Das heimische Start-up Clever Contour GmbH werkt an einer neuen Kunststoffbiegemaschine, um die maschinelle Produktion von Einzelteilen völlig auf den Kopf zu stellen – und an den Körper anzupassen.
Sie müssen kein „Trekkie“ sein, um mit Beamen, Photonenkanonen und Holodecks vertraut zu sein. Science-Fiction ist heute im Mainstream angekommen und nimmt technische Entwicklungen vorweg, die Jahrzehnte später Einzug in unserenAlltag finden. Wenn auch Forscher wie Anton Zeilinger gerade erste Körper in Quantengröße trickreich magisch verschränken – zum gängigen Transportmittel wird es das Beamen aus physikalischen Gründen wohl nicht schaffen. Eine Gruppe um den Managementberater und Erfinder Rudolf Stonawski werkt derweil am individuell maschinellen Replizieren von Gebrauchsgegenständen. Ihr erster „Replikator“ ist gerade in Entwicklung. Unterstützung erhalten sie bereits von der Montanuniversität Leoben, dem Forschungsunternehmen Vrvis, der TU Wien und der Firma Schmidl Orthopädietechnik. Das Zentrum für angewandte Technologie Leoben (ZAT) und die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG beteiligen sich an der Finanzierung. „Wir liefern ein komplett neues Verfahren einer vergleichsweise einfachen Herstellung komplexer Formen in Einzelstückzahlen“, umreißt Stonawski die Idee. Gemeinsam mit dem Maschinenbauer Franz Steiner vom TU-Institut Fertigungstechnik, und Georg Wessely, der im Sportministerium für Behindertensport zuständig ist, werkt der Wiener an einer durchgängigen Lösung für die Fertigung angepasster Sitz- und Rückenflächen für Autos, Büromöbel und Rollstühle. Für die Medizin liefert „Clever Cast“ wiederum passgenaue Orthesen, die, anders als ein herkömmlicher Gips oder Hartschalenstützen, den Heilungsprozess verbessern. Sie sind weit bequemer in der Anwendung und stören nicht beim Duschen oder der Wundversorgung.
Die Österreicher setzen dazu am Markt gängige Technologien genial zu einem neuen Produktionsprozess zusammen. Benötigt werden lediglich ein handelsüblicher Bild-Handscanner, eine Software für die Errechnung und Modellierung des Werkstückes sowie eine Maschine zur Herstellung der Komponenten. Mittels Kamera und Computerprogramm wird ein 3D-Modell der benötigten Teile errechnet, die im CNC-Verfahren dann geformt und zusammengesetzt werden. In der Industrie sind solche Verfahren auch unter dem Begriff „Rapid Prototyping“ bekannt. Etwas Raketentechnologie kommt aber spätestens beim Design des Prototyping-Roboters ins Spiel. Dessen Bau verschlingt auch den Löwenanteil der Projektkosten. Stonawksi bastelt mit seinem Team derzeit an der weltweit ersten Kunststoffbiegemaschine, welche die bearbeiteten Versatzstücke erhitzen und in jede denkbare Richtung manipulieren kann – auch in der sogenannten Torsion, einer Verdrehung der bearbeiteten Kunststoffstränge entlang ihrer Längsachse. Die so geformten Stücke werden anschließend mit Distanzteilen zum fertigen Produkt maschinell zusammengesetzt.
Anfangs will man das Verfahren nicht nur Krankenhäusern oder Orthesespezialisten anbieten, sondern unter dem Markennamen „i-Contour“ auch Sportartikelketten und anderen Gewerbebetrieben. Den Konsumenten können damit beispielsweise auf den Millimeter passgenaue Protektoren angeboten werden. Der Einsatzpalette sind kaum Grenzen gesetzt: Schienbeinschoner für Fußballer, Schulterprotektoren für Motorradfahrer, Komponenten für Pferdesattel, aber auch bislang unerreicht genaue Anpassungsmöglichkeiten für Rollstuhlfahrer. i-Contour-Investor Georg Wessely sitzt selbst im Rollstuhl und steuerte seine persönliche Erfahrung mit Sitzschalen bei. Prompt entwickelte das Team einen anatomisch angepassten Rollstuhlsitz, der sich dank des patentierten flexiblen Zusammenspiels der Stränge mit den Distanzstücken sogar zusammenklappen lässt – ebenfalls eine Weltneuheit.
Im Zuge nächster Schritte in der Materialforschung und technischen Entwicklung erwarten die Erfinder in wenigen Jahren eine wachsenden Bandbreite an Werkstoffen, die so automatisiert geformt und verknüpft werden können. Die Österreicher sind Pioniere einer vielversprechenden Zukunft, in der vielleicht bald Betriebe und Haushalte Gegenstände auf Knopfdruck selbst vor Ort produzieren können. In wenigen Jahren könnte dazu ein regelrechter Markt mit Blueprints entstehen, in dem die besten Vorlagen gehandelt werden. „Mit unserer neuartigen, maschinellen Fertigungstechnik werden wir mit individuell hergestellten Produkten einige Märkte revolutionieren“, sind die Erfinder überzeugt. Sie haben sich eines vorgenommen: bei „Science“ sich nicht mit „Fiction“ zufrieden zu geben.
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