Freitag, März 29, 2024
Börsenblick 2022

Die Coronapandemie dauert an – und mit ihr die ökonomischen Unsicherheiten. Anleger*innen, die auf die richtigen Branchen setzen, können jedoch vom weltweit spürbaren Aufschwung profitieren. Wo sich Investments lohnen, hat Report(+)PLUS bei Österreichs Top-Analyst*innen nachgefragt.

Das Börsenjahr 2021 stand erneut ganz im Zeichen der Pandemie und ihrer Folgen. Inflation, Zinspolitik, Lieferstau und geopolitische Spannungen brachten zusätzlich Unruhe in die Finanzmärkte. Die Krise erwies sich aber auch als Katalysator für einige Branchen – insbesondere IT und Pharma. Anleger*innen, die das Risiko nicht scheuten, verzeichneten ein durchaus erfreuliches Jahr, denn Aktien performten besser als vermeintlich sichere Investments wie Staatsanleihen oder Gold.

Die Wiener Börse verzeichnete in ihrem 250. Jubiläumsjahr bei den Aktienumsätzen ein Zehnjahreshoch und konnte die Verluste aus 2020 überkompensieren. Abermals bestätigte sich die Sonderstellung des österreichischen Aktienmarktes: In Abschwungphasen verliert der ATX stärker als andere Handelsplätze, legt aber im Aufschwung deutlich mehr zu. Dieser Trend dürfte noch weiter anhalten – der ATX ist im internationalen Bereich noch immer unterbewertet.

Einige Wegweiser für 2022 stehen bereits: Die US-Notenbank Fed wird die Leitzinsen im Laufe des Jahres anheben, die Europäische Zentralbank bleibt diesbezüglich noch zurückhaltend. Mehrere Staaten haben große Investitionen in die Infrastruktur angekündigt. Die steigenden Energiepreise bringen Öl- und Gaskonzerne wieder stärker ins Spiel. Der Trend zur nachhaltigen Geldanlage nimmt an Fahrt auf: Immer mehr Unternehmen und Fonds richten sich nach ökologischen und sozialen Kriterien aus. USA, China und Russland lassen weiterhin die Muskeln spielen. Es bleibt spannend.


Friedrich Mostböck, Head of Group Research, Erste Group Bank AG:



1. Verhalten sich die Kapitalmärkte zunehmend resistenter gegenüber Krisen?

Das kommt auf die Krise an! Jede Krise ist am Beginn Neuland. Sicher sind wir jetzt schon an den Umgang mit Covid gewöhnt. Fällt eine Krise aber wieder dramatischer aus (wie der Beginn der Covid-Krise oder die Finanzkrise etc.), hätte das mit Sicherheit wieder stark negative Auswirkungen an den Märkten. 

2. Schätzen Sie die steigende Inflation als problematisch ein?

Kurzfristig irritierend werden höhere Inflationsraten immer sein, vor allem wenn sie höher als erwartet ausfallen. Die Konjunktur ist aber global weiter im Anziehen begriffen und die Aktie ist infolge der Niedrigstzinsen ohnehin vielfach alternativlos. Außerdem geben börsennotierte Unternehmen höhere Preise längerfristig an ihre Kunden weiter, was sich wiederum in höheren Umsätzen und Gewinnen bemerkbar machen sollte.

3.  Lohnen sich »grüne« Investments?

Ja, auf jeden Fall. Vor der Finanzkrise wurden ESG-Investments (Environmental, Social, Governance) noch belächelt, jetzt sind sie Mainstream geworden. Der Trend wird sich fortsetzen, da ESG nicht gleich ESG ist und zudem eine Differenzierung, z. B. über Greenwashing, stattfinden wird. Institutionelle wie private Investoren werden zunehmend darauf achten.

Mein persönlicher Anlagetipp: Österreichische Post: hinkt als defensiver Wert der Gesamtmarktentwicklung hinterher, infrastrukturrelevant und stabiler Cash Flow, sehr gut positioniert, erfahrenes Management, Dividendenaktie mit 5 % Dividendenrendite.


Herta Stockbauer, Vorstandsvorsitzende BKS Bank: 

1. Wir befinden uns tatsächlich in einem neuen Kapitalmarktumfeld. Die Notenbankpolitik hat immer mehr Einfluss auf die Kapitalmarktentwicklung gewonnen, Krisen schlagen nicht unmittelbar durch. Substanzielle Krisen darf man allerdings niemals unterschätzen, denn sie können mit dieser Politik zwar abgefedert, aber nicht nachhaltig eliminiert werden. 

