Donnerstag, April 25, 2024

Seit Hans Jörg Schelling angekündigt hatte, die »heilige Kuh« Bankgeheimnis zu schlachten, gingen in Österreich die Wogen hoch. 700 Millionen Euro verspricht sich der Finanzminister durch die leichtere Verfolgung von Steuersündern. An der Prämisse »Wir werden keinen Richter brauchen« schieden sich jedoch die Geister. Finanzbeamte, die ohne richterliche Genehmigung auf Konten herumschnüffeln, wird es deshalb auch künftig nicht geben. Privatsphäre vs. Steuerbetrug lautete das Match. Report(+)PLUS hat sich zwischen den Fronten umgehört.

1. Ist ein Bankgeheimnis noch zeitgemäß?

Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer Österreich:
"Transparenz über Konten und ihre Inhalte ist letztlich auch eine Kulturfrage. Die Bereitschaft, diese Informationen offenzulegen, setzt gegenseitiges Vertrauen voraus. Vertrauen ist ein sehr sensibles Gut, der Aufbau dauert, wie im menschlichen Zusammenleben, eine gute Zeit und erfordert die Bereitschaft beider Seiten, transparent zu sein und sich zu vertrauen. Auch bisher schützten weder Bankgeheimnis noch Datenschutz vor Strafverfolgung bei kriminellen Machenschaften. Dazu bekannten und bekennen sich die österreichischen Banken seit jeher.
Dafür, also für die Offenlegung der finanziellen Privatsphäre, muss aber eine ausreichend verdichtete Verdachtslage zugrundeliegen und nicht bloß eine auch verfassungsrechtlich angreifbare Annahme der Finanzbehörden. Dies sieht, wie der Stellungnahme der Datenschutzbehörde zu entnehmen ist, auch die »obers­te Instanz« des Datenschutzes so. Ausreichender Rechtsschutz gehört zu den Spielregeln eines Staates. Sie müssen für alle »Mitspieler« eines Gemeinwesens gelten."

Margarethe Flora, Stv. Leiterin des Lehrgangs »Wirtschaftskriminalität, Korruption und Recht« am Institut für Strafrecht der Uni Innsbruck:
"Ja. Insbesondere im Zeitalter des bargeldlosen Zahlungsverkehrs lassen Kontodaten einen Rückschluss auf die Lebensgewohnheiten einer Person zu. Es können Informationen über Einkommensverhältnisse, konsultierte Ärzte oder Therapeuten, Einkaufsgewohnheiten usw. gewonnen und anhand der verschiedenen Abbuchungsörtlichkeiten auch Bewegungsprofile erstellt werden. In unserer Gesellschaft ist es kaum möglich, sich der Abbildung des Privatlebens durch die Kontobewegungen zu entziehen. Der schrankenlose Zugriff auf Kontodaten würde daher das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und damit auch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Privatleben unverhältnismäßig einschränken."

Johann Kalliauer, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich:
"Nein, keinesfalls! Gegen die Abschaffung des Bankgeheimnisses kann eigentlich nur sein, wer etwas zu verbergen hat. Das Bankgeheimnis nützt nur einer kleinen Minderheit: Spekulanten und Leuten mit Vermögen, das auf dubiose oder ungesetzliche Weise zustande gekommen ist, oder solchen, die durch Verlagerungen ins Ausland Steuern hinterziehen wollen. Alle sogenannten »kleinen« Sparerinnen und Sparer, denen ohnehin automatisch die KESt abgezogen wird, haben vom Bankgeheimnis nicht den geringsten Vorteil."


2. Welche Überprüfungen halten Sie für gerechtfertigt?

Franz Rudorfer:
"Wir sprechen in diesem Zusammenhang von der finanziellen Privatsphäre der Menschen in Österreich. Schon im Interesse dieser Menschen, Kundinnen und Kunden der Banken, ist ein adäquater und seinem Namen Ehre machender Rechtsschutz für Kontoinhaber, seien es Privatpersonen oder Unternehmen, unerlässlich. Dem Recht auf Datenschutz ist dabei ebenso Rechnung zu tragen wie der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, gerade weil es um Eingriffe in höchstpersönliche Rechte – um die finanzielle Privatsphäre – geht. Erfreulicherweise bewegt sich die Diskussion auf politischer Entscheidungsebene auf ein Verständnis dieser Vorbehalte zu."

Margarethe Flora:
"Sowohl im Abgabenverfahren als auch im Strafverfahren ist eine Überprüfung gerechtfertigt, wenn Anhaltspunkte für die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der bisherigen Angaben des Abgabenpflichtigen vorliegen bzw. der Verdacht einer Finanzstraftat besteht. Gerechtfertigt ist die Überprüfung dann, wenn der Abgabenpflichtige/Beschuldigte nicht kooperiert und die Kontoöffnung bescheidmäßig oder gerichtlich bewilligt worden ist. Während dieser notwendige Rechtsschutzstandard im gerichtlichen Strafverfahren eingehalten wird, ist im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren und im Abgabenverfahren nach dem Ministerialentwurf weder die Information des Betroffenen vorgesehen noch müssen ihm die Gründe für die Öffnung dargelegt werden."

Johann Kalliauer:
"Nötig ist auf jeden Fall eine Auskunftspflicht über Vermögensdaten ausländischer Anleger an die zuständigen Steuerbehörden (ihres jeweiligen Landes). Das wäre eine sehr wirkungsvolle Maßnahme gegen Steuerhinterziehung und somit auch für mehr Gerechtigkeit. Ich bin für möglichst umfangreiche Informationen an die Finanzverwaltung: Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass jede und jeder nachweisen muss, dass ihr oder sein Vermögen ehrlich erworben oder erwirtschaftet wurde."


3. Sind die prognostizierten Einnahmen aus der Betrugsbekämpfung realistisch?

Franz Rudorfer:
"Mangels näherer Informationen kann man die Schätzungen der Mehreinnahmen aus den sogenannten »Maßnahmen zur Bekämpfung des Steuerbetruges«nicht wirklich nachvollziehen."

Margarethe Flora:
"Der Anteil der Gegenfinanzierung der Steuerreform durch die vorgeschlagenen Betrugsbekämpfungsmaßnahmen stellt gegenüber den anderen geplanten Maßnahmen einen auffällig hohen Posten (1,9 Mrd. Euro) dar und wird daher von Wirtschaftsforschern als »ambitioniert« bezeichnet. Woraus sich die Berechnungen ergeben, kann – soweit ersichtlich – nicht überprüft werden. Der Minis­ter beruft sich dabei auf Experten aus seinem Ministerium und dass es nach künftiger Rechtslage leichter sein wird, Schwarzgeldumsätze zeitnah zu entdecken."

Johann Kalliauer:
"EU-weit werden jährlich mindestens 1000 Milliarden Euro an Steuern hinterzogen. Umgelegt auf die Bevölkerungszahl sind das in Österreich ca. 17 Milliarden im Jahr. Selbst wenn es also in Österreich eine weit überdurchschnittlich gute Steuermoral geben sollte, wäre damit die letzte Steuerreform ganz locker gegenfinanziert! Damit die angesetzten Einnahmen aus der Betrugsbekämpfung auch kommen, ist aber eine bessere Personalausstattung der Finanzverwaltung notwendig, damit auch mehr Betriebsprüfungen durchgeführt werden können."

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