Donnerstag, April 25, 2024

Flexible Arbeitsmodelle waren lange Zeit ein reines Anliegen der Arbeitgeber, etwa um auf Produktionsschwankungen besser reagieren zu können. Heute sind es vor allem Arbeitnehmer, die eine bessere Balance von Privat- und Berufsleben einfordern. Mobile Technologien ermöglichen Arbeit unabhängig von Zeit und Ort. Welche Herausforderungen bringen veränderte Arbeitsformen für die Organisationsstruktur und die Unternehmenskultur mit sich? Report(+)PLUS  hat bei Personalchefs nachgefragt.

 
1. Sind Unternehmen, die ihren Mitarbeitern mehr Spielraum lassen, attraktivere
Arbeitgeber?


Sandra Micko, Leiterin Human Resources bei Microsoft Österreich

Unternehmen, die auf Eigenverantwortung setzen und genügend Spielraum im »Wie Ziele erreicht werden« geben, sprechen MitarbeiterInnen an, die als »Entrepreneur« handeln. Für diese Menschen sind wir bestimmt ein sehr attraktiver Arbeitgeber.

Sabine Mlnarsky-Bständig, Leiterin Personalmanagement der Erste Bank Österreich

Ja. Unsere Arbeit bzw. unser Geschäft findet längst nicht mehr nur im Büro oder zu definierten Kernarbeitszeiten statt, die Aufgaben werden vielfältiger und kurzlebiger und die temporäre Projektarbeit nimmt zu. Darüber hinaus verlangen u.a. MitarbeiterInnen der Generationen Y und Z nach mehr Flexibilisierung. Die Trennung zwischen Berufs- und Privatleben verschwimmt zusehends. Die zunehmende Individualisierung wird auch als Trend in der Arbeitswelt wahrgenommen: MitarbeiterInnen werden sich in Zukunft stärker darüber definieren, WAS, WO und vor allem WIE sie arbeiten können. Wir bieten deshalb unterschiedlichste Möglichkeiten einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung an – von Vertrauensarbeitszeit, verschiedenen Teilzeitvarianten und Homeoffice, Mobile Working, Desk Sharing, Sabbaticals, bis hin zu »Papa-Monat«, Väterkarenz und attraktiven Altersteilzeitmodellen.

Eva Weigl, HR Generalist GlaxoSmithKline Pharma GmbH

Eindeutig ja. In Gesprächen mit BewerberInnen hören wir oft die Frage, wie viel Gestaltungsraum sie haben. Wir bei GSK haben die Erfahrung gemacht, dass MitarbeiterInnen kooperativer und leistungsbereiter sind, wenn sie sich ermächtigt fühlen, selber die Umstände zu bestimmen. Das selbstständige Agieren bewirkt auch mehr Mut zum Unkonventionellen. Es gibt dazu aber auch einen ganz nüchternen Aspekt: Enge Führung braucht sehr viel Zeit. So viel Zeit haben wir aber nicht. Und – in Analogie zur Werbung der Stadt Wien – 158 Gehirne denken mehr als zwölf.


2. Leiden die Interaktion und Produktivität, wenn vermehrt von zu Hause 
gearbeitet wird?

Sandra Micko

Homeoffice ist eine sehr gute Ergänzung zu einer guten Arbeitsatmosphäre im Büro. Es ist eine Möglichkeit, z.B. konzentriert an Themen arbeiten zu können oder Wegzeiten zu reduzieren, wenn es sinnvoll in einen Arbeitstag passt. Aber auch in unserem Büro gibt es viele Möglichkeiten, um sich zurückzuziehen und hochkonzentriert zu arbeiten. Sowohl unsere Mitarbeiter als auch unsere Manager haben in der letzten »New World of Work«-Umfrage die »Effizienz im Home­office« sehr hoch bewertet. Ein ausschließliches Arbeiten von zu Hause würde die persönliche Interaktion/Kommunikation stark reduzieren. Das forcieren wir mit unserem NWOW-Konzept nicht.

