Freitag, März 29, 2024
Die Zukunft auf unseren Tellern

Damit sich die wachsende Weltbevölkerung ausreichend ernähren kann, braucht es Innovationen in der Lebensmittelproduktion und Agrarwirtschaft.

Die Landwirtschaft und die Erzeugung von Nahrungsmittel sorgen für 25 Prozent der globalen, vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen. In den nächsten Jahren ist mit einem Anstieg der Weltbevölkerung zu rechnen, damit erhöht sich auch der Bedarf an Nahrungsmitteln. Um den Lebensmittelsektor zu »dekarbonisieren« sind möglichst rasche, effiziente und nachhaltige Innovationen in der Landwirtschaft und der Herstellung von Nahrungsmitteln nötig.

Während in der Klimadiskussion vor allem der CO2-Ausstoß als kritisch gesehen wird, sorgt auch das in der Viehwirtschaft produzierte Methan für eine besondere Problematik. Methan entsteht bei Wiederkäuern, also etwa Kühen und Schafen, im Verdauungsprozess. Besondere Futtermittel und Probiotika könnten aber in Zukunft dafür sorgen, dass Kühe weniger Methan freisetzen. Viel gewonnen wäre jedoch schon durch eine Umstellung des Speiseplans: Würde weniger Fleisch gegessen, müssten weniger Tiere gezüchtet werden. Landwirtschaftliche Flächen, auf denen derzeit Futter angebaut und Tiere gehalten werden, würden für den Anbau anderer Nutzpflanzen frei werden.

Neben dem Ausstoß von Luftschadstoffen ist aber auch die Auslaugung der Böden und die Abholzung von Wäldern ein kritischer Faktor. Weiters bewirkt die Herstellung von Fleisch einen enormen Wasserverbrauch. Um die Ernteerträge im Obst- und Gemüseanbau zu steigern, wurde in den vergangenen Jahrzehnten oftmals auf Monokulturen gesetzt, die zur Erschöpfung der landwirtschaftlichen Agrarflächen führt.

Nachhaltigkeit und Effizienz

Um die Landwirtschaft und so auch die Produktion von Grundnahrungsmitteln nachhaltiger zu gestalten, kamen vor allem in den letzten Jahren Innovationen auf den Markt, die den effizienteren und somit auch nachhaltigeren Einsatz von Ressourcen versprechen. Der Fokus liegt dabei auf der Reduktion des CO2- und Methanausstoßes, der Verbesserung der Anbaubedingungen zum Schutz des Ackerbodens, der Senkung des Wasser- und Energiebedarfs, der effizienteren Nutzung des Ackerlands und auf der Kreislaufwirtschaft.

Einige österreichische Start-ups in der Lebensmittelherstellung haben es sich zur Aufgabe gemacht, ressourcenschonend und möglichst nachhaltig zu produzieren. So etwa nutzt die Firma Herbeus Greens in Niederösterreich für die Herstellung von Sprossen, sogenannten Microgreens, Vertical Farming als Methode. Dank des Indoor-Anbaus und der übereinander geschichteten Parzellen von Pflanzensprossen ist eine ganzjährige Ernte möglich und zwar unabhängig von Witterungsverhältnissen. Da die Transportwege sehr kurz gehalten werden, fallen außerhalb der Produktionsstätte um fast 90 Prozent weniger CO2 an.

Bei Herbeus Greens kommen keine Pestizide zum Einsatz und es wird kein reeller Ackerboden benötigt.

Das Unternehmen blün wurde 2017 von Stefan Bauer, Michael Berlin, Gregor Hoffmann und Bernhard Zehetbauer gegründet. Die vier erfahrenen Landwirte und Unternehmer setzen auf die Aquaponik-Technologie, die Fischzucht und Gemüseanbau in einem Kreislauf vereint. Diese Methode der Lebensmittelproduktion verspricht maximale Effizienz bei minimalem Einsatz von Ressourcen und hoher Planbarkeit. So entstand am Wiener Stadtrand eine Aquaponik-Anlage, die die Aufzucht von Welsen in Aquakultur und die Kultivierung von Nutzpflanzen in Hydrokultur verbindet.

Bei blün geht kein Tropfen Wasser verloren. Das Abwasser der Fischbecken wird gefiltert für die Düngung der Pflanzen im Glashaus verwendet. Die kontrollierte, integrierte Indoor-Produktion schließt den Eintrag von Schwermetallen und Umweltgiften sowie Verunreinigungen, etwa durch Vogelkot, aus. »Wir produzieren Lebensmittel in höchster Qualität in der Stadt für die Stadt und das extrem ressourcenschonend mit kurzen Transportwegen«, sieht blün-Betriebsleiter Lukas Norman noch viel Potenzial für die Aquaponik-Technologie.

Ersatzprodukte in der Kritik

Neben innovativen Methoden in der Landwirtschaft werden auch Lebensmittel gänzlich neu konzipiert. So ist im letzten Jahrzehnt die Nachfrage nach Fleisch- und Milchersatzprodukten rasant gestiegen. Unverträglichkeiten, aber auch die Klimadebatte haben dazu beigetragen, dass viele Menschen sich bewusster ernähren. Doch wie grün sind diese Ersatzprodukte wirklich?

