Freitag, April 19, 2024

Die Konjunktur zieht an, die Konsumausgaben steigen. Allerhöchste Zeit für Unternehmen, ihre Vertriebsorganisation zu optimieren, um die Basis für langfristige Erfolge zu legen. Die Preisgestaltung und ihre psychologischen Raffinessen sollten dabei nicht ausgespart werden.

So erfreulich sah es für Österreichs Wirtschaft schon lange nicht mehr aus: Um 2,4 % soll das Bruttoinlandsprodukt heuer steigen, erstmals seit sechs Jahren liegt das heimische Wachstum damit über jenem der Eurozone. Sollte die Stimmung der Unternehmen und Konsumenten weiter so gut bleiben, könnte sich die Dynamik sogar noch stärker ausprägen.

Österreich profitiert vom Aufschwung der Weltwirtschaft, die Entbehrungen der mageren Jahren sind aber noch deutlich sichtbar. Seit in der Wirtschaftskrise alle Kosten heruntergefahren wurden, agieren viele Unternehmen personell und strukturell am Limit. Im Vertrieb ließ man die Zügel manchmal schleifen – alle Anstrengungen vergebens, die Märkte köchelten auf Sparflamme dahin. Entwickelt sich die Konjunktur jedoch so positiv, wie die Wirtschaftsforscher einhellig prognostizieren, fehlt es diesen Betrieben womöglich an Durchschlagskraft. Um den Startvorteil in eine neue Wachstumsperiode zu nutzen, sollte auch die Organisation von Verkauf und Vertrieb moderner und effizienter aufgestellt werden.

Bild oben: Inken Kuhlmann, HubSpot: »Die Arbeit mit unqualifizierten Leads in Excel-Sheets muss ein Ende haben.«

Das setzt in erster Linie zeitgemäße Steuerungsinstrumente voraus. Digitalisierung lautet auch hier das Schlüsselwort. Laut einer 2016 publizierten Studie der Unternehmensberatung Roland Berger blieb der Vertrieb von der Digitalisierungswelle bislang weitgehend unberührt. 33 % der mehr als 2.700 befragten Vertriebsverantwortlichen bieten ihren Kunden gar keine Möglichkeit zur Online-Bestellung. In nicht einmal der Hälfte der Betriebe war das Bestellen und eine Produktkonfiguration über den digitalen Vertriebskanal des Unternehmens möglich. »Unter dem Schlagwort Digitalisierung verstehen viele Firmen lediglich den Wandel bei Produkten und Produktionsprozessen«, sagt Stefan Hentschel, Industry Leader Technology & B2B von Google. »Dabei umfasst die Digitalisierung alle Unternehmensbereiche. Und gerade der B2B-Vertrieb, also die Schnittstelle zum Kunden, wird bis jetzt vernachlässigt, obwohl hier sehr viel Potenzial steckt.« Steuerte bisher der Vertrieb den Kommunikationsfluss, setzt im Zeitalter des Onlinehandels oft der Kunde den ersten Impuls. Eine moderne Vertriebsstrategie rückt deshalb neue Kontaktpunkte mit den Kunden und deren Bedürfnisse ins Zentrum, so Hentschel: »Das reicht von der intelligenten Aufbereitung von Informationen, sodass sie online leichter gefunden werden können, bis hin zum Online-Chat mit einem Berater.«

Website als Angelplatz

»Kalt-Akquise«, also die Kontaktaufnahme zu potenziellen neuen Kunden, wird immer schwieriger. Unternehmen müssen das Interesse der Kunden wecken und sie zu sich lotsen. Gelingen kann das durch enge Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb, indem etwa kostenlose Info-Angebote wie ein E-Book oder ein Webinar entwickelt werden, für deren Download der Kunde als Gegenleistung seine Kontaktdaten hinterlässt. Aus diesen Datensätzen können Verkäufer sogenannte »qualifizierte Leads« – vielversprechende Kontakte – generieren, die als Basis für weitere Aktivitäten dienen.

