Sonntag, Februar 09, 2025

70 Prozent der Kaufentscheidungen werden nach emotionalen Kriterien getroffen. Wenn sich Wertvorstellungen mit Inhalten treffen, werden x-beliebige Produkte zu »Emotional Brands«.

Produkte und Sortimente werden immer austauschbarer. Die Individualität von Marken geht verloren. Trotz riesiger Marketingbudgets werden von 100.000 beworbenen Marken in einem Haushalt im Durchschnitt nur 400 verwendet. Unter den 30.000 Neueinführungen pro Jahr sind 71 % Innovationsflops.

Welche Marken bei den Konsumentenpunkten, hängt stärker denn je von emotionalen Prozessen ab, die im Unterbewusst sein ablaufen. Lediglich 30 % des Markenerfolges basieren auf rationalen, kurzfristig wirkenden Faktoren wie Preispromotions oder Produktlaunches. 70 % der Kaufentscheidungen werden emotional und wertebasiert getroffen und wirken langfristig. »Dennoch konzentriert sich die Markenführung auf die restlichen 30 %, die entscheidenden Faktoren werden damit vernachlässigt. Die Folge ist: Die Kundenbindung hat dramatisch nachgelassen«, erläuterte Peter Haller, Geschäftsführer der Serviceplan-Gruppe anlässlich der »Markenroadshow 2014«.

Kunden stabilisieren

Bei fast allen Herstellermarken sinkt der Marktanteil. Im Schnitt gehen 30 % der Kunden dauerhaft verloren. Haller spricht von sogenannten »Burnout-Marken, die bereits einen Anteil von 41 % ausmachen – Marken mit überdurchschnittlich hohen Stammkundenabwanderungen, die durch Gelegenheitskäufer kompensiert werden sollen. In der Regel führt die nachlassende Kundenloyalität jedoch innerhalb von zwei Jahren zu Marktanteilsverlusten. »Niemand sagt, ich muss meine Kunden stabilisieren. Darum geht’s aber!«, appellierte der Markenexperte. Das Problem ist hausgemacht. Der Handel steht enorm unter Druck. Ständige Warengruppen- und Rabattaktionen fokussieren die Konsumenten noch stärker auf den Preis. Insgesamt eine bedenkliche Entwicklung, die sich dauerhaft auf das Kaufverhalten auswirkt, meint Wolfgang Twardawa, Division Manager Marketing der GfK: »Nicht nur die Zahl der Aktionen, auch die Höhe des Preisabschlags ist entscheidend. Rabatte von mehr als 30 % gehen unter die Gürtellinie.« Bisherige Stammkäufer werden verärgert und wenden sich nach wiederholten massiven Preispromotions ab. Einige Handelsketten wagen bereits eine Trendumkehr. So bewarb der Diskonter Lidl vor Ostern in ganzseitigen Inseraten seine »Deluxe«-Produkte unter dem Titel »Ostern nach meinem Geschmack« – allerdings völlig ohne Preisangaben. Die Promotionkampagne sollte bewusst ein gehobenes Lebensgefühl vermitteln, nach dem Motto: Zu den Feiertagen gönne ich mir auch einmal Rinderfilet und Räucherlachs, der Preis ist Nebensache.