2.
Die Inflationsentwicklung in den letzten Monaten hat einige Marktteilnehmer verschreckt und ist in der Tat besorgniserregend. Wir gehen allerdings davon aus, dass die Inflationsraten ihren Höhepunkt erreicht haben und im zweiten Halbjahr zurückgehen, aber nicht das Vor-Corona-Niveau erreichen werden. 

3.
Grüne Investments lohnen sich immer. Die BKS Bank engagiert sich bereits seit Jahren dafür. Wir bieten unseren Kunden seit 2013 eine mit dem österreichischen Umweltzeichen prämierte Vermögensverwaltung und seit mehreren Jahren auch Green Bonds an. Wir halten grüne Investments weiterhin für einen Megatrend und werden unser Engagement in diese Richtung auch in den kommenden Jahren weiter ausbauen. 

Mein Tipp:
Wir raten unseren Kunden immer dazu, ihr Vermögen möglichst breit zu streuen. Vermögensverwaltende Fonds bieten sich dafür besonders gut an. Wichtig ist auch, die Ertragserwartung an einen entsprechend langen Veranlagungshorizont zu koppeln. Je höher die Ertragserwartung, desto höher das Risiko. Je höher das Risiko, desto länger sollte der Veranlagungshorizont sein. 


Oliver Prinz, Leiter Investment-Management und -Strategie, UniCredit Bank Austria:



1.
Wir gehen davon aus, dass die bisherigen und bekannten Marktmechanismen unverändert Bestand haben und die Kapitalmärkte nicht aus eigener Kraft resistenter gegenüber Krisen geworden sind. Geändert hat sich jedoch das Verhalten der Notenbanken, die zuletzt sehr schnell und mit großem Liquiditätseinsatz auf Krisen reagierten und die Indizes von Rekord zu Rekord trieben.

2. Wir haben unsere Anlagestrategie sehr frühzeitig auf steigende Inflationsrisiken abgestimmt. Ein gewichtiger Teil unseres Anleihenportfolios ist in inflationsgeschützten Anleihen veranlagt. Die Erträge dieser Anleihen bleiben also inflationsbereinigt stabil. Im Aktienbereich vertrauen wir auf hochqualitative Geschäftsmodelle, die in der Lage sind, die gestiegenen Inputpreise an die Konsumenten weiterzugeben.

3. Aus meiner Sicht ist die Reduzierung von ESG-Risiken ein wichtiger Performancefaktor für die Zukunft. Selbst wenn es keinen Performancevorteil geben sollte, zahlt es sich aus, auf nachhaltige Investments zu setzen, da bei gleicher Performance zusätzlich etwas Gutes für nachhaltige Themen erreicht werden kann. Darüber hinaus schließen sich Rendite und nachhaltiges Investieren schon lange nicht mehr aus.

Mein Tipp: Ich empfehle, sich umfangreich und kompetent beraten zu lassen. Eine professionelle Vermögensverwaltung ist für nachhaltigen Veranlagungserfolg auf den internationalen Finanz­märkten besonders gut geeignet.


Nils Kottke, Mitglied des Vorstandes Bankhaus Spängler:



1. Vollkommen resistent gegenüber Krisen sind die Kapitalmärkte zweifelsohne nicht. Es ist jedoch zu beobachten, dass Krisen in der jüngeren Vergangenheit schnell überwunden wurden. Dies liegt unter anderem am zügigen Einschreiten von Notenbanken und Regierungen. Allerdings sitzen die Notenbanken zunehmend in der Klemme zwischen steigender Inflation und hoher Staatsverschuldung.

2. Sollte die Inflation weiter so hoch bleiben, ist diese Entwicklung problematisch. Das Vertrauen in die EZB könnte dauerhaft geschädigt werden. Ab einem gewissen Punkt müsste die EZB die Zinsen erhöhen, was nachteilige Konsequenzen in Staatshaushalten, am Aktienmarkt oder am Immobilienmarkt nach sich ziehen könnte.

3. Investments in zukunftsorientierte Geschäftsbereiche lohnen sich, sofern die Unternehmen auch das leisten, was sie versprechen. Dies gilt auch für »grüne« Investments, die in vielen Fällen in Zukunftsbereichen angesiedelt sind. Eine gewisse »Blasenbildung« ist in diesem Bereich aufgrund einer aktuell noch undifferenzierten Nachfrage allerdings nicht ausgeschlossen.