Bild oben: Niklas Tripolt, VBC: »Ein effizienter Verkäufer ist viel bei den Kunden.«

Veraltete Kundenkarteien in Excel-Listen oder, noch schlimmer, in Ordnern abgeheftet, haben in einer Welt, die Interaktion fast schon voraussetzt, nichts verloren. Digitale Technologien, die sämtliche Touchpoints mit Interessenten und Kunden steuern und kombinieren, sind ein klarer Wettbewerbsvorteil. So ist es möglich, zum richtigen Zeitpunkt mit für den Kunden personalisierten Inhalten in Erscheinung zu treten. »Die Software sollte eine Schnittstelle zwischen Sales und Marketing herstellen und die Kommunikation zwischen den beiden Abteilungen optimieren«, erklärt Inken Kuhlmann, Senior Marketing Managerin bei HubSpot, einer Softwareplattform für Inbound-Marketing. »Damit die Arbeit mit unqualifizierten Leads in Excel-Sheets ein Ende hat, ist eins klar: Die Digitalisierung muss mindestens für synchrone Daten im ganzen Unternehmen sorgen. Mit einer guten Software kann ich zum Beispiel nachverfolgen, ob und wann bestimmte Kunden kontaktiert wurden, über welchen Vertriebsweg es geschah und was in einem Telefonat besprochen wurde.«

Heiße Kontakte

In zukunftsorientierten Unternehmen, insbesondere bei Start-ups, ist die strikte Abgrenzung – oft sogar Rivalität – der Abteilungen bereits Geschichte. Alle ziehen an einem Strang. Eine sorgfältige und systematische Analyse kann den Vertriebserfolg entscheidend vorantreiben: Das Kauf- und Nutzungsverhalten der Kunden wird ebenso überprüft wie Angebote der Mitbewerber auf den jeweiligen Märkten, Verschiebungen von Vertriebskanälen, die Produktpositionierung und der Produktnutzen. Erfahren Verkäufer im Kundengespräch beispielsweise von einer Anwendung, die noch kein am Markt befindliches Produkt erfüllen kann, besteht hier möglicherweise die Chance zu einer Innovation.

Der Außendienstmitarbeiter ist aufgrund seiner Nähe zum Kunden der wichtigste Repräsentant des Unternehmens. Gleichzeitig ist gerade der persönliche Kundenkontakt die kostspieligste Form des Marketings. »Die beste Chance zu mehr Effizienz ist die Qualität der Kontakte. Ein heißer Lead führt schneller zu einem Auftrag als ein Kaltkontakt«, sagt Niklas Tripolt, Geschäftsführer der VBC Academia Gesellschaft für Erwachsenenbildung. »Ein effizienter Verkäufer ist viel bei den Kunden. Aber: Nichts ist teurer als ein Face-to-face-Gespräch.« Um unnötige Wege zu vermeiden, sei deshalb eine saubere Kundenselektion wichtig, gerade bei Neukunden. Tripolt empfiehlt aber, nicht den Umsatz als Kriterium heranzuziehen: »Das Potenzial muss man für die jeweilige Branche, für das einzelne Unternehmen definieren.«

Bild oben: Stefan Hentschel, Google Deutschland: »Der B2B-Vertrieb wird vernachlässigt.«

Angesichts der guten Konjunkturaussichten rüsten viele Betriebe ihren zusammengestutzten Vertrieb auf – mit neuer IT und Weiterbildung, aber auch personell. Der Support durch den Innendienst, der adminis­trative Arbeiten übernimmt, gewinnt wieder an Bedeutung. Die Zeiten, als jedem Außendienstmitarbeiter ein Kollege im Innendienst zur Seite stand, sind zwar schon lange vorbei. Vielfach muss sich heute ein Außendienstmitarbeiter selbst um die Aktualisierung der Datenbank kümmern, Angebote erstellen und Termine vereinbaren.

