätig. www.rittal.at