Donnerstag, April 18, 2024

Mit einer Idee allein ist es nicht getan. Um jungen Unternehmen auf die Beine zu helfen, braucht es Geld und Know-how – beides liefern Gründerplattformen, Innovationsbörsen und Business Angels.

 

Der Rechtsstreit zwischen Heini Staudinger und Finanzmarktaufsicht (FMA) hat neben einer Sympathiewelle für den Waldviertler Schuhunternehmer ein grundsätzliches Problem aufstrebender junger Unternehmen aufgezeigt: Bankkredite sind wegen der erforderlichen Besicherungen für sie meist unerreichbar, alternative Finanzformen bewegen sich aber in einer rechtlichen Grauzone. »Die Entwicklungen der letzten Monate rund um das Thema Crowd­funding haben vor Augen geführt, wie groß die Notwendigkeit für klare rechtliche Regeln ist«, sagt Markus Roth, Bundesvorsitzender der Jungen Wirtschaft.

Crowdfunding boomt derzeit in den USA und wird von kreativen Unternehmern wie auch Künstlern genützt, um einzelne Projekte zu finanzieren. Über eine Plattform können sich Interessierte mit beliebigen Beträgen an der Umsetzung beteiligen. Kickstarter, eines der bekanntesten Internetportale mit Sitz in New York, sorgte im Frühjahr 2012 für großes Aufsehen, als gleich mehrere Projekte – u.a. der Nachdruck eines Comicbuches sowie die Entwicklung eines Computerspiels – in kurzer Zeit mehr als eine Million US-Dollar anzogen und die gewünschte Finanzierungssumme um ein Vielfaches überschritten.

>> Engel mit Geld <<

Österreichische Jungunternehmer müssen sich nach anderen Geldquellen umschauen. Für technologielastige Projekte sei Crowdfunding ohnehin kein geeigneter Weg, meint Bernd Litzka, Leiter der Gründerbörse i2 des austria wirtschaftsservice (aws). »Das sind keine banalen Dinge. Die kann ich der Crowd nicht kommunizieren.« i2 fungiert als Vermittlungsplattform zwischen Start-ups und privaten Investoren. Allerdings sind nur etwa 10 % der rund 600 Projekte, die jährlich an die aws-Börse herangetragen werden, tatsächlich für Investments geeignet. Seit 1997 haben Business Angels elf Millionen Euro in 73 Firmengründungen gesteckt. Die »Engel« – meist selbst Unternehmer mit technologischem Background – lassen in der Regel Beträge zwischen 100.000 und 300.000 springen.
Ein Beispiel für das erfolgreiche Zusammenwirken ist die Tiroler Firma AMiSTec. Josef Peter Guggenbichler, ehemaliger Leiter der Abteilung für Infektionskrankheiten und Präventive Medizin an der Kinder- und Jugendklinik der Uni Erlangen, hatte eine völlig neuartige Methode zur Bekämpfung multiresistenter Keime auf Oberflächen entwickelt und weltweit patentieren lassen. Über die i2-Börse fand der Mediziner bereits nach einem Monat einen Business Angel, der fachliche Expertise und finanztechnisches Know-how für den nächsten Schritt zur industriellen Produktion einbringen konnte. Maximilian Lackner ist habilitierter Verfahrenstechniker und Inhaber eines Ingenieurbüros für technische Chemie. 2011 erfolgte die Unternehmensgründung der beiden Co-Geschäftsführer. Die auf Basis der Säure-Technologie entwickelten antimikrobiellen Materialsysteme und Additive bleiben ohne weitere Reinigung keimfrei und stellen für den Gesundheitsbereich eine wesentliche Innovation dar, finden aber auch in der Industrie, im öffentlichen Bereich oder etwa in Tourismusbetrieben Anwendung.

>> Ideen mit Potenzial <<

Auch Johann Hansmann ist leidenschaftlicher Investor mit Faible für junge Unternehmen, die vor oder knapp nach der Markt­reife stehen. Der 60-Jährige gründete in seinem Leben mehr als 45 Firmen und wurde 2011 zum »Business Angel of the Year« gekürt, nachdem er gleich mit sieben Start-ups für den Award – darunter die Sprachenlernplattform busuu.com, das Versicherungsportal durchblicker.at, die Sport-App Runtastic und der Medikamenteninfodienst Diagnosia – nominiert war.

