Freitag, April 19, 2024

Viele Menschen stoßen beruflich und privat immer wieder an dieselben mentalen Barrieren. Sie trauen sich zum Beispiel nicht, Freunden klar zu sagen, was sie (nicht) wollen. Oder sie scheuen sich, Kollegen um Hilfe zu bitten. Das schmälert ihr Lebensglück und ihren beruflichen Erfolg.

Von Andreas Lutz

Berufsalltag: Schon zigmal nahmen wir uns vor, unseren Chef bei der nächsten Gelegenheit auf die längst fällige Gehaltserhöhung anzusprechen. Doch stets verlassen wir sein Büro zwar mit mehr Arbeit, aber nicht mit mehr Geld. Lebensalltag: Schon 100 Mal schworen wir uns: Beim nächsten Treffen sage ich meiner »Angebeteten«, dass ich sie mag. Doch stets palavern wir über Gott und die Welt – so als seien wir nur gute Kumpels. Unsere wahren Gefühle offenbaren wir jedoch nicht.

Falsch programmiert?

Solche Situationen kennt jeder Mensch; Situationen, in denen wir uns anders verhalten, als wir es eigentlich möchten – sei es beruflich oder privat. Denn irgendetwas hindert uns daran. Das ist kein Grund zur Panik – solange wir nur ab und zu an solche (mentalen) Barrieren stoßen. Denn jeder Mensch hat „Ups“ und „Downs“.

Bedenklich wird es laut Aussagen der Wiener Managementberaterin Sabine Prohaska erst, wenn wir immer wieder an dieselben Barrieren stoßen. »Denn dann zeigen wir in der Regel ein Ausweichverhalten. Wir reden uns etwa ein, dass der Chef ohnehin kein Ohr für uns hat oder die Freundschaft zerbricht, wenn man der Angebeteten die echten Gefühle offenbart.«

Ein Grund, warum viele Menschen stets an dieselben mentalen Barrieren stoßen, ist laut Führungskräftetrainer Reiner Voss, Hamburg, dass unser Verhalten weitgehend durch mentale Programme bestimmt wird, die unbewusst in uns ablaufen. »Solche Programme haben wir zuhauf verinnerlicht. Und das ist gut so! Denn sie ermöglichen es uns beispielsweise, viele Alltagaufgaben schnell und (fast) nebenbei zu
erledigen – ohne darüber nachzudenken. So zum Beispiel das Zähneputzen, das Autofahren, die Ablage von Dokumenten, das Bedienen des PCs«, erklärt Voss.

Übung allein macht keinen Meister

Viele Menschen leiten daraus ab: Wenn man lange und viel übt, beherrscht man die Dinge wie im Schlaf. Deshalb werden Seminare besucht, nur um dann frustriert festzustellen, dass das Gelernte in der realen Situation nur schwer anzuwenden ist. Im Trainerjargon heißt dies: Den Teilnehmern gelingt der Transfer in den Alltag nicht. Eine Ursache für den mangelnden Transfer ist, dass in den Trainings oft nicht die mentalen Barrieren bearbeitet werden, an die die Teilnehmer im Alltag stoßen. Also bereiten ihnen stets dieselben Herausforderungen Probleme, wie etwa auf fremde Menschen aktiv zugehen, Kritik annehmen, Lob aussprechen, Gefühle zeigen, die eigenen Interessen klar artikulieren und vertreten, andere Menschen nach ihren Bedürfnissen fragen oder Kollegen um Hilfe bitten.

Das sind nur einige von vielen möglichen Herausforderungen oder Situationen, in denen Menschen immer wieder an scheinbar unüberwindbare mentale Barrieren stoßen, denn dann läuft in ihnen stets derselbe »innere Film« beziehungsweise dasselbe mentale Programm ab. Solange dieser Mechanismus nicht durchbrochen wird, nutzt das intensivste Training wenig.

Das Überwinden der mentalen Barrieren setzt voraus, dass wir die Programme kennen, die in unserem Kopf ablaufen. Vereinfacht lassen sich die zahllosen Programme nach Aussagen des Verhaltens- und Verkaufstrainers Ingo Vogel, Esslingen, in zwei Gruppen einteilen: in Ur-Programme und mentale Muster.

Alte Programme in neuer Welt

Die Ur-Programme laufen in uns allen ab. Sie sind das Ergebnis unserer Evolution. Sie entwickelten sich aufgrund der Notwendigkeit unserer Vorfahren, trotz Bedrohung unter anderem durch Kälte, Hunger und Raubtiere zu überleben. Diese Programme aktivieren sich selbstständig, wenn wir bestimmte Umweltreize wahrnehmen. Typische Ur-Programme sind das Flucht- oder Angriffsprogramm.

