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Arbeiten in der Post-Corona-Welt

Seit einem Jahr sind die Büros im ganzen Land fast menschenleer. Die Rückkehr in neu gestaltete Arbeitsbereiche, die der veränderten Arbeitswelt besser entsprechen, werden dennoch viele zu schätzen wissen.

Was Corona mit uns macht – darüber wird eifrig spekuliert. Ganz sicher ist schon jetzt, dass sich die Arbeitswelt gründlich gewandelt hat. Das Shift Collective, ein Bund von zehn deutschen Beratungsunternehmen, beschäftigte sich für die Studie »The Future is Hybrid« mit zukünftigen Arbeitsmodellen.

Der Titel der Erhebung gibt bereits die Richtung vor: Ein Zurück in die Vollzeit-Bürokultur können sich die wenigsten Befragten vorstellen. Flexible, hybride Modelle mit einer ausgewogenen Mischung aus Präsenzarbeit und Homeoffice werden sich durchsetzen. Auf Standardlösungen hat niemand mehr Lust.

Es sei eine Illusion, sagt auch der Zukunftsforscher Franz Kühmayer, zu glauben, dass alle nach der Pandemie ins Büro zurückkehren, als sei nichts geschehen. Unregelmäßige Arbeitszeiten, private Spannungsfelder und wenig Pausen machen jedoch das Homeoffice nicht immer zu einer Wohlfühloase. Unternehmen sind gut beraten, verstärkt auf die mentale Fitness und Resilienz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu achten und die Arbeitsumgebung diesen Bedürfnissen entsprechend auszustatten. Während früher das Büro als Flagship des Unternehmens diente, steht künftig seine Funktion als soziokulturelle Begegnungsstätte, in der kreative und wertschöpfende Gedanken und Ideen ausgetauscht werden, im Mittelpunkt.

Multifunktionale Anforderungen

Bild oben: Multifunktionale Raumkonzepte schaffen eine kooperative Arbeitsatmosphäre (li.). Das »Shenzhen Wave« (o.) holt die Natur ins Gebäude.

Raumkonzeption und Innendesign müssen diese kooperative Arbeitsatmosphäre fördern. Räume für Meetings, konzentriertes Arbeiten, Teamwork und Kommunikation – und diese Bereiche sollten entsprechend ihrer Funktion und ästhetisch einladend gestaltet sein. Ein klassisches Bürodesign mit abgeschotteten Arbeitsplätzen kann diese multifunktionalen Anforderungen kaum erfüllen.

Für die Umgestaltung zu flexiblen Bürokonzepten bieten sich im Wesentlichen drei Design-Optionen: Verringerung der Raumdichte, modulare Anordnung der Arbeitsplätze im 90-Grad-Winkel sowie abschirmende Raumteiler (z. B. Paneele oder Paravents), die für Sichtschutz und Privatsphäre sorgen und gleichzeitig das pandemiebedingte Physical Distancing ermöglichen.

»Für die Teamarbeit benötigen wir Open Coworking Units – offen, aber abgeschirmt und intelligent zoniert. Für das konzentrierte Arbeiten und das ungestörte Remote-Gespräch ziehen wir uns in einen kleinen Silent Room zurück. Wenn wir größere Meetings abhalten, verwenden wir hochtechnifizierte Kommunikationsräume, in die selbstverständlich auch virtuelle Gesprächspartner voll integriert sind«, beschreibt Markus Wiesner, Geschäftsführer von Wiesner-Hager, die unterschiedlichen Raumtypologien.

 Kulturelle Veränderung

Unternehmen, die schon zuvor auf integrierte Konzepte setzen, profitieren während der Corona-Krise von dieser Flexibilität. Die Niederösterreichische Verkehrsorganisationsges.m.b.H (NÖVOG) – mit sechs Bahnen, zwei Bergbahnen und über 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der größte Mobilitätsanbieter des Landes Niederösterreich – hatte 2018 im Zuge einer neuen Standortstrategie alle dislozierten Einheiten des Unternehmens im Raum St. Pölten in einem neuen Bürogebäude zusammengeführt.

Bild oben: Stefan Wernhart, EHL: »Der Trend, in Büroflächen vermehrt Bereiche für gemeinsames Arbeiten und Soziales zu integrieren, wird verstärkt.«

Mit dem neuen Bürokonzept ging auch eine kulturelle Veränderung einher, in die von Beginn an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbezogen wurden. Das Architektenteam »propeller z« entwickelte eine Arbeitswelt, die weit über das Verwaltungsgebäude hinausging und die unterstützt durch eine eigene App in eine »Paperless«-Kultur mündete. Für Stefan Aigner von der Strategieberatung M.O.O.CON, die das Projekt betreute, ist die NÖVOG »ein Paradebeispiel, wie wirksam die konsequente Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Entwicklung einer neuen Arbeitswelt ist. Aus Einzelbüros mit eigenen Schreibtischen wurde eine offene Bürowelt mit aktivitätsbasierten Arbeitsmöglichkeiten.«

Die Kulturveränderung zeigte sich besonders deutlich mit dem Ausbruch der Pandemie. Wie bei vielen anderen Unternehmen brach der NÖVOG durch die Corona-Krise die gesamte Geschäftsgrundlage weg. Soweit möglich übersiedelte die Belegschaft ins Homeoffice. »Unsere Geschäftsführung fördert flexibles, ortsungebundenes Arbeiten nicht erst jetzt. Respekt, Zutrauen und Vertrauen prägen die Führungskultur. Wir sind mit Laptops und Smartphones ausgestattet und konnten so ohne Probleme unsere Arbeit nach Hause übersiedeln«, erklärt Katharina Heider-Fischer, Leiterin der NÖVAG-Unternehmenskommunikation.