Einige Unternehmen, so Tripolt, stellen aber bereits gegensätzliche Überlegungen an: »Wäre es nicht klüger, diese Arbeiten einem deutlich günstigeren Mitarbeiter im Innendienst zu übertragen, damit sich die Verkäufer auf qualitativ hochwertige Kundenkontakte konzentrieren können?« So stockt etwa ein namhafter Büromöbelhersteller derzeit den Innendienst stark auf. Die Verkäufer werden völlig vom Zeichnen der Pläne und Kalkulieren der Projekte entbunden, weil das Knüpfen neuer Kontakte ungleich wertvoller ist – sie bringen letztlich die Umsätze. 

Der beste Preis

Für Unternehmen hat der Preis die größte Hebelwirkung auf die Profitabilität – zugleich ist die Preisgestaltung ein gewisser Unsicherheitsfaktor, hängt doch das Kundenverhalten nicht ausschließlich von der Preishöhe ab. Für Kunden ist der Preis oberflächlich betrachtet das wesentliche Kriterium für einen Kauf. Aber eben nicht immer. »Menschen ticken in diesem Bereich hochgradig irrational«, sagt Preisexperte Roman Kmenta.

Die Preispsychologie versucht, dieses Mysterium zu ergründen und aus Reaktionen der Kunden schlüssige Strategien abzuleiten. Unter den unzähligen Taktiken finden sich bewährte Tricks ebenso wie Verzweiflungsaktionen. Sogenannte »99er«-Preise zeigen in Studien nach wie vor ihre Relevanz. Sie werden ausnahmslos mit »billig« assoziiert. Bei Angeboten à la »Wir bezahlen Ihre Mehrwertsteuer« oder ähnlich hohen Rabatten allerdings »geht sehr viel mehr Geld den Bach hinunter, als bei den Kosten gespart wird«, rechnet Kmenta vor: »Wenn Firmen restrukturieren, wird meist bei den Kosten angesetzt. Wenn ich 10 % an den Kos­ten schrauben kann, bringt das schon etwas. Aber 10 % am Preis zu drehen, bringt deutlich mehr.« Bei niedrigpreisigen Alltagsprodukten und schmalen Margen wirkt sich letztlich jeder Cent auf den Gewinn aus.

Kunden sind zudem gar nicht so preissensibel, weiß Kmenta: »Der Preis hat schon Relevanz, ist aber für die Kaufentscheidung nicht annähernd so wichtig, wie hinlänglich angenommen wird.« Gerade bei Mitnahmeartikeln stellen Kunden in der Regel keine langwierigen Preisvergleiche an, weil sie das Produkt sofort haben wollen. Die Buchhandelskette Thalia hob im Vorjahr die »unregelmäßigen« Centbeträge durchwegs auf 90er-Preise an. Ein Buch kostet zum Beispiel statt 11,50 nunmehr 11,90 Euro. »Eine mutige und durchaus interessante Vorgehensweise«, findet Kmenta: »Für Thalia macht es aber in der Masse einen Riesenunterschied. Selbst wenn die Kunden wissen, das Buch kostet hier 40 Cent mehr, werden es die meisten kaufen. Bei einem Fernseher um 700 Euro könnten 50 Euro Unterschied zu einem Mitbewerber dagegen gefährlich werden.«

Unverschämt, aber begehrt

Wenn eine Preiserhöhung unverschämt ausfällt, kennen Konsumenten manchmal aber keine Gnade. Als der bayrische Hersteller des Öko-Kultdrinks Bionade im Sommer 2008 auf Druck des neuen Mehrheitseigentümers den Preis um 33 % anhob, sorgte das unter Händlern und Kunden für Kopfschütteln. 20 Cent pro Flasche mehr mussten Käufer plötzlich für die Limonade bezahlen, auf dem schwer umkämpften Markt ein riesiger Sprung. Die Antwort des Marktes kam postwendend: Der Absatz brach binnen eines Jahres von rund 200 auf 150 Millionen Flaschen ein – ein Schlag, von dem sich das Unternehmen nicht mehr erholte. »Raffgier« wurde der Geschäftsführung vorgeworfen. Mit dem Verkauf der restlichen Anteile an die Oetker-Gruppe zog die Gründerfamilie 2012 den Schlussstrich.

