Samstag, Dezember 14, 2024

Im Interview mit Report(+)PLUS spricht Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner über die Hintergründe des von der Regierung geschnürten Bau-Konjunkturpakets, erklärt, wie heimische Unternehmen 420.000 neue Arbeitsplätze schaffen können und klärt die innerparteilichen Differenzen in Sachen Standortqualität auf.

(+) plus: Unter dem Eindruck der Alpine-Pleite hat die Bundesregierung ein Bau-Konjunkturpaket geschnürt, das von einigen Kritikern als Wahlzuckerl ohne nachhaltige Wirkung gesehen wird. Wo sehen Sie in den geplanten Maßnahmen nachhaltig positive Effekte für die österreichische Wirtschaft?

Reinhold Mitterlehner: Damit haben wir einen Dominoeffekt nach der Alpine-Insolvenz verhindert und frische Impulse für die Konjunktur geschaffen, ohne neue Schulden zu machen. Wir ziehen Investitionen der Bundesimmobiliengesellschaft vor, stellen gesunden Unternehmen Garantien zur Verfügung, beschleunigen den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze und verlängern den Konjunkturbonus der thermischen Sanierung. Davon profitieren die gesamte Bauwirtschaft und ihre Nebengewerbe bis hin zum Handwerksbetrieb. Besonders erfreulich ist, dass es uns gemeinsam mit dem AMS und der Baugewerkschaft gelungen ist, einen Großteil der früheren Alpine-Beschäftigten an andere Firmen zu vermitteln.
 
(+) plus: Welche Lehren kann und muss man aus der Pleite der Alpine ziehen?

Mitterlehner:
Dass eine zu rasche und zu wenig abgesicherte Expansion in Verbindung mit Managementfehlern und einer schwachen Konjunktur fatale Folgen haben kann.
 
(+) plus: Die ÖVP will bis 2018  420.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Wie soll das konkret gelingen?

Mitterlehner: Es sind die Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen, und die Politik muss dafür die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Daher wollen wir unternehmerische Hürden abbauen und Investitionen in neue Ideen erleichtern, um mehr Wachstum zu schaffen und den Mittelstand zu stärken. Anstatt die Wettbewerbsfähigkeit der Wachstums- und Exportmotoren Österreichs­ mit neuen Steuern zu belasten, wie es die SPÖ will, müssen wir die Staatsquote und den Verwaltungsaufwand senken und die unternehmerische Freiheit weiter erhöhen. Daher wollen wir zum Beispiel die Finanzierungen von KMU erleichtern, ihre Investitionen stärker unterstützen und die öffentliche Beschaffung KMU-freundlicher gestalten. Gleichzeitig brauchen wir auch flexiblere Arbeitszeiten, die sowohl den Betrieben als auch den Beschäftigten Vorteile bringen. Eines unserer Modelle ist das Zeitwertkonto, das für beide Seiten die Möglichkeit schafft, Abläufe besser zu koordinieren und Auftragsspitzen abzudecken. Unser Motto dabei ist: Arbeiten dann, wenn Arbeit anfällt, ohne die Gesamtarbeitszeit zu erhöhen. Auch die Überstundenzuschläge bleiben erhalten.
 
(+) plus: Die SPÖ in Person von Andreas Schieder entdeckt EPU und Kleinstunternehmen für sich und will sich mit einer Streichung des Selbstbehalts bei der Krankenversicherung und einer deutlichen Reduzierung der Wartefrist beim Krankengeld als deren »Agentin« positionieren. Was kann die ÖVP dem entgegensetzen?

Mitterlehner:
Das ist nur vom Wahltag motiviert. Ansonsten wird auf allen Ebenen Stimmung gegen Unternehmen und Eigenverantwortung gemacht, anstatt zu Arbeit und Leistung zu ermutigen. Die von der SPÖ geplanten Steuern und Belastungen würden gerade die Selbstständigen besonders treffen. Auch für Gründer heißt das: Sobald der Motor ein wenig läuft, wird abkassiert. Wer hingegen gute Rahmenbedingungen für Selbstständige, mehr Freiheit und weniger Steuern will, muss am 29. September ÖVP wählen. Es geht um eine Richtungsentscheidung.
 
(+) plus: Über die Standortqualitäten Österreichs gab es jüngst innerhalb der ÖVP unterschiedliche Ansichten. Wie kann es passieren, dass sich kurz vor der Wahl zwei Minis­ter aus einer Partei so widersprechen?