Enge Bindung

Eine wertebasierte Marke ist der wesentliche Treiber von Kundenbindung und langfristigem Wachstum. Je mehr sich Käufer mit den vermittelten Werten identifizieren, desto enger ist die Bindung. Die repräsentative Untersuchung von 160 Marken in Deutschland ergab, dass erfolgreiche Marken (»Growth Brands«) eine fünfmal höhere Übereinstimmung zwischen Marke, Käufer, Kreation und Media aufweisen als »Burnout Brands«. Um das Potenzial werteorientierter »Life Brands« nachvollziehbar zu machen, identifizierten die Forscher eine »Werte-DNA« der Marken. Die in der Befragung von rund 7600 Konsumenten ermittelten Einzelwerte wurden vier Gruppen – Nachhaltigkeit, Lebensfreude, Geborgenheit und Selbstinszenierung – zugeordnet. Nach einzelnen Branchen differieren diese Werte bzw. Wertegruppen erheblich. Während Süßigkeiten etwa auf Lebensfreude und Geborgenheit positionieren,ist Kosmetik bei Selbstinszenierung und Nachhaltigkeit angesiedelt. Jüngere Konsumenten bis 39 sprechen sehr stark auf Marken an, die die Werte Selbstinszenierung und Nachhaltigkeit transportieren. Menschen ab 60 Jahre präfieren Marken mit den Zuschreibungen Lebensfreude und Nachhaltigkeit. Generell zeigte sich, dass aufstrebende Marken die Werteerwartungen ihrer Kunden weit besser treffen als Marken, die sich bereits am absteigenden Ast befinden. Absolute Bestnoten erreichte die Bacardi-Werbung, die in den Bereichen Lebensfreude und Selbstinszenierung optimal den Erwartungen der Konsumenten entsprach. Eine entscheidende Rolle spielt aber auch die Posionierung der Werbekampagnen.

Breitere Streuung

Und das ist das nächste Problem: Die Mediaplanung erfolgt heute ausschließlich nach quantitativen Kriterien – große Reichweite, viele Kontakte, günstige Preise. Durch die Fokussierung auf die Zielgruppe 20 bis 49 Jahre entwerfen die Agenturen für jedes Unternehmen praktisch den gleichen Mediaplan. »Im Umfeld weniger TV-Sendungen tummeln sich deshalb viel zu viele Marken, zum Beispiel drei Auto-Spots in einem einzigen Werbeblock«, kritisiert Serviceplan-Chef Haller. »Eine Marke neutralisiert die andere. Wir verkaufen uns nicht richtig. Das ist eine Verschleuderung von Ressourcen.« Jedes Medienumfeld hat aber eine ganz spezielle Werteeinschätzung durch die Konsumenten. GfK und Serviceplan untersuchten deshalb anhand von Prototypen, wie die gleiche Zielgruppe im Umfeld verschiedener Sendungen, etwa »Dschungel Camp« und Fußballspiel, erreicht wird. Insgesamt testeten die Experten 30 Umfelder bei 15 TV-Sendern. Dabei zeigten sich erstaunliche Unterschiede. So wurde die Wertegruppe »Nachhaltigkeit« keiner der großen vier TV-Sender ZDF, ARD, RTL und ProSieben zugeordnet. Die Wertegruppe »Lebensfreude« war dagegen bei allen Sendern, besonders aber bei RTL, vertreten Wurden bestimmte Marken in unterschiedlichen Umfeldern eingesetzt – die Biermarke »Heineken« beispielsweise nicht nur vor und nach Fußballübertragungen, sondern auch in anderen Zusammenhängen –, ergaben sich in den neurologischen Tests bei der gleichen Zielgruppe Unterschiede bis zu 54 %. Allein das Sendungsumfeld strahlte eine völlig andere Emotionalität aus, die sich auf die Wahrnehmung der Marke durch die Zuschauer auswirkte.

Printmedien voran

Die Mediaplanung sollte sich aber nicht nur auf das Fernsehen beschränken, denn so Haller: »Die höchste Werbewirkung haben Printmedien.« Die Preise pro 1.000 Käufer, die durch eine Einschaltung erreicht werden, sind zudem deutlich günstiger als im TV. Die These, über Printmedien würde vorwiegend die wenig interessante, weil kaum wechselwillige Zielgruppe 60+ angesprochen, sei längst widerlegt. 70 % der Premiumprodukte werden von dieser Bevölkerungsgruppe gekauft. »Markentreue und Fluktuation sind bei den Jungen genauso groß wie bei älteren Konsumenten«, ortet Marketing-Experte Twardawa eine grundlegende Mentalitätsänderung, wie sie es bisher noch nie gab: »Der Faktor ›Spaß haben‹ ist bei Menschen ab 60 Jahren so ausgeprägt wie noch nie.


