Donnerstag, April 25, 2024



Gertrud Götze leitet in der Geschäftsführung bei T-Systems den Bereich HR in Österreich und setzt auf neue Ansätze in einer Wirtschaftswelt, in der Bewerbungsprozesse und Jobmarkt auf den Kopf gestellt sind.


Seit wann sind Sie im Personalbereich tätig? Und wie verändert sich der Bereich HR und Personalentwicklung in Organisationen?

Gertrud Götze: Ich habe Ausbildungen in Psychologie und BWL, bin am Anfang meiner Karriere dann aber in die IT gerutscht und viele Jahre dortgeblieben – bei T-Systems zuerst in der Softwareentwicklung und dann im Software-Testing. Dort war ich gut aufgehoben, da die diagnostischen Verfahren in der Psychologie auch auf die Software übersetzt werden können. Nach einigen Managementaufgaben bin ich in die Systemintegration in Deutschland und in Österreich gewechselt. Vor zwei Jahren ist dann die HR-Stelle für die Region Österreich und Schweiz freigeworden. Als Quereinsteigerin bin ich damit auch gleich in die Geschäftsführung aufgenommen worden. Der Konzern hat erkannt, dass sich auch HR ändern muss. Sie geht heute über die klassischen Themen Personalsuche und Arbeitsrecht hinaus und braucht zusätzlich enorm viel Wissen aus dem Business. 

Können Sie mit Ihrer Erfahrung jene Fähigkeiten besser bewerten, die in IT-Projekten gefragt sind?

Götze:
Nicht nur das. Ich kenne auch die Seele unserer Kunden im Projektalltag. Themen wie Change-Management oder Arbeitsplatzgestaltung sind gut gemeinte Themen in der HR – oft aber gehen sie am Bedarf vorbei, wenn wir täglich den Stress im IT-Projektgeschäft beim Unternehmenskunden haben. Gerade hier kann ich aus der Erfahrung heraus mit anderen Ansätzen unseren Mitarbeiter*innen helfen. Da kommen dann flexible Arbeitszeitmodelle zum Tragen, ebenso unterstützen wir beim Equipment oder auch bei internen Prozessen in der Organisation. Das ist auch kein IT-Spezifikum. Über die Branche hinaus sehe ich den Trend in Unternehmen, dass die HR-Arbeit immer mehr mit dem Business verschränkt wird.

Was wünschen sich die Beschäftigten?

Götze:
Wir befragen unsere neuen Mitarbeiter*innen ebenso wie alle, die uns verlassen, nach ihren Gründen für den Wechsel. Alle vereint der Wunsch nach Flexibilität in Zeit und Ort. Die Menschen wollen einfach die Möglichkeit haben, von zu Hause aus zu arbeiten. Der zweite absolute Renner ist Sinnhaftigkeit. Wir verlieren unsere Mitarbeitenden, wenn wir ihnen nicht das Gefühl geben können, an etwas Sinnvollem zu arbeiten. Die besten Karten haben Unternehmen, die in ihrem Tun eine Sinnhaftigkeit für unsere Gesellschaft sichtbar machen können und zusätzlich eine abwechslungsreiche Arbeit bieten, an der Mitarbeitende wachsen und lernen können.

Hängt das auch vom Alter ab?

Götze:
Die Ausrichtung der eigenen Arbeit an Sinnhaftigkeit ist tatsächlich ein vorwiegend altersabhängiger Wunsch. Vor allem junge Menschen wollen einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Das Thema Flexibilität zieht sich wiederum durch alle Ebenen. Die Menschen haben in den vergangenen zwei Jahren schätzen gelernt, nicht täglich ins Büro fahren zu müssen. Gerade in einer Branche mit einem Fachkräftemangel wie in der IT können sich die Arbeitnehmer*innen nach diesen Kriterien die Arbeitgeber aussuchen  – und das tun sie auch.

Welche Regelungen für den Arbeitsort und die Arbeitszeit sind in einer größeren Organisation wie bei T-Systems sinnvoll? Was funktioniert Ihrer Erfahrung nach gut? 

Götze:
Das kommt immer auf den Bereich an. In meinem Bereich der HR stelle ich es meinem Team mehr oder weniger frei, von wo aus sie ihre Arbeit erledigen, sofern es Tätigkeiten sind, die nicht an Qualität verlieren, wenn sie »remote« erledigt werden. Wenn aber insbesondere kreative Prozesse im Team gelebt werden müssen, brauche ich alle in einem Raum. Neue Lösungsstrategien ausarbeiten und Innovation funktionieren nicht – oder zumindest nicht effizient –, wenn Menschen allein vor ihren Bildschirmen sitzen. Ich selbst arbeite im Büro effektiver, ich brauche dieses Umfeld. Aber da ist jeder und jede anders und da will ich niemandem dreinreden.

Ich beobachte auch, dass sich die Menschen wieder gerne im Büro treffen. Man sieht das an unserer Firmengarage, die mittlerweile wieder gut gefüllt ist. Die Menschen sind gerne von Dienstag bis Donnerstag im Büro, während am Montag und Freitag von zuhause gearbeitet wird. Solange die Leistung stimmt und der Zusammenhalt innerhalb des Unternehmens nicht leidet, kann das das Modell der Zukunft sein. Wir haben auch die Leitungen aus den Homeoffices technisch so gut abgesichert, dass unternehmenskritische Anwendungen und Tätigkeiten remote ausgeübt werden können.

