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Das Rennen um die Unternehmensnachfolge

Den geeigneten Nachfolger für das eigene Unternehmen finden, fällt vielen schwer. Walter Kaltenbach, Inhaber des auf den technischen Vertrieb spezialisierten Beratungsunternehmens Kaltenbach Training, beschritt einen ungewöhnlichen Weg. Er startete einen mehrstufigen Wettbewerb – mit Erfolg.

Wenn Unternehmer in die Jahre kommen und kein Familienmitglied in ihre Fußstapfen treten möchte, stellt sich für viele die Frage nach dem richtigen Nachfolger. Es droht die Gefahr, dass sich das persönliche Lebenswerk nach ihrem Rückzug in Luft auflöst. Besonders groß ist diese Gefahr bei Dienstleistungsunternehmen, die weitgehend vom Vertrauen ihrer Kunden leben, wie etwa Anwaltskanzleien, Architekturbüros oder Steuerkanzleien. Für sie sind die persönlichen Kundenbeziehungen das größte Kapital. Noch heikler ist es bei Dienstleistern, deren Beruf scheinbar jeder ergreifen kann, weil hierfür kein spezieller Berufsabschluss erforderlich ist – zum Beispiel den Unternehmensberatern. Ihnen fällt es oft schon schwer, einen fachlich ausreichend Kandidaten für die potenzielle Nachfrage zu finden – insbesondere dann, wenn sie auf bestimmte Themen und Kundengruppen spezialisiert sind.

In dieser Situation befand sich im Sommer 2011 auch Walter Kaltenbach, Inhaber des auf den technischen Vertrieb spezialisierten Beratungsunternehmens Kaltenbach Training in Rheinland-Pfalz. Seit Jahren suchte der heute 75-jährige Vertriebsprofi einen potenziellen Kandidaten, der bereit und fähig ist, sein Unternehmen zu übernehmen. Ohne Erfolg. Zwar gab es immer wieder Interessenten und sogar größere Beratungsunternehmen klopften bezüglich einer Übernahme bei ihm an. Doch in den Sondierungsgesprächen zeigte sich meist rasch, dass die potenziellen Kandidaten keine echten Kandidaten waren. Selten aus finanziellen Gründen. Meist scheiterte eine Übernahme daran, dass sich in den Gesprächen rasch herauskristallisierte: Der Bewerber hat vom technischen Vertrieb wenig Ahnung. Oder: Er hat keinen Zugang zur primär mittelständischen Klientel von Kaltenbach Training.

Also arbeitete Kaltenbach weiter, bis schließlich seine Frau den Druck sanft erhöhte, sich endlich um eine Nachfolge umzusehen.

>> Externen Unterstützer engagiert <<

In dieser Situation fiel Kaltenbach der Strategie-Coach Ulrich Mölter ein, den er von Veranstaltungen kannte. Er vereinbarte mit ihm ein Treffen und besuchte ihn mit seiner Frau in Au am Rhein. Dort schilderte Kaltenbach Mölter bei einem Business-Frühstuck sein Anliegen und die beiden Berater tauschten sich noch eher unverbindlich darüber aus, was bei der Nachfolgersuche zu beachten  und was Kaltenbach bei der Übergabe wichtig sei.
Dabei wurde laut Mölter schnell klar: Kaltenbach möchte für sein Unternehmen zwar einen »angemessenen Preis« erzielen. Er möchte es aber nicht »meistbietend veräußern«. Mindestens ebenso wichtig wie der Kaufpreis ist ihm, dass »sein Kind« weiterlebt und seine mittelständische Klientel, zu der Kaltenbach auch eine emotionale Bindung hat, weiterhin gut versorgt wird. Daraus folgte laut Mölter: Der Nachfolger muss Kaltenbachs Grundüberzeugungen teilen – auch damit die Kunden von Kaltenbach Training ihn akzeptieren und ihm vertrauen. »Uns war schnell klar, dass wir dafür eine Vielzahl von Kandidaten brauchen. Zudem benötigen wir ein mehrstufiges Verfahren, um aus der Vielzahl von Bewerbern den besten herauszufiltern«, erklärt Mölter. So entstand die Idee, eine Art Wettbewerb um die Unternehmensnachfolge zu starten. Die Kandidaten sollten sich das Privileg »verdienen«, das Unternehmen Kaltenbach Training zu erwerben.