Tops & Flops der Markenführung

Top: Red Bull.
Seit der Markteinführung in den frühen 1990er-Jahren mischt der Energy Drink aus Österreich in der Hitliste der erfolgreichsten Getränkemarken ganz vorne mit. Im weltweiten Gesamtranking der 500 wertvollsten Marken belegte Red Bull heuer Platz 203. Abenteuer, Mut und Risiko bilden das emotionale Umfeld – perfekt durch gezieltes Marketing in Extremsportarten in Szene gesetzt. Ein Manko gibt es dennoch: Die Altersgruppe ab 50 Jahre erreicht Red Bull so gut wie gar nicht.

Top: Coca-Cola. Der Getränkehersteller rangiert seit Jahrzehnten in allen Rankings im vorderen Mittelfeld. Was die Konzernleitung aber ärgern dürfte, ist die hohe Floprate neu eingeführter Produktlinien. Trotz aufwendiger Marktforschung und hoher Investitionen in Forschung, Entwicklung und Marketing treffen die auf dem Markt lancierten Softdrink-Innovationen selten den Geschmack der Konsumenten. Die sind wohl doch konservativer, als das junge, flexible Image suggeriert.

Top: Nivea. Die beliebte Hautcreme ist eine Jahrhundertmarke. Wer bereits als Kind damit eingecremt wurde, greift auch später noch gerne zu der markanten blauen Dose mit dem weißen Schriftzug. Allerdings liegen die Sympathiewerte bei der älteren Bevölkerung deutlich über jenen der jungen. Beim Markenmonitor BrandIndex reichte es dennoch für den Gesamtsieg.Flop:

Flop: Camel.
Ehe das Tabakwerbeverbot die hartgesottenen, rauchenden Männer von den TV-Bildschirmen verbannte, suggerierten Camel und Marlboro wie kaum andere Marken den Traum von Freiheit und Abenteuer. Während der Marlboro-Mann noch weiter durch die Prärie ritt, setzte man die Werbefigur Joe Camel in Jeeps und Hubschrauber und versuchte sogar Abstecher in die Humorschiene. Die Kunden fanden das weniger witzig: Wenn schon rauchen, dann richtig. Marlboro liegt nach wie vor stabil bei 25 % Marktanteil,  Camel – einst Nummer zwei auf dem deutschen Markt – kommt seit mehr als zehn Jahren kaum über 2 % hinaus.

Flop: Levi's. In den 1980er-Jahren noch eine Kultmarke, begann der Abstieg des Jeans-Herstellers Levi's mit dem Versuch, in andere Modegenres zu expandieren. Die Stammmarke erlitt einen erheblichen Identitätsverlust. Dazu kam ein Umbruch in der Jugendkultur, der vom Management zu spät erkannt wurde. Neue Strömungen aus der Hip-Hop- und Surfer-Szene mit weiten Schlabberhosen ignorierte man, bis der Name Levi's plötzlich als uncool galt. Die jungen Konsumenten greifen heute lieber zu Hollister, die berühmte »501« tragen nur noch ihre Eltern.

Flop: Segway. Das Produkt ist revolutionär, dennoch will es niemand haben. Anfangs noch als lustige Idee eingestuft, erschöpfte sich die Begeisterung der meisten Testpersonen bereits nach einer Probefahrt. Wie ein Zirkusartist balanciert man auf dem von Erfinder Dean Kamen entwickelten Gefährt, die mangelnde Verkehrssicherheit und der hohe Preis des Elektro-Stehrollers erwiesen sich ebenfalls nicht gerade als förderlich. Statt der anvisierten 10.000 Stück pro Woche wurden innerhalb von fünf Jahren nur 24.000 verkauft. Inzwischen sieht man Segways nur noch selten – bei Fremdenführern oder in Lagerhäusern.

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