Für Reinhard Willfort (li.), Gründer von 1000x1000, sind Crowdfunder keine »Sparbuchsparer «. Stefan Brozyna von Avantconsult denkt über klassische Finanzierungen hinaus. Not macht erfinderisch. Der Zugang zu Bankkrediten wird für KMU immer schwieriger. Crowdfunding-Plattformen bringen aufstrebenden Unternehmen neues Investitionskapital und Anlegern mitunter ansprechende Renditen – das Risiko für Investoren ist aber nicht zu unterschätzen.
Heini Staudinger, der kämpferische Schuhproduzent aus dem Waldviertel, hat es vorgemacht. Er pfiff auf auf seine Hausbank und finanzierte den Ausbau seines Unternehmens mittels Kleindarlehen von Privatpersonen, denen er vier Prozent Zinsen für das eingesetzte Kapital (insgesamt fast drei Millionen Euro) gewährte. Bald hatte er die Finanzmarktaufsicht (FMA) am Hals – das Verfahren brachte ihm aber auch jede Menge Sympathie ein. Auch wenn sein Modell zur Lukrierung von Investitionskapital rechtlich nicht ganz einwandfrei war, konnten viele Unternehmer der Idee etwas abgewinnen. Von den Banken an der kurzen Leine gehalten, wird der Spielraum für Innovationen besonders für kleinere und mittlere Unternehmen immer kleiner, obwohl sich der Finanzierungsbedarf meist in recht überschaubaren Größen bewegt. Inzwischen steht Crowdfunding auch in Österreich juristisch auf sicheren Füßen, wenn auch mit dem Makel eines Nachrangigkeitsdarlehens behaftet. Ironie am Rande: Die Anleger werden gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt, obwohl die FMA immer mit dem Schutz der Anleger argumentiert hatte. Um die Rahmenbedingungen etwas zu erleichtern, wurde auf Insistieren der Wirtschaftskammer die Prospektpflicht von 100.000 auf 250.000 Euro angehoben. Ab dieser Investitionssumme muss das Unternehmen einen Kapitalmarktprospekt auflegen, der die Anleger umfassend über die finanzielle Situation des Unternehmens infomiert – eine kostspielige Angelegenheit, die ursprünglich für börsennotierte Unternehmen gedacht war. Crowdfunding-Befürworter fordern deshalb eine weitere Anhebung der Prospektpflichtgrenze auf drei Millionen Euro. Ein entsprechender Entschließungsantrag wurde im Juli von den Grünen im Parlament eingebracht. Der Entwurf sieht aber trotzdem eine Informationspflicht unter dieser Grenze vor. Außerdem soll die Summe, mit der sich ein einzelner Anleger beteiligt, auf 20.000 Euro beschränkt werden. Angebot und Vertrieb der Schwarmfinanzierung darf nur dem emittierenden Unternehmen erlaubt sein. Damit soll verhindert werden, dass sich Finanzdienstleister zwischenschalten und an der Vermittlung mitnaschen.
Wachsende Konkurrenz
Banken beobachten die wachsende Konkurrenz unter den Kapitalgebern mit Argusaugen und mahnen vor dem hohen Risiko, auf das sich Anleger mitunter einlassen. »Ich stehe dem Thema Crowdfunding sehr skeptisch gegenüber, der Empfänger des Geldes unterliegt keiner objektiven Kontrolle«, erklärt Peter Lennkh, Firmenkundenvorstand der Raiffeisenbank International. »Das Thema wird anders beurteilt werden, wenn einige Crowdfunding-Projekte in Schwierigkeiten kommen und die Menschen ihr Geld nie wiedersehen. Wer an der Entwicklung eines Unternehmens Anteil nehmen will, kann das über strukturierte, rechtlich abgesicherte Instrumente wesentlich besser machen – für jeden Investorenappetit ist etwas zu finden.« Tatsächlich ist das Risiko bei derartigen Investments höher als bei anderen Anlageformen. Jedes Unternehmen kann in die Pleite schlittern. Gerade bei jungen Start-ups ist dies häufig der Fall, so vielversprechend und ambitioniert sie auch erscheinen mögen. Auch die staatliche Förderbank aws verzeichnet trotz eingehender Prüfung der Anträge immer wieder Insolvenzen unter den von ihr geförderten Unternehmen. Im Frühjahr musste der Apple-Händler McWorld/McShark Konkurs anmelden, rund ein Jahr davor hatte sich der aws-Mittelstandsfonds mit 30 % an der Kette beteiligt. Branchenkenner meldeten schon damals Zweifel an, da Apple bekanntlich nur sehr geringe Handelsspannen gewährt und die Umsätze eines derart spezialisierten Händlers lediglich die Personalkosten decken könnten. »Hier wurde blind investiert«, kritisiert Wolfgang Krejcik, Obmann des Elektrohandels. Das Geld wäre bei anderen Unternehmen sinnvoller eingesetzt gewesen.