Mitterlehner:
Wir haben uns nicht widersprochen, weil Ansiedlungen und Absiedlungen zwei Seiten einer Medaille sind. Es kommen laufend Unternehmen nach Österreich, und es gehen auch wieder welche weg. Insgesamt ist der Saldo positiv. Derzeit ist der Standort Österreich zwar gut aufgestellt, hat aber noch viel Potenzial und Luft nach oben. Wir sind uns auch völlig einig, dass die Steuerbelastung zu hoch ist und gesenkt werden sollte. Wer hingegen wie die SPÖ neue Steuern fordert und aus ideologischen Gründen ein unternehmerfeindliches Klima erzeugt, schadet dem Wirtschaftsstandort. Denn wir haben schon jetzt eine zu hohe Steuer- und Abgabenquote, die gesenkt werden muss. Nur so können wir unsere Stärken im Standortwettbewerb auch in Zukunft ausspielen.
 
(+) plus: Wie ist es denn nun um die Standortqualitäten bestellt? Wo ist Österreich­ gut aufgestellt, wo gibt es Nachholbedarf?

Mitterlehner: Internationale Unternehmen, die sich bei uns ansiedeln, schätzen die Drehscheibenfunktion in Richtung Zentral- und Osteuropa, unsere qualifizierten Fachkräfte und die hohe Stabilität und Rechtssicherheit. Auch deswegen sendet der permanente Ruf der SPÖ nach neuen Belastungen die völlig falschen Signale an internationale Investoren aus. Im härter werdenden Standortwettbewerb können wir uns das nicht leis­ten. Vielmehr brauchen wir eine neue Gründerwelle und mehr Dynamik in der Wirtschaft. Daher wollen wir mehr Startkapital für Jungunternehmer bereitstellen, die Forschungsmittel weiter aufstocken und Investitionen in neue Ideen erleichtern. Österreich soll langfristig in die Liga der europäischen Innovationsführer aufsteigen.
 
(+) plus: Sie treten vehement für eine Senkung der Lohnnebenkosten ein. Die politischen Mitbewerber vermissen allerdings ein Finanzierungskonzept. Zusätzliche Steuereinnahmen wie durch eine  Vermögens- steuer werden von der ÖVP kategorisch abgelehnt. Wo also soll das Geld herkommen?

Mitterlehner:
Wir befinden uns im fünften Jahr der Krise und müssen uns daher den Spielraum für jede finanzielle Erleichterung hart erarbeiten. Das beste Rezept dafür ist, das Wachstum der Wirtschaft auf allen Ebenen zu unterstützen und mehr Beschäftigung in Österreich zu schaffen. Darauf konzentrieren wir uns.
 
(+) plus: Welchen Schaden würde eine so genannte »Millionärssteuer« aus Ihrer Sicht tatsächlich anrichten? 

Mitterlehner: Die SPÖ spricht von Millionären, meint aber in Wahrheit den Mittelstand und will schon bei den Häuslbauern ansetzen, um ihre teuren Wahlversprechen zu finanzieren. Neue Vermögens- bzw. Eigentumssteuern würden jedenfalls vor allem die heimischen Betriebe unabhängig von Gewinn oder Verlust direkt in der Substanz treffen. Zwei Drittel der diskutierten Steuern müssten laut einer Studie der KMU Forschung Austria die Betriebe bezahlen. Demnach könnte zum Beispiel ein mittelständisches Ingenieurbüro mit einer Mehrbelas­tung von bis 5.600 Euro pro Jahr konfrontiert sein, bei einem mittelständischen Maschinenbaubetrieb wären es bis zu 13.300 Euro zusätzlich. Im Gegensatz dazu will die ÖVP neue Steuern verhindern, weil sie den Standort und damit Arbeitsplätze gefährden.
 
(+) plus: Was werden die Hauptaufgaben der künftigen Regierung sein? 

Mitterlehner:
Jetzt ist einmal der Wähler am Wort und wir müssen das Ergebnis abwarten. Zu den Zielen für ein neues Regierungsprogramm zählen Themen wie eine Steuerreform, mit einer echten Entlastung, sobald wir sie uns leisten können, niedrigere Lohnnebenkosten und flexiblere Arbeitszeiten, die eine Win-win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer schaffen. Und für die Familien müssen wir die im Ministerrat beschlossene Reform der Familienbeihilfe mit höheren und transparenteren Leistungen in die Praxis umsetzen. Auch den Ausbau der Betreuungsplätze in Kindergärten und Kinderkrippen wollen wir beschleunigen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibt ein Schlüsselthema.

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