Mein Tipp: Meine Anlagedevise für das Jahr 2022 lautet »TINA« (There Is No Alternative). Hiermit meine ich, dass es aktuell keine wirklichen Alternativen zu Aktien gibt. Gold ist in diesem Inflations­umfeld eine sinnvolle Beimischung. 


Peter Brezinschek, Chefanalyst, Raiffeisen Bank International:



1. Prinzipiell muss man festhalten, dass unerwartete Gefahren oder Ereignisse immer die stärksten Wirkungen hinterlassen. Dies war beim Auftreten von Corona Anfang 2020 offensichtlich. Bei bekannten Risiken kann durch Vorsorge schon frühzeitig gegengesteuert werden. Auch die Geld- und Fiskalpolitik können ausgleichend wirken. So hat beispielsweise Covid-19 trotz heftiger Auswirkungen die Finanzmärkte seit März 2020 nicht mehr negativ tangiert. Ganz im Gegenteil sind die Aktienindizes wieder zu historischen Höchstständen aufgelaufen.

2. In der Eurozone wurde im Dezember mit 5,0 % der höchste Wert seit Einführung des Euro 1999 erzielt. Bislang sind hauptsächlich Rohstoff- und Energiepreise Treiber der Teuerung. Seit dem Herbst macht sich aber auch bei dauerhaften Konsumgütern und Dienstleistungen zunehmender Preisdruck bemerkbar. Daher wird interessant, wie weit sich die Inflationsrate im Jahresverlauf 2022 zurückbildet. Es besteht die Gefahr, dass der VPI klar über der Zweiprozentmarke bleibt, und daher neben der US-Fed auch die EZB früher oder später reagieren muss.

3. Investitionen in den Klimaschutz sind essenzielle Bausteine für eine erfolgreiche Trendwende zu weniger CO2. Innovation und technischer Fortschritt gepaart mit öffentlichen Investitionen (EU Fit for 55) wird sich in Finanzzahlen bei den Unternehmen positiv bemerkbar machen. Daher führt an »grün-inspirierten« Investments kein Weg vorbei.

Mein Tipp: Index-Zertifikat für den DAX-Index: Die Gewichtung des DAX ist ausgewogen und sollte auch 2022 für ein erfolgreiches Börsenjahr sorgen.


Erich Stadlberger, Leiter Private Banking & Asset Management, Oberbank AG:



1. Seit der Finanzmarktkrise 2008/09 sind umfangreichere und raschere Maßnahmen der Notenbanken und Regierungen zu beobachten. Diese gewaltigen Unterstützungsmaßnahmen haben in der Realwirtschaft zu deutlich kürzeren rezessiven Phasen geführt. Infolgedessen waren am Kapitalmarkt kaum größere bzw. langfristige Abwärtsphasen und höhere Kursschwankungen zu beobachten. Aufgrund der guten konjunkturellen Rahmenbedingungen werden Geld- und Fiskalpolitik aber nicht mehr in dem Ausmaß notwendig sein. Infolgedessen sollten die Schwankungen am Aktienmarkt zwar zunehmen, die Erträge aber weiterhin solide sein.

2. Die aktuellen Inflationsraten sind schon einen Tick zu hoch, und würden bei fortdauernder Entwicklung den Unternehmen und Verbraucher*innen anhaltende Sorgen bereiten. Für Anleger*innen bedeutet das primär den Rückgang der Kaufkraft. Wir erwarten zwar, dass die Energiepreise hoch bleiben, aber die Lieferkettenprobleme sollten sich sukzessive abmildern. Folglich rechnen wir mit einer Normalisierung der Inflationsraten ab Mitte des Jahres.

3. In den letzten Jahren hatten nachhaltige Veranlagungen am Aktienmarkt keinen Performance­nachteil. Wir sind überzeugt, dass in den nächsten Jahrzehnten das Thema Nachhaltigkeit eine noch bedeutendere Rolle spielen wird. Einzelne Branchen, insbesondere im Energiebereich, auch wenn sie nachhaltig sind, werden aber sehr volatil bleiben.

Mein Tipp: Ich fühle mich auch am Heimatmarkt sehr wohl. Der österreichische Aktienmarkt überzeugt mit starken Geschäftsmodellen, günstigen Bewertungen und attraktiven Dividendenrenditen.

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