Freitag, Oktober 04, 2024

Wenn sich in Familienbetrieben kein Nachfolger findet, stehen meist eine langjährige Tradition und viele  Arbeitsplätze auf dem Spiel.  Ein externer Manager kann beides retten.

In 45.700 Familienunternehmen in Österreich steht bis 2023 das Thema Nachfolge an. Doch nur bei jedem fünften Betrieb ist die Übernahme durch ein Familienmitglied bereits gesichert. War die Nachfolge eines Kindes – meist des erstgeborenen Sohnes als Stammhalter – früher Tradition, die nicht hinterfragt wurde, kehren die Jungen heute dem elterlichen Betrieb zunehmend den Rücken. Insbesondere Studierende möchten lieber in einem anderen Umfeld Karriere machen, wie eine Umfrage der Beratungsorganisation EY an 750 Universitäten in 34 Ländern ergab.

In Österreich nahmen 1.500 Studenten, davon ein Drittel aus Familienbetrieben, teil. Nicht einmal jeder Hundertste will direkt nach dem Abschluss in das Unternehmen eintreten. Selbst nach einer fünfjährigen Pause können sich nur 3,4 % vorstellen, im Familienbetrieb mitzuarbeiten; weltweit ist es ein Fünftel. Damit zählt Österreich weltweit zu den Schlusslichtern. Nur in Schottland, Dänemark, Israel und den USA ist die Lust, sich ins vertraute Nest zu setzen, noch geringer.

»Es kann für einen Familienbetrieb nur von Vorteil sein, wenn die Nachfolger zuerst Erfahrungen auf fremden Terrain gesammelt haben. Wenn sie dann nach ein paar Jahren in das Unternehmen der Familie einsteigen, können sie neue wertvolle Impulse einbringen«, sieht Johannes Volpini, zuständiger Partner für den Bereich »Family Business« bei EY Österreich, die Pläne der potenziellen Nachfolger grundsätzlich positiv. »Allerdings müssen sich Familienunternehmen auch der Gefahr bewusst sein, dass ihre Nachfolger generell eine Laufbahn außerhalb des eigenen Betriebes anstreben und die nächste Generation für eine Übergabe einfach wegfällt.«

Auch innerhalb der Familie brauche es Überzeugungsarbeit und eine frühzeitige Weichenstellung, damit das Unternehmen marktfähig weitergeführt werden könne, so Volpini. Denn an Unternehmergeist fehle es dem Nachwuchs keineswegs: Fünf Jahre nach dem Hochschulabschluss strebt ein Drittel der Befragten die Gründung eines eigenen Betriebes an. Von diesem Entschluss umstimmen, kann sie am ehesten die Aussicht auf attraktive Gestaltungs- und Karrieremöglichkeiten, wie es sie ein großes Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern bietet. Auch eine gute finanzielle Performance wirkt sich auf die Bereitschaft, schon in jungen Jahren daheim mitzuarbeiten, deutlich positiv aus.

Veränderte Familienkultur

Auch wenn sich erfahrungsgemäß trotz anderer Pläne letztlich doch mehr Erben umstimmen lassen, bestätigt ein Blick auf die Plattform des WKO-Gründerservice (www.nachfolgeboerse.at) diese Tendenz: Vielen Unternehmen gehen die klassischen Nachfolger aus der Familie aus. Mehr als 1.300 Betriebe stehen derzeit über die Datenbank zum Verkauf, gleichzeitig sind nur 232 an einer Übernahme Interessierte registriert. »Schon fast die Hälfte der Betriebe kann nicht mehr aus der eigenen Familie nachbesetzt werden«, sagt Rudolf Wimmer, Professor am Institut für Familienunternehmen der Universität Witten.