Stimmt das Image, sind viele Menschen durchaus bereit, auch für teure Produkte noch tiefer in die Tasche zu greifen, selbst wenn Testberichte günstigere Alternativen aufzeigen. »Konsumenten lassen sich gerne durch andere Merkmale von einem höheren Preis überzeugen«, verweist Kmenta einmal mehr auf die Irrationalität der Kaufentscheidungen: »Bestes Beispiel sind Markenprodukte wie das iPhone, das – wie viele meinen – etwa das Doppelte eines technisch adäquaten oder sogar besseren Produkts kos­tet. Trotzdem kaufen viele lieber das mit dem angebissenen Apfel.«


Wie aus Leads Käufer werden

1. Benchmarks definieren: Sammeln Sie Informationen über das Besucherverhalten Ihrer Website: Über welche Seiten kommen Besucher auf meine Website? Welche Keywords funktionieren besser als andere?

2. Nutzererlebnis verbessern:Ihre Website muss vor allem Ihren Kunden gefallen. Eine gut gemachte, übersichtliche Website bietet Besuchern ein hohes Nutzererlebnis und wird die Verweildauer und Aktivität erhöhen.

3. Call-to-Action-Möglichkeiten optimieren: CTAs sind ein gutes Vehikel der Leadgenerierung. Texte und Bilder sorgen zwar für die notwendige Relevanz, aber der Sprung von Interesse zu Kauf erfolgt über aktivierende Elemente, z.B. mittels Download-Button auf ein kostenloses E-Paper oder die Teilnahme zu einem Gratis-Webinar.

4. Sales-Prozess analysieren: Sie sollten den gesamten Prozess der Vertriebssteuerung unter die Lupe nehmen. Bei der Analyse helfen Fragen wie »Wie groß ist das Interesse an den Inhalten?«, »Werden Leads nach Herausgabe der Kontaktdaten optimal bearbeitet?« oder »Kann der Kunde jederzeit mobil Käufe tätigen?«


Preispsychologie

Die Wirkung von Preisen lässt sich anhand des 4-P-Modells nachvollziehen. Dieses Strukturierungsschema wählt das Preisdesign (»Parameter«) als Ausgangspunkt und die wirtschaftlichen Auswirkungen (»Profit«) als Bewertungskriterium an das Ende. Die psychologischen Mechanismen (»Prozesse«), die bei der Aufnahme und Verarbeitung von Preisinformationen wirken, sowie die Reaktion der Kunden (»Phänomene«) als Resultat dieser psychologischen Prozesse bilden den Mittelbau des Modells.

Folgendes Beispiel verdeutlicht das 4-P-Modell:

1. Parameter: Bewertet werden soll eine mögliche Erhöhung des aktuellen Preises von 1,90 Euro auf 1,99 Euro bzw. eine Senkung auf 1,89 Euro.

2. Prozesse: Die kognitive Wahrnehmungstheorie geht davon aus, dass die Preiserhöhung von Kunden kaum, die Preissenkung aber überdeutlich als Reduktion wahrgenommen wird. Ausschlaggebend dafür ist die Enkodierung der Ziffernfolgen von links nach rechts. Werden linksseitige Ziffern nicht verändert, bleibt eine Veränderung der rechtsseitigen Ziffern tendenziell unbemerkt. Ändern sich linksseitige Ziffern, werden rechtsseitige Veränderungen eher überschätzt.

3. Phänomen: Die Preiserhöhung wird die Kaufwahrscheinlichkeit der Konsumenten sehr wahrscheinlich nicht verändern. Die Preissenkung hingegen wird die Nachfrage nach dem Produkt deutlicher verstärken als vermutet.

4. Profit: Abschließend ist zu untersuchen, ob die zusätzliche Marge der Preiserhöhung in Summe den reduzierten Deckungsbeitrag der Preissenkung bei erhöhter Nachfrage übersteigt.

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