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»Bei Förderungen viel Optimierungspotenzial«

\"''InDer niederösterreichische Landesinnungsmeister Bau Robert Jägersberger spricht im Interview über die Rolle der kommunalen Auftraggeber, die Zukunft der Wohnbauförderung und das Risiko, das vor allem private Auftraggeber eingehen, um vermeintlich Kosten zu sparen.

Report: Wie ist 2012 für die nieder­österreichische Bauwirtschaft gelaufen?
Robert Jägersberger: Besser als erwartet. Die vielen negativen Prognosen und die allgemeine Krisenstimmung haben uns sehr verhalten ins Jahr 2012 gehen lassen. Es hat sich aber gezeigt, dass die Bauwirtschaft stabiler ist als befürchtet.  Entwicklungen wie die Eurokrise und die damit verbundene Flucht in Immobilien haben uns da sicher geholfen. Da sind Investitionen getätigt worden, die man so nicht erwarten durfte.

Report: Private Investoren kompensieren also die Zurückhaltung der öffentlichen Hand?
Jägersberger: Ja, aber nur zum Teil. Vor allem für das Gewerbe ist der kommunale Auftraggeber sehr wichtig. Und wenn da aufgrund der angespannten finanziellen Situation die Vorsicht dominiert, dann fehlen natürlich die Projekte, von denen fast jede Gemeinde zwei bis drei in der Schublade liegen hat und die nur auf die Umsetzung warten.

Report: Der Bedarf wäre also gegeben?
Jägersberger: Sowohl in der Erneuerung als auch in der Neuerstellung gibt es in allen Bereichen Handlungsbedarf, von der Infrastruktur bis zu energetischen Maßnahmen.

Report: Woher soll das Geld kommen?
Jägersberger: Im Förderbereich gibt es noch viel Optimierungspotenzial. Es würde schon helfen, wenn die Fördergelder in der Kommune bleiben würden. Da geht es nicht nur um direkte Förderungen, sondern man muss vor allem darauf achten, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt und Arbeitsplätze gehalten und geschaffen werden. Die Bauwirtschaft kann all das garantieren, muss aber auch entsprechend gestärkt werden.

Report: Das heißt Maßnahmen wie die Verlängerung der Schwellenwerteverordnung machen aus Ihrer Sicht Sinn?
Jägersberger: Absolut. Man muss aber aufpassen, nicht den Bock zum Gärtner zu machen. Diese Freiheit kann auch missbraucht werden, indem Firmen aus dem benachbarten Ausland beauftragt werden, die vielleicht etwas günstiger anbieten können. Damit riskieren die Kommunen eine nicht bauordnungskonforme Ausführung ebenso wie Probleme mit der Gewährleistung. Außerdem hat jeder Bürgermeister auch eine soziale Verantwortung gegenüber lokalen Betrieben.

Report: Was kann man dagegen tun, auch als Landesinnung?
Jägersberger: Ich kann keinem Bürgermeister Vorschriften machen, man kann diese Fälle aber an die Öffentlichkeit bringen und so Druck ausüben. Es muss ja jedem daran gelegen sein, dass es den Regionen gut geht. Nur so können wir unser Sozialsystem aufrechterhalten.

Report: Die Nachfrage nach leistbarem Wohnraum steigt. Gleichzeitig stagniert der Neubau österreichweit. In Wien wird eine Mietpreisobergrenze diskutiert. Wie leistbar ist Wohnen in Niederösterreich?
Jägersberger: Niederösterreich hat wie ich glaube ein gutes Förderungssystem. Auch wenn es aus unserer Sicht natürlich schade ist, dass ein beträchtlicher Teil der Mittel in die Subjektförderung fließt. Niederösterreich verfügt in den Ballungsräumen über ein hohes Pro-Kopf-Einkommen, dort gibt es auch einen qualitativ sehr hochwertigen Wohnbau. Schwieriger ist es in den klassischen Abwanderungsgemeinden. Dort gibt es auch  weitere Förderungen, um Wohnraum zu schaffen und die Abwanderung zu stoppen. Aber natürlich besteht die Gefahr, an der Nachfrage vorbei zu produzieren. Wenn ich andererseits nur nachfragegetrieben agiere und nur dort Wohnungen errichte, wo es jetzt schon die Nachfrage gibt, forciere ich damit auch die Abwanderung. Gerade in der näheren Umgebung von Wien wird wieder mehr und mehr direkt vom Plan weg gekauft. Das hat es Jahre nicht mehr gegeben.