Symptome dieser Ur-Programme nehmen wir laut Vogel immer wieder wahr – zum Beispiel, wenn wir vor Wut zittern oder vor Aufregung feuchte Hände bekommen. Meist empfinden wir diese Reaktionen als störend. Denn anders als bei unseren Vorfahren sind sie heute in unserer »gezähmten«Umwelt nur noch selten für uns nützlich. Oft mindern sie sogar unsere Lebensqualität. Ein klassisches Beispiel hierfür sind Prüfungsängste, bei denen der Verstand geradezu auszusetzen scheint, weil ein Fluchtprogramm die Kontrolle über unser Verhalten übernommen hat.

Die Ur-Programme sind bei allen Menschen gleich. Trotzdem reagiert jeder Mensch auf die gleiche Situation verschieden. Während der eine angesichts seiner Angebeteten »weiche Knie« bekommt, sprüht ein anderer geradezu vor Fantasie und Wortwitz. Dieses unterschiedliche Verhalten resultiert daraus, dass Menschen dieselbe Situation verschieden wahrnehmen.

Für diese unterschiedliche Bewertung sorgen die »mentalen Muster«. Sie sind die Filter, durch die wir unsere Umwelt wahrnehmen. Sie bestehen unter anderem aus Glaubenssätzen, die wir im Laufe unseres Lebens verinnerlicht haben. Dazu zählen laut Sabine Prohaska etwa das Gefühl, immer Opfer zu sein, die Überzeugung, nicht begehrenswert zu sein, aber – positiv – auch das Wissen, jede Situation irgendwie meistern zu können. Diese Sätze sind weder beweisbar noch widerlegbar, weshalb sie »Glaubens«-Sätze heißen. Trotzdem gestalten sie unsere Realität. Denn sie beeinflussen unsere Wahrnehmung und bestimmen unsere Reaktion auf Umweltreize.

Reiner Voss erläutert dies an einem Beispiel. »Eine Führungskraft, die den Glaubenssatz ›Ablehnung ist etwas Schlimmes‹ verinnerlicht hat, wird Probleme bekom-men, Mitarbeiter wegen mangelnder Leistung zu kritisieren. Vermutlich wird die Aufgabe als Bedrohung erlebt, weshalb Ausflüchte gesucht werden, um die Aufgaben nicht wahrnehmen zu müssen. Oder die Kritik wird in so viel Watte gepackt, dass die Botschaft beim Mitarbeiter nicht ankommt. Der Glaubenssatz wirkt sich also destruktiv auf die Arbeit der Führungskraft aus.«

Schlüssel zum Inneren: Emotionen

Es gibt zahllose Glaubenssätze – in unzähligen Varianten. Sie stehen in einem engen Zusammenhang mit unserer Lebensgeschichte. Einige wirken konstruktiv, andere destruktiv. Welche Glaubenssätze in uns wirken, müssen wir selbst ermitteln. Der Schlüssel hierzu liegt in unseren Emotionen. Denn allen Emotionen liegen Glaubenssätze zugrunde, betont Ingo Vogel. Über sie können wir unsere unbewusst vorhandenen Glaubenssätze ins Bewusstsein heben, so dass wir sie bearbeiten können. Doch Vorsicht: Ein und dieselbe Emotion kann mit ganz verschiedenen Glaubenssätzen verknüpft sein.

Indem wir unsere Emotionen registrieren und analysieren, können wir unsere Glaubenssätze ermitteln. Wir können aumüsse zunächst zu einem destruktiven Satz ein konstruktives Gegenstück formulieren. »Man kann zum Beispiel den destruktiven Glaubenssatz ›Ich muss perfekt sein‹ durch den Satz ›Es ist nicht schlimm, wenn ich Fehler mache‹ ersetzen.« Hierbei muss jeder für sich die passenden Worte finden. Wichtig ist laut Ingo Vogel aber, den neuen konstruktiven Glaubenssatz positiv zu formulieren. Also nicht zum Beispiel den Satz »Ich muss perfekt sein« durch den Satz »Ich muss nicht perfekt sein« ersetzen. Denn unser Unterbewusstsein reagiert auf Verneinungen nicht.

Haben wir so unsere destruktiven Glaubenssätze in konstruktive umgewandelt, müssen wir sie verinnerlichen. Das gelingt uns zum Beispiel, indem wir sie aufschreiben und dafür sorgen, dass wir immer wieder an sie erinnert werden. Denn das Verankern von neuen Glaubenssätzen dauert seine Zeit. Vogel empfiehlt: »Schreiben Sie Ihre konstruktiven Glaubenssätze zum Beispiel auf Notizzettel und kleben Sie diese in Ihr Auto, an Ihren Badezimmerspiegel oder Ihren PC-Monitor im Büro. Dann spüren Sie nach einiger Zeit, wie Sie die Sätze allmählich verinnerlichen und sich Ihr Verhalten ändert.«

Zum Autor:
Andreas Lutz arbeitet unter anderem als Journalist für die PRofilBerater GmbH, Darmstadt (www.die-profilberater.de). Er ist auf Weiterbildungs- und Persönlichkeitsentwicklungsthemen spezialisiert.

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