Riskante Geschäfte
Auch die Arbeiterkammer warnt Kleininvestoren vor unüberlegten Geldanlagen. In einer Studie untersuchten die Konsumentenschützer sechs Crowdfunding-Plattformen in Österreich sowie jeweils vier in Deutschland, der Schweiz und Großbritannien. Einige davon verstehen sich allerdings als reine Spendenportale, andere bieten Mischformen verschiedener Investments an, eine Schweizer Plattform vermittelt Kredite von privat zu privat. Geprüft wurden insbesondere die Modalitäten und Konditionen. Fazit: Es fehlen einheitliche Standards für die Darstellung von Risiko und Kosten sowie Angaben über Rücktrittsrechte, teilweise fallen hohe Transaktions- und Zahlungsverkehrsgebüren an. Die Geschäftsbedingungen, Kontaktdaten der Betreiber und Gewerbeberechtigungen sind nicht immer angeführt. Die Veranlagungsprodukte haben durchwegs hohen Risikocharakter, etwa Aktien oder Genussrechte. Von den drei untersuchten kommerziellen Investing-Plattformen in Österreich – conda.at, 1000x1000.at, greenrockeet.com – verfügt nur conda.at über eine Gewerbeberechtigung der Vermögensberatung. »Das ist verwunderlich, weil die Plattformen zwar darauf hinweisen, keine Anlageberatung durchzuführen, aber trotzdem als Vermittler eines Veranlagungsproduktes auftreten«, heißt es seitens der AK. Hinweise, dass die Anleger im »worst case« ihr Geld zur Gänze verlieren können, seien nicht immer prägnant platziert. Reinhard Willfort, Betreiber der Plattform 1000x1000, weist die Kritik als »kurzsichtig« zurück. Crowdfunder seien »nicht typische Sparbuchsparer, denen es um sichere Anlage geht«, sondern vielmehr Investoren, die »etwas bewegen« möchten. »Crowdfunding ist der Missing Link zwischen KMU und Gründern, die ihre Ideen allein nicht verwirklichen können, und einer neuen Klasse von Investoren, die nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch wertvolles Wissen zur Umsetzung beitragen wollen«, sagt Willfort.