Report: Im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen wird auch über die Wohnbauförderung diskutiert. Die Bausozialpartner favorisieren mittlerweile eine bedarfsorientierte Zweckbindung der Wohnbauförderung. Wie würde sich das auf Niederösterreich auswirken?
Jägersberger: Auch ohne dass es dezidiert niedergeschrieben ist, ist schon jetzt der Wille da, es genauso zu praktizieren. Niederösterreich wendet schon jetzt deutlich mehr für die Wohnbauförderung auf, als wir an Mitteln vom Bund bekommen. Es gilt aber, was wahrscheinlich in den meisten Ländern gilt: Man lässt sich nur ungern Fesseln anlegen. Das ist auch nachvollziehbar. Ich denke aber, dass zumindest die Summen, die unter dem Titel »Wohnbauförderung« eingenommen werden, ausschließlich für die Objektförderung zweckgebunden werden sollten. Dass der tatsächliche Bedarf berücksichtigt werden muss, steht außer Frage.

Report: Vor eineinhalb Jahren wurde der Arbeitsmarkt für die neuen EU-Mitgliedsländer geöffnet. Ein erstes Fazit Ende 2011 war nicht so negativ wie befürchtet. Wie sieht es heute aus?
Jägersberger: Niederösterreich hat von der Ostöffnung und der Vergrößerung Europas zweifellos sehr stark profitiert. Wir haben aber immer darauf hingewiesen, dass es gewisse Risiken gibt. Speziell im Baubereich, weil es hier sehr viele Grauzonen gibt. Das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz ist sicher ein richtiger Ansatz, ihm fehlt aber die Durchsetzungskraft. Die Überprüfung und der Vollzug im Ausland sind etwa weiter ungeklärt.
Die Lohnkosten in Österreich sind einfach deutlich höher als im benachbarten Ausland. Und selbst wenn der österreichische Kollektivvertragslohn gezahlt wird, sind die zusätzlichen Abgaben andere als in Österreich und bieten einen Wettbewerbsvorteil.

Report: Wer nutzt diese Vorteile? Nur die Privaten oder auch die öffentliche Hand?
Jägersberger: Die öffentliche Hand, mit einigen wenigen Ausnahmen, Gott sei Dank nicht. Aber viele private Bauherren wollen diese vermeintlichen Preisvorteile nutzen. Die vergessen dann aber oft, dass Fragen der Qualität und der Gewährleistung nicht geklärt sind. Ich kenne Baustellen, wo im Nachhinein das Zwei- bis Dreifache investiert werden musste, um die bestellte Qualität zu erreichen. Aber da sind auch die Bauherren gefragt, nicht blauäugig alles zu glauben und versprochene Qualitäten zu hinterfragen und regelmäßig zu prüfen.

Report: Wo muss man aus Ihrer Sicht den Hebel ansetzen?
Jägersberger: Ich denke, dass man heute zu leicht an einen Gewerbeschein kommt. Da wird auch viel Schindluder getrieben. Auch wenn ich dafür Kritik ernte, wir brauchen in der Baubranche keine 10.000-Euro-GesmbH, sondern eine 100.000-Euro-GesmbH. Damit kann man Jungunternehmer auch vor sich selbst schützen.

Report: Was erwarten Sie von 2013? Wie ist die Stimmung bei den nieder­österreichischen Bauunternehmen?
Jägersberger: Die Stimmung ist verhalten. Die Vollauslastung nach Wochen ging zurück, obwohl die Auftragseingänge leicht gestiegen sind. Das ist ähnlich paradox wie die Tatsache, dass die Arbeitslosenrate am Bau steigt und wir gleichzeitig einen Höchststand an Beschäftigten haben.  Es gäbe genügend Investitionsbedarf in Niederösterreich, nicht nur aufseiten der öffentlichen Hand, auch bei den privaten und vor allem im Gewerbe. Aber da agiert man derzeit auch eher vorsichtig, ich hoffe aber, dass wir das Niveau halten können. Ein Problem sehe ich bei Privaten. Diejenigen, die ihr Geld lieber in Immobilien investieren als es auf die Bank zu tragen, werden uns bald ausgehen. Da muss man schauen, wie viel Investitionen aus diesem Bereich 2013 kommen werden.
Man muss jetzt nicht schwarzmalen, aber einfach wird das nächste Jahr bestimmt nicht. Was wirklich auf uns zukommt, weiß heute aber keiner.

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