Donnerstag, April 25, 2024
"Bereit sein,  ein Leben lang zu lernen"
LieberLieber

Peter Lieber ist Unternehmer und Präsident des Verbandes Österreichische Software Industrie (VÖSI). Er spricht über unternehmerische Verantwortung in Ausbildungsfragen und den idealen Typus des »ITlers«.

Report: Der Wirtschaft fehlen IT-Fachkräfte. Oft wird nach Bildungsmaßnahmen gerufen, aber tun auch die Unternehmen selbst genug?

Peter Lieber: Nein, es passiert viel zu wenig in Österreich. Man muss hier aber klar trennen. Ausbildungsverantwortung haben Unternehmen. Bildungsverantwortung haben Bildungseinrichtungen. Wenn Unternehmen also nicht mit dem zufrieden sind, was das Bildungssystem liefert, sind sie in der Verantwortung, selbst als Ausbildner aktiv werden. Sie wissen ja selbst am besten, was sie brauchen.

Jeder, der IT benötigt, kann auch IT-Lehrlinge ausbilden – das betrifft nicht nur Unternehmen aus der IT-Branche. Auch bei Firmen aus anderen Wirtschaftsbereichen – den großen Handelsunternehmen etwa – ist die Lehre ein selbstverständlicher Teil der Ausbildung von Fachkräften. Warum also nicht auch in den IT-Abteilungen? Ich denke, dass Unternehmen gut 10 % der Ressourcen für die Ausbildung aufwenden können. Auf neun MitarbeiterInnen kommt dann ein Lehrling. Das könnten österreichische Unternehmen schon verkraften und damit hätten wir auf der Stelle kein Ausbildungsproblem mehr.

Report: Übernehmen insbesondere IT-Unternehmen zu wenig Verantwortung?

Lieber:
Vielleicht ist Verantwortung das falsche Wort. Die Erwartungshaltung der Unternehmen ist, fixfertig perfekt ausgebildetes Personal vom Markt zu bekommen. Wenn wir in Österreich nun aktuell bis zu 10.000 freie Stellen in der IT haben, gleichzeitig aber mindestens 5.000 arbeitssuchende IT-Fachkräfte – wie kann das sein? Diese Diskrepanz entsteht durch den Mangel am Arbeitsmarkt, wo Unternehmen oft sehr spezifische Skills suchen. Weder Fachhochschulen noch Universitäten können die Berufsbilder in der IT heute bedienen – gerade auch Universitäten sehen das gar nicht als ihre primäre Aufgabe. Welche Technologien ausgebildet werden, ist in der Schnelllebigkeit der IT heute völlig egal – das sagt etwa auch der Studiendekan für Wirtschaftsinformatik der TU Wien Christian Huemer. Also sollten Unternehmen auch jemanden nehmen, der vielleicht nur ein Randthema beherrscht, und dann nach drei, sechs oder mehr Monaten Ausbildung eingesetzt werden kann. Am Ende des Tages geht es um ein Grundverständnis, bereit zu sein, sich ständig weiterzubilden. Aus den Bildungseinrichtungen sollen nicht fertig ausgebildete, sondern lernwillige Menschen rauskommen. Das ist das Beste, das Unternehmen passieren kann.

Auf der anderen Seite kann ich mit jemandem, der 20 Jahre C++ programmiert hat und nichts anderes mehr lernen möchte, wenig anfangen.

Report: Was ist denn ein typisches Weiterbildungsthema für MitarbeiterInnen in der IT?

Lieber:
Wir haben ein Riesenproblem in der IT in der Kommunikation – aktiv zuhören zu können und auf sein Gegenüber einzugehen. Das klingt blöd, ist aber so. Oft sind ITler lösungsorientierte Drachentöter, die ein Problem hervorragend totschlagen können. Wir haben hervorragende IT-Fachleute in der Branche, doch hinhören, was der andere eigentlich möchte, schaffen viele nicht. Wenn dann noch ausschließlich Techniker – also auch auf Kundenseite – miteinander sprechen, kann man schon einmal das Ziel grob verfehlen.
In den vergangenen 20 bis 30 Jahren ist ein Graben entstanden: Früher war die IT im fünften Kellergeschoß abgestellt, heute soll sie im Penthouse mit dem Unternehmensvorstand kommunizieren.

Report: Wie sieht die ideale Führungskraft in der IT aus?

Lieber:
Jemand, der sich sein Leben lang ausschließlich innerhalb der IT bewegt, kommt nur schwer von der Problemlöser-Rolle weg. Erfolgreiche System­architekten und IT-Manager kommen oft von außerhalb, aus ganz anderen Bereichen. Sie bringen einen offeneren, uneingeschränkten Zugang zu IT-Themen, wissen aber trotzdem um die technischen Herausforderungen.

Genau das ist auch das Spannende an dieser Branche. Sie lässt zu, dass man auch ohne technische Fachausbildung in der Lage ist, größere Zusammenhänge zu erkennen. Das sind jene 10.000 Arbeitsplätze, die gesucht werden: IT-affine Menschen, die sich in einer Sprache ausdrücken können, die jeder versteht.

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