Donnerstag, März 28, 2024

770 Millionen Euro sollen schon heuer in die Staatskassen fließen, ab 2015 rechnet die Regierung mit Mehreinnahmen von 1,2 Milliarden Euro.

Neben Rauchern und Autofahrern belastet das neue Steuerpaket vorwiegend die Wirtschaft: Steuerlücken werden geschlossen, die Bankenabgabe erhöht, der Gewinnfreibetrag und die GmbH Light eingeschränkt. Ist das der erhoffte große Wurf oder blieb die Regierung wichtige Reformen schuldig? Report(+)PLUS hat renommierte ExpertInnen um ihre Einschätzung gebeten.

1. Ist das Steuerpaket Ihrer Meinung nach tatsächlich ein »Meilenstein«, wie Bundeskanzler Faymann erklärte?

Christoph Matznetter, Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes: Ja, die Reform des Steuerrechts durch das Abgabenänderungsgesetz ist in der Tat ein Meilenstein, weil es gelungen ist, trotz Notwendigkeiten der Budgetsanierung Maßnahmen zur Bekämpfung der nach wie vor andauernden Wirtschaftskrise zu setzen. Klar ist, dass alle Berufsgruppen einen Beitrag leisten müssen, jedoch tragen durch die Änderung der Gruppenbesteuerung und die Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten bei Offshore-Geschäften Konzerne und eben nicht EPU und KMU den Großteil der steuerlichen Änderungen.

Wolfgang Lusak, Managementberater und Gründer der Initiative »Lobby der Mitte«: Es ist ein Meilenstein in die falsche Richtung, von einer in den Grundsätzen uneinigen Koalition. Sie erhöht die Steuern dort, wo sie geringe Gegenwehr erwartet und spart nur halbherzig. Das ist keine Lösung für wachsende Arbeitslosenzahlen und sinkende Wettbewerbsfähigkeit. Ein Meilenstein wäre es, wenn die Regierung eine substantielle Bildungs- und Verwaltungsreform sowie Steuerentlastung, Lohnnebenkostensenkung, geänderten Arbeitnehmerschutz und Bürokratieabbau für  den Mittelstand umsetzt.

Margit Schratzenstaller-Altzinger, Budget- und Steuerexpertin des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo): Ebenso wie in den ersten beiden Konsolidierungspaketen, die seit 2011 verabschiedet worden sind, machen Steuererhöhungen einen relativ hohen Anteil an den gesamten Konsolidierungsmaßnahmen aus. Die geplanten Einsparungen, vor allem die erforderlichen ausgabenseitigen Reformen zur Realisierung von Effizienzpotenzialen im öffentlichen Sektor, sind dagegen wesentlich weniger konkret und im Regierungsprogramm oft erst als Überschriften vorhanden, etwa die Föderalismus- oder die Förderreform. Die bisher konkretisierten Einsparungen, also die Kürzung von Ermessensausgaben, wird voraussichtlich nicht ausreichen, wenn der angestrebte Budgetpfad eingehalten werden soll. Wenigstens wird aber der Großteil der geplanten Steuererhöhungen keine wesentlichen wachstums- und beschäftigungsdämpfenden Effekte haben und ist auch verteilungspolitisch wenig problematisch.

2. Welche Änderungen hätten Sie sich für die österreichischen Betriebe gewünscht?

Christoph Matznetter: Mehr betriebliche Wertschöpfung durch eine deutliche Reduktion der Steuern und Abgaben auf den Faktor Arbeit! Das würde vielen Unternehmern erhebliche Erleichterungen bringen und sich positiv auf die Beschäftigung auswirken. Notwendig wären außerdem Investitionsbegünstigungen wie die vorzeitige Abschreibung bei gleichzeitiger Gegenfinanzierung durch privates Vermögen (Vermögenssteuer für Millionäre sowie eine Erbschaftssteuer – wie bei der Vermögenssteuer mit einer Million Freibetrag).