Sabine Mlnarsky-Bständig

Je flexibler gearbeitet wird, desto wichtiger wird eine passende Meeting- und Entscheidungsstruktur, umso konzentrierter und disziplinierter müssen die wenigen Face-to-Face-Kommunikationen vorbereitet und genützt werden und umso wichtiger wird Führung. Generell gesagt leidet die Produktivität nicht, wenn von zu Hause aus gearbeitet wird. Die Produktivität hängt stark von der Art der zu erfüllenden Aufgabe ab: Konzepte und Präsentationen erstellen, konzentriertes Arbeiten, etc. – hier kann das Arbeiten von zu Hause aus ein großer Vorteil sein. Voraussetzung ist eine adäquate Arbeitsumgebung zu Hause. Die Produktivität steigt jedenfalls bei Entfall von aufwendiger Anreise zu Terminen/Arbeitsorten bei Stoßzeiten.

Eva Weigl

Wir bemerken bei den Projekten keine Qualitätseinbußen. Es ist gleich, ob man von zu Hause oder vom Büro aus arbeitet. Viele unserer MitarbeiterInnen erledigen von zu Hause aus jene Arbeiten, für die sie Ruhe und Konzentration brauchen. Die Interaktion ist eine andere Sache: Sie hängt sehr stark von der technischen Ausstattung und der Art der Arbeit ab. Technisch sind wir mit iPads, iPhones, Laptops und diversen Android-Phones ausgestattet, sodass eine direkte, rasche, unkomplizierte Kommunikation sehr leicht möglich ist. Bei jeglicher moderner Interaktion muss man jetzt praktikable Lösungen bieten, die sicher und günstig und leicht zugänglich sind.


3.  Welche Rahmenbedingungen sind
notwendig, um flexibles Arbeiten optimal zu gestalten?


Sandra Micko


Flexibles Arbeiten erfordert Vertrauen wie auch klare Zielvereinbarungen zwischen Mitarbeiter und Manager. Eine wichtige Rahmenbedingung ist auch, dass  Mitarbeiter die mit flexiblem Arbeiten verbundene gestiegene Eigenverantwortung schätzen und mit dieser auch umgehen können. Und natürlich erfordert flexibles Arbeiten auch die bestmögliche Unterstützung durch entsprechende Technologien, wie beispielsweise durch Lync oder Yammer.

Sabine Mlnarsky-Bständig

Die Implementierung einer neuen Arbeitswelt ist am wenigsten die Veränderung von Schreibtisch, Sessel und Kästen. Allen voran bedarf es des Commitments des Unternehmens, die Flexibilität der MitarbeiterInnen in räumlicher, zeitlicher als auch technologischer Hinsicht zu fördern und zu unterstützen – ebenso wie das Bekenntnis zu Innovation und Einsatz neuer Technologien. Für eine erfolgreiche Implementierung neuer, flexiblerer Arbeitskonzepte ist eine echte Veränderung der Arbeits- und Führungskultur notwendig. Eine Richtlinie für Home-Working, die passenden Werkzeuge oder eine neue Büroumgebung sind zwar wichtig, noch wichtiger sind allerdings eine flexibilitätsfördernde Kultur, der zielgerichtete Umgang mit den neuen Aufgaben und Angeboten sowie gemeinsame Spielregeln für deren Anwendung.

Eva Weigl

Wir hören von unseren MitarbeiterInnen den ständigen Wunsch, die Bürokratie zu vermindern. Wir arbeiten also daran, Formulare und Bestätigungen im Vorfeld abzuschaffen. Wir haben vor sechs Jahren Self Service für einige Bereiche etabliert. Die technische Ausrüstung ist auch sehr wichtig. Das ist jedoch ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor. Software und Hardware verändern sich sehr schnell, begleitend dazu muss man Schulungen und Equipment anbieten. Die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Arbeitszeit und zum Datenschutz sind ein zusätzliches Thema, ebenso wie lebenslanges Lernen.

 

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