Hansmann investiert nach eigener Aussage »ausschließlich in Leute, die ich mag und die voll motiviert sind«. Sein jüngstes Steckenpferd ist der Webdienst MySugr, der eine Diabetiker-App für Smartphones entwickelt hat. Spielerische Elementen sollen die Nutzer anspornen, ihre Blutzuckerwerte regelmäßig zu erfassen, um die Therapie zu optimieren. »Das Diabetes-Monster ist das gemeine Viech, das es zu besiegen gilt«, beschreibt Mitgründer Fredrik Debong die Unternehmensphilosophie, »das nötige Übel mit einer Portion Spaß zu verbinden«. Seit 2010 ist das Wiener Unternehmen auf elf Mitarbeiter angewachsen. Mit Sanofi, A1 und T-Mobile, die ihren Kunden die App gratis zum Download anbieten, konnten wichtige Partner gewonnen werden. Eine eigene Kids App befindet sich in der Testphase.
Eingefädelt wurde die Liaison zwischen »Monster-Truppe« und Business Angel von INiTS, einer Servicestelle für Gründer aus dem universitären Bereich. Im Rahmen eines 18-monatigen Inkubationsprogramms stellt INiTS Finanzierung, Beratung, Infrastruktur und Netzwerke zur Verfügung, um die rasche Umsetzung der Ideen in ein wachstumsstarkes Unternehmen zu ermöglichen.

Eines der erfolgreichsten INiTS-Projekte ist finderly.com, ein Internet-Portal, das Entscheidungshilfe beim Kauf von Elektronikgeräten bietet. »Wer nach einer Digitalkamera sucht, findet  in Testberichten, Kundenmeinungen und Reviews oft widersprüchliche Angaben. Bei uns geben Freunde und Händler Feedback auf individuelle Anforderungen«, erklärt Gründer Armin Strbac. Neben der stetig wachsenden Finderly-Community sind inzwischen zahlreiche Elektronik-Händler, darunter Niedermeyer und DiTech, durch Kooperationen mit an Bord. Auf eine konkrete Anfrage – z. B. »Suche einfache, günstige Digitalkamera für eine Motorradtour durch die USA« – erhält man innerhalb weniger Stunden maßgeschneiderte Empfehlungen von anderen Usern und Experten, dazu gibt es passende Angebote vom nächstgelegenen Fachhändler. Das Ratgeber-Portal wurde beim »futurezone Award 2012« zum besten heimischen Internet-Start-up des Jahres gewählt.

Auf Platz zwei des Awards landete eine nicht minder originelle Geschäftsidee. Der Lebensmittellieferant kochabo.at greift Menschen, denen Zeit und Muße zum Einkaufen fehlen, helfend unter die Arme. Die Kochabonnenten bekommen gegen eine vereinbarte Gebühr (ab vier Euro) frische, gesunde Zutaten samt passenden Rezepten direkt ins Haus geliefert. CEO Michael Ströck, ehemaliger Geschäftsführer der Großbäckerei Ströck, konnte den Lieferservice im Laufe des vergangenen Jahres von Wien bereits auf fünf weitere Bundesländer ausweiten. Eine von Speed Invest organisierte Finanzierungsrunde brachte 250.000 Euro Kapitel, in einer weiteren soll eine Million Euro zusammenkommen. Einen prominenten Mitstreiter hat Ströck in Ex-Rewe-Vorstand Werner Wutscher gefunden, der sich seit seinem Ausstieg beim Handelskonzern als Mentor und Investor diverser Start-ups engagiert.