Wolfgang Lusak: Senkung des Einkommens-Eingangssteuersatzes – 36 % ist zu hoch.  Keine Grundsteuererhöhung. Befris­tung der Solidarabgabe, GmbH Light  und Gewinnfreibetrag belassen. Gesellschaftssteuer sofort abschaffen. Die AUVA soll zur Senkung der Lohnnebenkosten beitragen. Das AMS sollte den Erhalt von bestehenden guten Mitarbeitern statt die Anstellung von ungeeigneten Arbeitslosen fördern. Die Sozialpartner sollten sich auf eine Verflachung der Lohnkurve für ältere  Mitarbeiter einigen. Am wichtigsten: ein Steuersystem, welches die Eigenkapitalbildung der Betriebe begünstigt!

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Ich sehe zwei steuerpolitische Prioritäten für die österreichischen Betriebe, deren Umsetzung hoffentlich möglichst bald von der geplanten Steuerreform vorbereitet wird. Erstens die Vereinfachung der Abführung von Steuern und Abgaben: Hier wäre ein zielführendes Reformvorhaben die Zusammenführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen in einem integrierten Tarif mit einheitlicher Bemessungsgrundlage. Zweitens die Senkung der Lohnnebenkosten auch für die Betriebe. Mit der geplanten Senkung der Beiträge zum Insolvenz-Entgelt-Fonds und zur Unfallversicherung ist ein erster Schritt gesetzt, aber ebenso wie für die Arbeitnehmer müssen auch auf der Arbeitgeberseite die Sozialversicherungsbeiträge gesenkt werden, vor allem für die GeringverdienerInnen, um hier Anreize für mehr Beschäftigung zu setzen. Freilich ist angesichts der Budgetlage auch eine Gegenfinanzierung sicherzustellen.

3. Insgesamt bringt das Steuerpaket 1,2 Milliarden Euro für das Budget, Unternehmer sind stärker betroffen als bisher. Ist das gerecht?

Christoph Matznetter: Das ist nicht richtig. Die meisten Maßnahmen sind schlicht und einfach das Schließen von bisherigen Steuerlücken. Die Einschränkung bei der Gruppenbesteuerung trifft Unternehmer – also EPU und KMU – überhaupt nicht. Auch die Einschränkung bei der Verrechnung von Zinsen- und Lizenzgebühren aus »Steuerparadiesen« wie den Cayman Islands tangiert Unternehmerinnen und Unternehmer in keiner Weise. Das Schließen dieser Steuerlücken für große Konzerne war eine Notwendigkeit.

Wolfgang Lusak: Es ist ungerecht und gefährlich, weil die Ursachen für Fehlentwicklungen verstärkt statt beseitigt werden. Wichtig wäre es, die Benachteiligung der KMU gegenüber Gewinne verschiebenden, Lohndumping betreibenden, nicht nachhaltig agierenden Konzernen zu beenden. Wenn die durchschnittliche Umsatz-Rentabilität der meisten KMU bei ca. 3 % liegt, wo soll dann Geld für Investitionen herkommen, die uns Arbeitsplätze bescheren? Der Mittelstand gehört entfesselt, nicht die Multis und Globalbanken!

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Der Beitrag der Unternehmen zu den ers­ten beiden Konsolidierungspaketen war tatsächlich moderat. Dieses Mal ist er höher, was aus Sicht einer ausgewogenen Belastungsverteilung vertretbar ist. Allerdings kommt es natürlich auch auf die Struktur der Steuererhöhungen an. Einige Maßnahmen zielen auf die Einschränkung von Missbrauchsmöglichkeiten und Steuerbetrug ab, das ist jedenfalls begrüßenswert. Andere Maßnahmen haben über das Ziel hinausgeschossen – Stichwort GmbH Light – und ihre Abmilderung ist sicherlich sinnvoll. Insgesamt sind die Maßnahmen im Unternehmensbereich im Großen und Ganzen vertretbar und werden den Unternehmensstandort nicht wesentlich beeinträchtigen. Das eigentliche »Standortproblem« besteht allerdings im ständigen Stop-and-Go der vergangenen Jahre mit der Einführung von Steuerbegünstigungen und der anschließenden Einschränkung oder Rücknahme, wenn es im Budget wieder eng wird.

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