Hat sich auch die Sinnfrage bei der eigenen Arbeit in der Pandemie verstärkt? 

Götze:
Ich denke, die Tendenz war schon vorher da. Faktoren wie die Ukraine-Krise und besonders auch die Klimakrise haben das aber weiter bestärkt. Wir haben unsere nachfolgende Generation so erzogen, dass sie vieles selbst entscheidet und auch entsprechend gute Ausbildungen hat.

In Bewerbungsgesprächen hat man früher darüber gesprochen, was eine Arbeitnehmer*in in den nächsten fünf Jahren erreichen möchte. Mittlerweile werde ich gefragt, wo wir uns mit T-Systems in fünf Jahren sehen. Das hat sich komplett gedreht. Und ich bewundere dieses Selbstbewusstsein. Es ist cool, dass sich die jungen Menschen das einzufordern trauen – nur so passieren Veränderungen.

In Bezug auf Nachhaltigkeit haben wir zum Glück gute Karten im Konzern. Die Deutsche Telekom hat frühzeitig auf die Reduktion des CO2-Abdrucks mit klimaneutralen Rechenzentren und entsprechende Policies für Reisetätigkeiten oder den Aufbau von Elektromobilität und Personalpolitik wie »Diversity and Integration« gesetzt. 

Welche Schwerpunkte setzen Sie bei Diversität in der Besetzung von Jobs?


Götze:
Auch wenn es die Unternehmen gezielt anstreben, tun sie sich schwer, mehr Frauen in technische Berufe zu bekommen. Das Problem hier beginnt schon viel früher, bei der Berufswahl und in der Ausbildung. In meiner Position kann ich aber darauf achten, dass auf Gehaltsebene Gerechtigkeit herrscht, und wir haben uns Quoten bei Führungspositionen gesetzt. Wir haben unser Ziel von fünf Prozent Steigerung in 2022 leider nicht ganz erreicht – aber wir sind mit insgesamt einem guten Drittel Frauenanteil nicht das Branchen-Schlusslicht. Wir forcieren das natürlich weiterhin.

Das Mittel gegen Fachkräftemangel muss sein, den Pool in alle Richtungen zu vergrößern. Das bedeutet auch, Menschen mit Behinderungen aufzunehmen oder EU-Ausländer*innen, was gerade in Österreich mit den größten Hürden verbunden ist. Das ist für Menschen aus der Ukraine etwas erleichtert worden. Aber meine Kolleginnen im HR-Bereich tragen wirklich jeden einzelnen mit der Hand durch die Tür.

Junge, Alte – das Potenzial ist einfach größer als der weiße Abgänger einer technischen Universität. Die Umsetzung, das Erfüllen unserer Ziele, ist freilich ein Knochenjob. Das beginnt auch damit, dass viele verstärkt in Teilzeit arbeiten möchten. Ausschreibungen zu Positionen mit 30 Wochenstunden erhalten wesentlich mehr Rücklauf. Oft wartet man lieber ein Jahr und lässt eine Stelle unbesetzt, bevor man jemandem die Chance gibt, 30 Stunden zu arbeiten. Hier müssen wir intern noch viel Überzeugungsarbeit leisten.

Sie arbeiten auch an einer Viertagewoche in Ihrer Organisation – wie sieht dieses Konzept bei T-Systems in Österreich konkret aus? 

Götze:
Das hat tatsächlich die Pandemie mit sich gebracht: Die meisten Leute haben für sich gelernt, dass Arbeit nicht mehr alles ist. Sie wollen weiterhin ihren Job machen, aber weniger Zeit investieren. Mit Anfang Jänner sind haben wir ein Pilotprojekt mit sieben Gruppen und insgesamt fast 50 Leuten in den Bereichen Systemintegration, Rechenzentrumsservices, Procurement und HR gestartet, um über drei Monate in verschiedenen Modellen die Vier-Tage-Woche zu leben. Wir befragen die Teilnehmer*innen jede Woche, wie es ihnen damit geht – ob sie gesund sind und mit ihrer Arbeitszeit für ihre Aufgaben auskommen. Und wir sind sehr gespannt auf die ersten Erkenntnisse.

Wie sieht dieses Modell in Wochenstunden aus?

Götze:
Eine Gruppe teilt die 38,5 Wochenstunden auf vier Tage auf. Bei einer anderen wird das Wochenpensum aliquot auf 36 Stunden heruntergerechnet. Wir probieren unterschiedliche Varianten aus. Denn Resilienz wird auch am Arbeitsplatz zu einer großen Herausforderung. Die Menschen sind aufgrund der geopolitischen und geoökologischen Lage gestresst, der psychische Druck lässt viele nicht mehr los. Ich glaube, dass bei gleichem Gehalt und weniger Arbeit drei Tage Erholung insgesamt für die Gesundheit förderlich ist. Ein Mensch, der krank ist, kostet ein Unternehmen wesentlich mehr als zwei oder zweieinhalb Stunden Arbeitszeit pro Woche. Ich bin der Auffassung, dass diese wenigen Stunden ohne Leistungsverlust reduziert werden können. Denken Sie nur daran, wieviel Zeit in manchmal unproduktiven Meetings oder in unternehmensinternen Prozessen verbracht wird.

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