>> Risikoaversion <<

So erfolgreich sich diese Vorzeigefirmen entwickeln, sie bleiben noch seltene Einzelfälle. Österreich ist kein Land der Gründer, die Risikoaversion ist stark ausgeprägt. Zwar ist die Zahl der Firmengründungen laut »Austrian Startup-Report« seit 1993 von rund 14.000 auf 35.000 im Jahr 2011 gestiegen. Im EU-Vergleich sind das aber noch immer recht wenig: Während nur 8 % der erwerbstätigen Österreicher ein Unternehmen gründen, sind es im EU-Raum im Durchschnitt mehr als 13 %. Der Großteil der Start-ups ist im Bereich Software und Kommunikation angesiedelt – hier investieren auch 91 % der privaten Geldgeber. Events wie das Pioneers Festival, das zuletzt Ende Oktober in Wien stattfand, fungieren zunehmend als Drehscheibe zwischen Jungunternehmern und potenziellen Geldgebern.
Die Wurzeln für den verhaltenen Unternehmergeist sieht Nikolaus Franke, Leiter des Instituts für Entrepreneurship und Innovation an der Wirtschaftsuniversität Wien, in unserem »kulturellen Wertsys­tem«, das »große Probleme mit dem Thema Scheitern und Fehlermachen« habe. Gerate ein Jungunternehmer in Schwierigkeiten, drohe neben dem finanziellen auch der »soziale Ruin«. Zudem seien die Fördermaßnahmen zwar vielfältig, aber im Prinzip auf Gründungen ausgerichtet, »die schon unterwegs sind«.

»Es gibt viele staatliche Förderprogramme und die Entrepreneure orientieren sich sehr stark daran. Das halte ich für keine gute Entwicklung«, kritisiert auch Bernhard Niesner, der sein Sprachenportal busuu.com in Madrid gründete und später nach London verlegte – für ein IT-Start-up im Education-Bereich ein idealer Standort, wie Niesner meint. In einer Finanzierungsrunde konnten über 3,5 Millionen Euro an Land gezogen werden. Im November konnte das Konzept von busuu.com beim Seven Ventures Pitch Day Jury wie Publikum überzeugen und gewann vier Millionen Euro Medienbudget.

Investor Markus Wagner, früher selbst erfolgreicher Start-up-Unternehmer und nunmehr Betreiber des Inkubators i5invest, sieht in der IT-lastigen Ausrichtung vieler Unternehmensideen zugleich die große Schwierigkeit, da gleichzeitig mehrere Branchen tangiert werden: »Ist ein Online-Schuhhändler jetzt ein IT-Start-up oder ist das ein Einzelhandelsunternehmen? Ist ein Koch-Abo ein E-Commerce-Unternehmen oder ist das ein Supermarkt mit Zustellung?«

Eines der wenigen Unternehmen, die nicht aus der IT-Branche kommen, setzte sich überraschend beim Salzburger Wirtschaftspreis 2012 als bestes Start-up durch. Drei Jahre zuvor wurde die 31-jährige Sportwissenschafterin Claudia Seidl noch belächelt, als sie Rikschafahrten durch die Salzburger Altstadt anbot. Die Fahrradtaxis kommen jedoch sehr gut an. Wie die Fiaker prägen inzwischen bereits fünf Rikschas das Bild der Mozartstadt. Touristen und Einheimischen schätzen das umweltfreundliche Verkehrsmittel gleichermaßen – erste Reihe fußfrei.

 

>> Beratung & Förderungen:

> Austria Wirtschaftsservice (aws):www.awsg.at
i2 – Börse für Business Angels, PreSeed-Programm, Seed-Financing, Impulsprogramme
> Forschungsförderungsgesellschaft (FFG): www.ffg.at
Technologieförderungen, Innovationsscheck, Markt.Start-Programm
>Wissenschaftsagentur Wien: www.departure.at
> Förderprogramme für kreative Ideen: www.zit.co.at
Technologieförderungen
> BmVIT: www.bmvit.gv.at/innovation/strukturprogramme
Impulsprogramm »Academia plus Business« des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie
> WKO: www.gruenderservice.at
Gründerservice der Wirtschaftskammer Österreich
> INiTS (Universitäres Gründerservice):www.inits.at
Beratung, Förderung, Training, Infrastruktur, Netzwerk von Mentoren, Experten und Inves­toren
> Inkubator: www.i5invest.com
Know-how und Starthilfe von Markus Wagner für Internet-Start-ups mit Wachstumspotenzial
> Speed invest: www.speedinvest.com
Der von Oliver Holle initiierte Fonds bündelt das Risikokapital von privaten Investoren und Business Angels und investiert vorwiegend in IT-Start-ups.
> Fraunhofer Venture:www.fraunhoferventure.de/leistungen
Finanzierung von Technologievorhaben

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