Nach der Lockerung der Covid-Maßnahmen wird das neue Gebäude nun Schritt für Schritt wieder besiedelt und ihrer Einschätzung nach nochmals stärker in all seinen Möglichkeiten genutzt werden: »Nicht alle KollegInnen nutzen die Vielfalt unserer Bürowelt. Manche waren nach wie vor sehr an ihre Schreibtische gebunden. Ich glaube, das wird sich nach dieser Erfahrung mit ortsunabhängigem Arbeiten zum Positiven verändern.«

Science-Fiction im Kubus

Trotzdem deutet viel darauf hin, dass in vielen Unternehmen ein hoher Homeoffice-Anteil bestehen bleibt. Immobilienexperten evaluieren bereits den künftigen Flächenbedarf. Bisher zeigte sich der Markt für Gewerbeimmobilien »robust und erstaunlich krisenresistent«, so Stefan Krejci von Remax Commercial Österreich. Eine breite Reduktion ist aktuell nicht in Sicht, eingesparte Flächen werden häufig in attraktive Begegungszonen umgewandelt.

»Der Trend der letzten Jahre, in Büroflächen vermehrt Bereiche für gemeinsames Arbeiten und Soziales zu integrieren, wird durch die aktuelle Situation weiter verstärkt«, sagt Stefan Wernhart, Geschäftsführer der EHL Gewerbeimmobilien GmbH. Da vor allem ältere Bestandsobjekte die Voraussetzungen dafür nicht erfüllen, rechnet die Branche in den kommenden Jahren mit einer Zunahme der Standortwechsel.

Auf der anderen Seite des Globus hat man indessen ganz andere Vorstellungen vom Büro der Zukunft. Der deutsche Stararchitekt Ole Scheeren entwarf für den chinesischen Technologiekonzern ZTE eine urbane Arbeitswelt mit dem verheißenden Namen »Shenzhen Wave«. Statt eines Wolkenkratzers entstand ein Landscraper, jedes Geschoß bietet völlig freie Gestaltungsmöglichkeiten – Bürozellen erklärt Scheeren für aufgelöst.

Kreativoasen statt Büro-Tristesse lautet das Motto, weshalb die Natur kurzerhand ins Innere des Gebäudes übersiedelt: Das diagonal verlaufende Atrium wirkt mit üppig wuchernden Pflanzen wie ein Tropenhaus. Für Luftzirkulation und Begegnungsmöglichkeiten ist in diesem Park-Ambiente reichlich gesorgt. Bis zu 5.000 Menschen sollen hier nicht nur arbeiten, sondern sich »als soziale Wesen entfalten«, so Scheeren: »Das Projekt wurde als ›lebender Organismus‹ konzipiert, der neue Formen des Arbeitens und Zusammenlebens ermöglichen soll.« In dieser autarken Umgebung bleibt die Welt draußen ausgespart. In dem wellenartigen Kubus werden alle Bedürfnisse gedeckt – genau genommen müsste man ihn nie mehr verlassen.


Best Practice: Mehr Flexibilität durch Co-Working

Als Alternative zum Homeoffice berät und begleitet die oberösterreichische Standortagentur Business Upper Austria mehrere Co-Working-Konzepte und unterstützt die Schaffung dezentraler Arbeitsplätze. Erfreulicher Nebeneffekt: die Belebung der Ortszentren im ländlichen Raum.

Foxwork in Hörsching: Das Angebot erstreckt sich von flexiblen und fixen Schreibtischen bis zu Meetingräumen und kleinen Büros. Die Mitgliedschaft kann monatlich gekündigt werden – ideal für Neugründer.

Das Franzi in Sierning: Business funktioniert durch Vernetzung. Deshalb werden hier nicht nur Räumlichkeiten und Infrastruktur, sondern auch Know-how und Erfahrung geteilt. Verschiedene Membership-Pakete stehen zur Wahl.

Workspace Wels: Ob abschließbares Büro oder offener Arbeitsplatz im Großraumbüro – neben den hochwertig ausgestatteten Räumlichkeiten gibt es berufliche Netzwerke und Business Events.

Granitlab in St. Martin: Neben einem loftähnlichen Arbeitsbereich, einem Besprechungsraum und einem Veranstaltungssaal stehen seit kurzem auch zwei 3D-Drucker zur Verfügung.

PostWerkStatt in Ottensheim: Als Erwerbsgenossenschaft organisiert, bietet die Initiative nicht nur Räumlichkeiten, sondern auch vielfältige Beratung für Gründer und Selbstständige.

2Kanter am Linzerberg: Ab Dezember 2021 soll das alte Bauernhaus im Grüngürtel von Linz zu neuem Leben erwachen. Auf zwei Etagen entstehen elf geschlossene Büros mit gemeinsam genutzter Infrastruktur.

Dynacenter in Neufelden: Das Betriebsgebäude der Tischlerei Agfalterer wird revitalisiert und für Mieter geöffnet. Mehr als 2.240 m² stehen großteils barrierefrei zur freien Nutzung zur Verfügung und werden nach den Anforderungen der Mieter gestaltet.

GRZ IT-Center: Beschäftigte des Linzer IT-Unternehmens GRZ können bei Bedarf seit Juni 2020 auch Büroarbeitsplätze in St. Martin im Mühlkreis nutzen. Ihr Arbeitsweg ist dadurch erheblich kürzer, die Work-Life-Balance besser und der CO2-Ausstoß niedriger.

TGW Logistics: Der Logistikspezialist TGW eröffnete in Rohrbach ein zusätzliches Büro, um die Pendelwege nach Marchtrenk bzw. Wels zu reduzieren und neue Arbeitskräfte aus der Region anzusprechen.

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