Donnerstag, April 25, 2024
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Foto: Thinkstock

Urlaubszeit ist Auszeit auch von der Welt – aber das Abschalten war schon mal leichter. Eine Postkarte von Rainer Sigl.

Das Handy hab ich als Erstes in den Hotelsafe gesperrt, und zwar nicht nur meins, auch das von der Irmi. Irmi, hab ich gesagt, du bist das Licht meines Lebens, mein allerliebster Lieblingsmensch, aber wenn du beim Frühstück dein Smartphone am Tisch liegen lässt, dann muss ich’s mir einfach schnappen und die Nachrichten lesen und die Forenkommentare und auf Twitter und Facebook die Nachrichten und OH GOTT dann fange ich wieder sofort an zu zittern und bin nicht verantwortlich, wenn ich dich aus Reflex, was weiß ich, anbrülle oder ein bisserl derwürge. Ich sag’s lieber gleich.

Weil einmal im Jahr, für eine Woche nur, will ich eine Ruhe haben vom Lärm der Welt. Ich mein, die restliche Zeit läutet der Wecker und schon bevor ich das erste Mal gegähnt habe, hab ich die Schlagzeilen inhaliert – ich hab früher immer zum Spaß gesagt, ich schau nach, ob eh kein Atomkrieg ausgebrochen ist, aber das ist kein Spaß mehr. Oh nein.

Ich zumindest brauch meistens keinen Kaffee mehr, weil der Blutdruck steigt sowieso, wenn ich die Nachrichten lese, und ein Magengeschwür kann ich mir auch ohne Koffein anzüchten. Jedenfalls bis zum Zähneputzen habe ich angesichts der Klimaerwärmung, der Lage im Nahen Osten, der amerikanischen Innenpolitik, der hiesigen politischen Zustände, der globalen Wirtschaftsaussichten und der mahnenden Worte besorgter Wissenschafter zum Stand antibiotikaresistenter Bakterien genug Adrenalin für den Tag angesammelt, um am Weg zur Arbeit nur mehr Spotify-Playlisten mit Entspannungsmusik zusammenzustellen.

Deshalb: Hier im Urlaub will ich von allem nix wissen! Die Handys kommen in den Safe, im Zimmer und im Frühstücksraum habe ich heimlich nachts den Flatscreen sabotiert und dass die sonst  aufliegenden Tageszeitungen gleich im Altpapier verschwinden, dafür sorgt ein großzügiges Trinkgeld ans Personal.

Nur heuer, ich geb’s zu, will’s mir nicht so ganz gelingen. Die Pflastersteine auf der Baustelle gegenüber erinnern mich an die verrohte Innenpolitik, die solarium-vorgebräunten blonden deutschen Wale am Strand an den Volldillo-in-Chief, wenn ich im Wald ein Häusl seh, krieg ich Zustände und wenn ich aufs Mittelmeer hinausschaue, muss ich immer an die Route denken, bitte, ich bin schon ganz Dings.

Deshalb ist jetzt Radikal-Relaxing angesagt. Es klingt hart, aber ich schaff’s heuer nur dann, mich zu entspannen, wenn ich der blutroten Orange am Boden des dritten Sangriakübels beim langsamen Verrotten zuschaue. Ja, in diesem kurzen Moment, zwischen lockender Bewusstlosigkeit und langsam einsetzendem Peristaltik-Hubschrauber, da ist die Welt noch in Ordnung, denn die Nachrichten und damit die Welt sind dann weit, weit, weit, weit, weit weg.

Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein – und irgendwann bleib i dann durt.

Schönen Urlaub!

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