Samstag, September 30, 2023

Auch wenn das neue Eigenheim in konventioneller Bauweise mit Ziegel oder anderen Mauersteinen gebaut wird, der Keller ist immer öfter ein Fertigkeller.

Die Industrialisierung im Wohnbau ist nicht aufzuhalten. 2007 wurde bereits fast jedes dritte neue errichtete Ein- oder Zweifamilienhaus als Fertigteilhaus errichtet. Die Fertighausquote wächst jährlich um einen halben bis einen Prozentpunkt. Doch auch wenn das Eigenheim in konventioneller Bauweise mit Ziegel, Ytong oder Blähbeton errichtet wird, der Keller ist immer öfter aus Betonfertigteilen. Zumeist wird der Fertigkeller als Hohl- oder Doppelwand ausgeführt. Darunter versteht man zwei fünf bis sechs Zentimeter dicke Betonplatten, die von Stahlverstrebungen  zusammengehalten werden.
Der Zwischenraum ist je nach Wandstärke neun bis dreißig Zentimeter breit und wird auf der Baustelle mit Beton ausgegossen. Oben drauf kommt die Kellerdecke, eine Elementdecke. Das ist quasi eine halbe Doppelwand, die ebenfalls auf der Baustelle mit Beton aufgefüllt wird. Dadurch erhält man einen fugenlosen und damit dichten Baukörper. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass die Doppelwand von einem Österreicher erfunden wurde. Die genaue Urheberschaft ist jedoch umstritten. Ein Produzent von Elementdecken klappte einfach zwei Elementdecken aneinander, schon war die Doppelwand geboren. Diese war gegenüber der Betonvollwand nicht nur günstiger, sondern auch hinsichtlich der Dichtheit und der Montagetoleranzen überlegen. Die Vorteile eines Fertigkellers gegenüber der konventionellen Bauweise eines Kellers liegen in der wetterunabhängigen Errichtung und der Möglichkeit der Integration von Türstöcken, Fenstern und der Leerverrohrung für die Haustechnik bereits im Werk.

Steigende Nachfrage
Im Umfeld stagnierender Neubaubewilligungen wächst die Nachfrage nach Fertigkellern jährlich im Durchschnitt um zwei Prozent. 2007 ist der Umsatz im privaten Wohnbau um 7,5 prozent auf 48 Millionen Euro gewachsen. Das entspricht etwa einer Million Quadratmeter Betonfertigteile oder rund 2.900 Kellern. Damit ist etwa bereits jeder dritte neu errichtete Keller für Ein- und Zweifamilienhäuser ein Fertigkeller. Abgesehen von den prozesstechnischen Vorteilen wird die wachsende Nachfrage nach Fertigkellern durch die vergleichsweise knappen Personalressourcen der Bauwirtschaft angetrieben, in Folge der besonders guten Baukonjunktur der letzen Jahre. Dies hat zur Folge, dass vermehrt Wertschöpfung an die Betonfertigteilindustrie ausgelagert wird. 
Trotzdem hat der Fertigkeller gegenüber der konventionellen Bauweise noch mit einer Reihe von Hemmnissen zu kämpfen. Zum einen sind das preisliche Nachteile. Diese resultieren aus der Möglichkeit einer kreativen Rechnungsgestaltung des Bauunternehmens und der Einbringung von Eigenleistungen des Bauherren bei bauseitiger Errichtung des Kellers. Beides gibt es beim Fertigkeller nicht. Zum anderen benötigt ein Fertigkeller die Möglichkeit der Anlieferung mit Sattelschlepper und Kranwagen. Auch das ist nicht immer möglich. Die größte Barriere ist aber die relativ hohe Auslastung der Produktionskapazitäten in der Betonfertigteilindustrie. Diese führte in den letzten Jahren zu Preiserhöhungen jenseits von 15 Prozent, was nicht mehr alleine mit der Erhöhung der Rohstoffpreise erklärt werden kann.

Düstere Prognosen
Aber möglicherweise sind das alles sowieso nur Nebenschauplätze. Denn die entscheidende Frage ist: »Brauchen wir überhaupt noch Keller?« Ein voll ausgebauter Keller kann schon mal mit rund 60.000 Euro angesetzt werden. Der Nutzen beschränkt sich heute aber im Wesentlichen auf den gewonnenen Stauraum. Denn anders als früher können ursprünglich wichtige »Kellerfunktionen« wie Lagerraum für Brennstoffe, Heizraum und Garage auch alternativ und zum Teil kostengünstiger gelöst werden. Entscheidet sich ein Bauherr für ein Niedrigenergie- oder Passivhaus, so kann der gesamte Heiz- und Warmwasserbedarf mit Wärmepumpe und Solaranlage gedeckt werden. Ein Tankraum für die Ölheizung entfällt und damit auch ein nicht unwichtiger Grund für den Keller. Statt der Garage tut es heute ein deutlich kostengünstigeres Carport und die Gartengeräte können auch in Geräteschuppen aus dem Baumarkt untergebracht werden. Die Entscheidung hinsichtlich der Unterkellerung des Hauses wird also immer stärker monetär determiniert. 2007 wurden nur noch 65 Prozent aller neu errichteten Ein- und Zweifamilienhäuser unterkellert. Bis 2015 wird ein Rückgang auf 50 Prozent erwartet. In manchen Regionen der Welt sind unterkellerte Häuser sogar eher die Ausnahme. Könnte das auch einmal auf Österreich zutreffen?
Ein wachsender Marktanteil des Fertigkellers könnte daher zum Phyrrussieg werden. Denn was bringt es, wenn man zwar Marktanteil gewinnt, parallel dazu einem aber der Markt abhanden kommt?

info: www.kfp.at

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