Fleischsubstitute, Milchalternativen und Proteinquellen aus Algen oder Insekten sollen den Markt revolutionieren. Sie versprechen zweierlei: ressourcenschonende Produktion sowie Genuss ohne schlechtes Gewissen. Beyond Meat, global bekannt für seine Fleischersatzprodukte, wurde 2009 gegründet und bekam über die letzten Jahre hinweg Investments von namhaften Venture-Capital-Gesellschaften und anderen Kapitalanlegern. Spätestens im Jahr 2019 war Beyond Meat aufgrund seines Börsengangs und des rasant steigenden Aktienkurses in aller Munde. Doch Covid-19 drückte die Performance, erst seit ein paar Monaten verzeichnet das Unternehmen wieder eine Aufwärtsbewegung.

Ob dies ein Zeichen dafür ist, dass es sich nur um einen Trend handelt? Ein Blick auf den Wertpapiermarkt zeigt, dass Aktien mit dem Fokus auf Food Technology und nachhaltige Lebensmittelproduktion immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die großen Hersteller von Ersatzprodukten werben in erster Linie mit Kriterien wie wesentlich geringerem Wasser- und Flächenverbrauch bei der Herstellung, weniger Ausstoß von Emissionen und reduziertem Energieverbrauch.

Indessen musste Beyond Meat einiges an Kritik einstecken. Das Magazin Öko-Test fand im Jahr 2019 in den Produkten von Beyond Meat Mineralölbestandteile. Auch der Nachweis von Geschmacksverstärkern sorgte für Aufregung. Zwei Jahre später bewertete die »Stiftung Warentest« den Beyond Meat-Burger mit einer Note von 1,8. Schadstoffe ließen sich 2021 nicht nachweisen.

Auch die Kritik gegenüber neuen Technologien in der Lebensmittelherstellung ist groß. Der Prozess, den viele Produkte durchlaufen müssen, um am Ende den Erwartungen der Konsument*innen zu entsprechen, wird oftmals kritisch betrachtet. Gleichzeitig liefern viele neue Methoden und Herangehensweisen Antworten auf die Frage, wie wir in Zukunft Ressourcen auf allen Ebenen einsparen könnten. Die Kapitalmärkte zeigen, dass sich auch die heute noch als unkonventionell betrachteten Lebensmittel, wie etwa Insekten- oder Algenprodukte, langfristig am Markt behaupten – schließlich richten Investor*innen ihr Interesse erfahrungsgemäß auf Unternehmen, die die Zukunft mitgestalten.


Die Autorin

Lisa Reichkendler ist Marketing Strategin für die Lebensmittelbranche sowie für Gastronomie und Hotellerie. Sie unterstützt zahlreiche Betriebe mit einer ganzheitlichen, strategischen Marketingberatung, indem sie Konzepte und Ideen erarbeitet und umsetzt, um Firmen erfolgreicher und ganzheitlich glücklicher zu machen.

www.lisareichkendler.com


Klimaschonender Insekten-Burger

Im vergangenen Oktober nahmen Billa und Billa Plus ein außergewöhnliches Produkt in ihr Sortiment auf. Das Burger-Patty des Wiener Lebensmittelpioniers ZIRP Insects besteht zu knapp 40 Prozent aus Buffalowürmern, die als besonders zukunftsträchtige Quelle für klimaschonendes tierisches Protein gelten. Ermöglicht wurde diese Produktinnovation erst durch eine Gesetzesänderung auf EU-Ebene im Mai 2021. »Das war aufregende Pionierarbeit«, erklärt Christoph Thomann, Gründer und CEO von ZIRP Insects. »Insekten eignen sich ausgezeichnet zur Weiterverarbeitung. Sie haben eine dezent-nussige Geschmacksnote und lassen sich vermahlen sehr gut in beliebte Rezepturen integrieren.« Unter der Dachmarke »Eat for Future« will sich das Unternehmen mit weiteren Produkten in diesem wachsenden Lebensmittelsektor behaupten.


 Neustart für Algenzucht

Mit rund 21,4 Millionen Euro Schulden schlitterte die ecoduna-Tochter eparella GmbH im Mai 2020 in die Insolvenz. Das Unternehmen hatte ein einzigartiges Verfahren für die industrielle Algenzucht entwickelt und hochwertige Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt gebracht. Im Vorjahr übernahm der holländische Privatunternehmer Nicolaas Jongerius die hochmoderne Anlage in Bruck an der Leitha, um unter dem Firmennamen Jongerius ecoduna GmbH mit innovativen Produkten neu durchzustarten.

Mikroalgen eignen sich für den Einsatz in Lebensmitteln, Getränken, Kosmetik und Tierfutter. Sie enthalten viele Vitamine, Mineralstoffe, essenzielle Fettsäuren und Proteine. Vorerst erfolgt der Vertrieb der bisherigen Produkte über Apotheken und Online-Plattformen. Jongerius plant, weltweit Anlagen zu errichten: »Algen international in industrieller Größe zu züchten, ist eine Notwendigkeit, um die weltweiten Probleme im Umwelt- und Gesundheitsbereich zu lösen.«

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