Die Gründe dafür sind vielfältig, hängen aber stark mit der veränderten Familienkultur zusammen. Es gibt weniger Kinder, denen viel mehr Möglichkeiten offen stehen, ihr Leben zu gestalten und einen Beruf zu wählen. Diese Freiheit wird ihnen in der Regel auch zugestanden. Den Nachwuchs gegen den eigenen Willen zur Übernahme zu zwingen – das gibt es kaum noch. Der wirtschaftliche Druck bereitet zudem vielen Unternehmern Sorgen und lässt das Interesse an einer Betriebsfortführung schwinden, weiß Yann-Georg Hansa, Familienexperte bei KPMG: »55 % der Familienunternehmer beklagen den Rückgang der Profitabilität ihres Unternehmens.«

Enkel in den Fußstapfen

Häufig schieben Unternehmer den Gedanken an den Generationenwechsel hinaus, solange es geht. Laut dem aktuellen »Family Business Austria«-Report der Unternehmensberatung PwC haben nur 22 % der österreichischen Familienbetriebe einen soliden Plan für die Nachfolge. Gerade Eigentümern, die mit viel Herzblut und Leidenschaft das Unternehmen aufgebaut haben, fällt es sehr schwer, ans Aufhören zu denken. So sind es immer öfter erst die Enkel, die in die Fußstapfen der Firmengründer treten. Nicht die schlechteste Lösung, meint Rudolf Krickl, Experte für Familienunternehmen bei PwC Österreich: »Das funktioniert in der Regel besser als eine Übernahme durch die Kinder, die ein Leben lang im Schatten des Übervaters gestanden sind. Denn meist sind Großväter mit ihren Enkeln nachsichtiger und lassen ihnen mehr Freiheiten. Dadurch können diese eigene Ideen besser umsetzen als ihre Eltern.«

Will ein Firmenchef nicht mit 80 noch immer im Geschäft stehen, sollte sich die Familie rechtzeitig Alternativen überlegen und den Weitergabeprozess in Gang bringen. »Das gilt insbesondere für die Inhaber von Unternehmen, die außer von ihrer fachlichen Expertise primär von der Vertrauensbeziehung leben, die sie über viele Jahre zu ihrer Stammklientel aufgebaut haben«, sagt Klaus Kissel, Co-Geschäftsführer von ifsm – Institut für Sales & Managementberatung.

Ein Fremdmanagement ist dabei meist nicht die bevorzugte Variante. Dennoch muss kritisch hinterfragt werden, ob das auserkorene Familienmitglied wirklich fähig und am besten geeignet ist. Treffen nämlich mangelnde Qualifikation und unzureichende Vorbereitung zusammen, kann daraus eine existenzielle Führungskrise entstehen. Im Rahmen einer Leadership-Studie hat die Beratungsgesellschaft Egon Zehnder einen Leitfaden für den Generationenwechsel erstellt.

Ein professionelles Anforderungsprofil, das auch die Werte und Prioritäten des Familienbetriebes umfasst, bildet dabei die Basis. »Hat man die Talente, die man für die Führung sucht, nicht in der Familie, gilt die zweite Präferenz: im eigenen Haus groß gewordene Nicht-Familienmitglieder«, sagt Geschäftsführer Raimund Steiner, Geschäftsführer des Wiener Büros von Egon Zehnder. Erst wenn sich auch hier kein Nachfolger findet, lassen sich die Eigentümer auf ein Abenteuer mit einem außenstehenden Manager ein.

Objektiver Blick

Studienautor Jörg K. Ritter begrüßt diesen Schritt: »Externe Führungskräfte an Bord zu holen, ist unternehmerisch ohnehin sinnvoll, insbesondere mit Blick auf das zunehmend volatile Geschäftsumfeld.« Ein fremder Geschäftsführer könne unabhängig von den unterschiedlichen Interessen und Traditionen in der Familie urteilen. Klare Regeln, was die Anforderungen an den Nachfolger betrifft, und nachvollziehbare Prozesse helfen, die Übergabe professionell zu planen und zu realisieren. Ein Moderator, der den Prozess über mehrere Jahre begleitet, kann mögliche Konfliktpunkte entschärfen. Eine gute Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bietet der Governance-Kodex für Familienunternehmen, der von einer 27-köpfigen Kommission aus Unternehmern und Wissenschaftern erstellt wurde und im Mai 2015 in neuer Fassung in Kraft trat.

Der Kodex ist kein starres Regelwerk, sondern benennt wichtige Themenfelder, um die Unternehmensführung verantwortungsvoll zu regeln.
»Viele erfolgreiche Manager in Familienunternehmen identifizieren sich zutiefst mit Werten und Kultur von Organisation und Eignerfamilie«, meint Ritter. Ob und wie rasch sie tatsächlich »Teil der Familie« werden, hängt jedoch von der Bereitschaft der Eigentümer zu echter Integration ab – bis es keinen Unterschied macht, wer von welchem Blut ist.

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