Kommerz statt Idealismus
Während ursprünglich die gemeinsame Umsetzung einer Projektidee im Vordergrund stand und als Anerkennung für das Engagement nur ein Dankeschön oder eine kleine Prämie winkte, hat das kollektive Geldsammeln als »Crowdinvesting« längst eine neue Dimension erreicht. Das Einbringen von Know-how oder Ideen ist nun weniger gefragt, es geht einzig und allein um die finanziellen Mittel. Angesichts mickriger Zinsen bei herkömmlichen Anlageformen sind die in Aussicht gestellten Renditen aber auch für Kleininvestoren verlockend. Schon mit Beträgen ab etwa 1.000 Euro ist man dabei. Zum alternativen Investment mischt sich das beinahe aufrührerische Gefühl, einem aufstrebenden Unternehmen auf die Beine geholfen und den »bösen« Banken eins ausgewischt zu haben. Das Klagenfurter Immobilienunternehmen Riedergarten startet derzeit gemeinsam mit den Crowdfundern von 1000x1000 einen Testballon für Immobilienprojekte. Die 16 Chalets, die im Alm Resort Nassfeld entstehen sollen, sind zwar bereits ausfinanziert. Kommen über die Plattform www.immocrowd.at bis November mindestens 300.000 Euro zusammen, wollen die Betreiber auch bei anderen Projekten auf die alternative Geldbeschaffung zurückgreifen. Mit Franz Klammer konnte ein prominentes Aushängeschild als »erster Investor« gewonnen werden. Für die investierte Summe – 1.000 bis 10.000 Euro – verspricht der Bauträger eine Fixverzinsung von vier Prozent jährlich. Die Laufzeit beträgt mindestens ein Jahr, maximal sieben Jahre, bei halbjährlicher Kündigungsmöglichkeit. Das wirtschaftliche Risiko wird von Riedergarten-Geschäftsführer Herbert Waldner mit Verweis auf die gute Auslastung der bereits bestehenden 14 Appartements als »sehr gering« bezeichnet. »Wir wollen aus der Knebelung der Banken herauskommen«, sagt Waldner. Diesen Wunsch hegen inzwischen viele Betriebe, wie auch Finanzierungsexperte Stefan Brozyna weiß: »Neue Lösungen sind gefragt. Lösungen, die den Gewerbetreibenden und Firmengründern oft nicht bekannt sind und die daher häufig ungenutzt bleiben.« Um eine professionelle Kapitalisierung von KMU sicherzustellen, setzt Brozyna mit seinem Beratungsunternehmen Avantconsult auf ein breites Spektrum an Möglichkeiten, das Crowdlösungen und andere Investormodelle einschließt, aber auch klassische Finanzierungen wie Bankkredite, Förderungen, Factoring oder Leasing in Betracht zieht. »Avantconsult begleitet Unternehmen von der Gründung bis zum Börsegang. Dabei denken wir über vermeintliche Grenzen hinaus, um die optimale Kapitalisierungslösung zu finden.« In Großbritannien hat sich die Idee der Schwarmfinanzierung durch lasche gesetzliche Bestimmungen längst verselbstständigt. Die Plattformen werden nicht nur von Unternehmen genutzt, sondern entwickeln sich zum Marktplatz für rasche Privatdarlehen, auf dem Kredithaie ihr Unwesen treiben.
Urlaub in der Kommune
Was 2006 mit Schilfhütten auf der Fidschi-Insel Vorovoro begann, ist heute ein nachhaltiges Tourismusprojekt, das Urlaub und freiwillige Arbeit verbindet. Für einen geringen Mitgliedsbeitrag wird man Teilhaber des gemeinnützigen Unternehmens Tribewanted, das der Brite Ben Keene zunächst als Online-Community gegründet hatte. Das Ziel: eine florierende Wirtschaftsgemeinschaft, von der Einheimische und Gäste gleichermaßen profitieren. Das Paradies auf den Fidschis wurde 2011 aufgegeben, dafür stehen mit Sierra Leone, Umbrien und Mozambique inzwischen drei andere Standorte zur Wahl. Weitere Projekte in Detroit, Schottland, Panama und Laos sind im Gepräch. Urlauben dürfen auch Nicht-Mitglieder – ob und wie viel sie sich helfend in den Arbeitsalltag einbringen, bleibt allen selbst überlassen. So können die Gäste in Umbrien lernen, wie man Fenchelsalami herstellt, beim Bau eines neuen Schuppens mitarbeiten, Früchte einkochen, Oliven ernten, den Stall ausmisten oder auch einfach nur in der Hängematte dösen. Ab dem dritten Jahr trägt sich das Ökoprojekt selbst, ein Teil der Erlöse wird in kommunale Initiativen investiert. So bekommen beispielsweise in Mozambique 800 Schulkinder täglich eine warme Mahlzeit.
Info: Eine Mitgliedschaft kostet umgerechnet 12 Euro pro Monat. Bei Aufenthalten erhalten Mitglieder 20 % Rabatt, andere Gäste zahlen 10 Euro mehr. Übernachtungen mit Vollpension kosten je nach Zimmer 50-70 Euro pro Person.
www.tribewanted.com