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Wer lang fragt …

… geht weit irr, wie meine Oma zu sagen pflegte. Fokussierte Ignoranz hätte durchaus ihre Vorteile,
wie aktuelle Begebenheiten beweisen.

Der Leiter der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit AGES, Univ. Prof. Dr. Franz Allerberger, geht im August in Pension. Der rüstige Gesundheitsexperte ist aber immer noch für einen markigen Spruch zu haben. In einem aktuellen Interview für die Ovalmedia-Reihe »Narrative« verblüfft er mit einer nur auf den ersten Blick erstaunlichen Aussage: Auf die Frage, wie diese Epidemie ausgesehen hätte, wenn es keine PCR-Tests gegeben hätte, antwortete der österreichische Top-Experte: Wenn es weltweit keine PCR-Tests gegeben hätte, wäre Corona nach seinem Dafürhalten niemandem aufgefallen.

Es ist jetzt natürlich einfach, spöttelnd mit dem Finger zu zeigen und den Hobby-Epidemiologen raushängen zu lassen, doch bei näherem Überlegen erweist sich Allerbergers Aussage als zutiefst philosophisch, um nicht zu sagen: weise. Wer von uns hat nicht schon einmal die Stirn gekräuselt beim Versuch, den Zen-Spruch mit dem Baum im Wald zu verstehen, der nur dann ein Geräusch macht, wenn jemand zum Zuhören da ist? Wer hat nicht schon über dem Paradoxon der Quantenmechanik meditiert, dass erst der Akt der Beobachtung eines Elek-trons dieses dazu zwingt, sich entweder wie eine Welle oder ein Teilchen zu verhalten?

Diese Lehre des großen und missverstandenen Corona-Theoretikers gilt es auf alle möglichen anderen Bereiche der Realität anzuwenden. Denn ja, er hat schon recht, der Herr Professor: Ohne ein Instrument zum Festnageln der Realität wäre vieles geschmeidiger im Fluss. Stünde zum Beispiel die moderne, auf Gedeih und Verderb der kalten Logik der sogenannten Empirik unterworfene Gegenwart nicht ständig unter Pflicht, etwa die sommerlich warmen Temperaturen per Thermometer festzuhalten und sklavisch in Listen einzutragen, wären sowohl Rekordhitze als auch in weiterer Hinsicht Klimawandel genau die abstrakten Konzepte, die sie letztlich sind. »Heiß isses!« – »Eh.«  Mehr müsste zum Thema nicht gesagt werden, geschweige denn dass Diskussionen oder gar Demonstrationen stattfinden müssten, noch dazu bei der Hitze.

Wie überhaupt allerorten der Mensch Sklave seiner Messbarkeit geworden ist: Der Alkomat zieht willkürliche Grenzen der angeblichen Verkehrsuntüchtigkeit, Stromzähler behaupten unsere Schuld bei Stadtwerken, imaginäre Zahlen auf dem völlig surrealen Gedankenkonstrukt eines »Bankkontos« legen unseren Wert in dieser Gesellschaft fest.

Und auch in der Politik: Was misst eine Stimmauszählung nach einer Wahl schon als den flüchtigen Stimmungszustand einer fluktuierenden Masse irrationaler Wesen, die kaum einen simplen inhaltlichen Test zu den Positionen der wahlwerbenden Parteien auszufüllen imstande wären? Wäre es da nicht gleich besser, zu würfeln, oder sogar die Spitzenkandidaten in blutigen Gladiatorenkämpfen oder im Wetteisessen gegeneinander antreten zu lassen?

Im Ernst: Der Mann hat recht. Wir sollten alle weit weniger messen, dann erginge es uns viel besser. Ohne Thermometer kein Fieber; ohne U-Ausschuss keine Korruption. Der gelernte Österreicher weiß die Welt auch ohne gut einzuschätzen.

Weil: Oasch isses! – Eh.

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