>> Mehrstufigen Wettbewerb konzipiert <<

Kaltenbach und Mölter begannen, einen Wettbewerb zu planen. Zunächst formulierten sie ein Anforderungsprofil für den künftigen Inhaber. Dann analysierten sie, wo sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Personen stoßen würden, die die Grund­überzeugungen von Walter Kaltenbach teilen – etwa in den Verbänden, in denen er Mitglied ist, oder unter den Teilnehmern an seinen Seminaren oder den Abonnenten seines Newsletters. So entstand allmählich eine lange Liste potenzieller Kandidaten. Parallel dazu konzipierten sie den Wettbewerb. Rasch kamen sie überein, dass dieser aus mehreren Phasen bestehen solle, in denen die Anforderungen an die Kandidaten sukzessiv steigen sollten. Außerdem sollte Kaltenbach im Laufe des Wettbewerbs immer mehr Infos über sein Unternehmen preisgeben. So sollte sich die Zahl der Kandidaten immer weiter reduzieren, bis der »Sieger« ermittelt ist.

Gleichzeitig wurden auch die Kunden vom Wettbewerb informiert. Damit wollte Kaltenbach verhindern, dass die Kunden über Umwege von seiner Nachfolgersuche erfahren. »Das hätte ihr Vertrauen in mich belastet«, ist Kaltenbach überzeugt.

Nachdem das Konzept des Wettbewerbs stand, stellte sich die Frage, wie man die potenziellen Teilnehmer emotional ansprechen konnte. Dabei hatte Ulrich Mölter registriert, dass in den Werbeunterlagen von Kaltenbach Training viele Autosport-Bilder sind. Er fragte Kaltenbach, ob er eine besondere Affinität zum Rennsport habe. Und als Kaltenbach dies bejahte, schlug er vor, den Wettbewerb »Formel 1 der Unternehmensnachfolge« zu nennen. Und die vier Wettbewerbsphasen sollten »Qualifying«, »Start­aufstellung«, »Rennen« und »Siegerehrung« heißen.

>> Überraschend große Resonanz <<

Am 1. Oktober 2011 startete der Wettbewerb. »Aufgrund unserer Vorarbeiten«, erzählt Mölter nicht ohne Stolz, »hatten wir schon in den ersten eineinhalb Stunden, nachdem die Webseite www.Formel1-der- Unternehmensnachfolge.de freigeschaltet war, 160 Besucher auf der Webseite und 19 von ihnen registrierten sich für den Wettbewerb.« Und sechs Wochen später, als die erste Phase, das »Qualifying«, abgeschlossen war, hatten sich 83 Interessenten registriert. Diese Zahl überraschte Mölter und Kaltenbach, weil die Besucher beim Registrieren nicht nur die üblichen biografischen Angaben zu ihrer Person machen, sondern auch schon viel über ihren beruflichen Werdegang preisgeben mussten.  Von den 83 Bewerbern wählten Kaltenbach und Mölter 43 aus, die sie für die nächste Wettbewerbsphase zuließen. Die verbliebenen Kandidaten erhielten in der zweiten, »Startaufstellung« genannten Phase vertiefende Fragen. Nun wurden sie zum Beispiel nach ihrer Führungs- und unternehmerischen Erfahrung gefragt, nach ihren größten beruflichen Erfolgen, aber auch Misserfolgen. Zudem sollten die Teilnehmer beschreiben, was sie zur Trainer- und Beratertätigkeit motiviert.

>>»Heiße« Kandidaten selektiert <<

Für die nächste Runde, das »Rennen«, qualifizierten sich elf Teilnehmer. Von ihnen nahmen letztendlich nur sieben am Rennen teil. Denn zu diesem Zeitpunkt teilte Kaltenbach den Kandidaten nicht nur wichtige Geschäftsdaten seines Unternehmens mit. Er informierte sie auch darüber, wie sich aus seiner Warte die Übernahme – auch finanziell – gestalten könne und welche Punkte hiervon verhandelbar seien und welche nicht. Eine nicht verhandelbare Bedingung lautete: Mein Nachfolger muss nach der Übernahme mindestens für zwei Jahre seinen Wohnsitz in die Nähe des Firmensitzes von Kaltenbach Training in Böbingen verlegen. Hierzu waren mehrere Kandidaten, wie erwartet, nicht bereit. Die verbliebenen sieben erhielten erneut vertiefende Fragen. Zudem mussten sie sich einer Persönlichkeitsanalyse unterziehen. Von den verbliebenen sieben Kandidaten wählten Kaltenbach und Mölter erneut drei aus, die sie für zwei Tage zur Siegerehrung einluden. Dort stellte Walter Kaltenbach den drei Top-Kandidaten, zu denen auch der spätere Sieger Ralph Guttenberger zählte, nochmals genau sein Unternehmen vor. Er informierte sie umfassend über dessen Umsätze und Erträge sowie Fixkosten. Außerdem erläuterten er und seine Mitarbeiterinnen  ihnen die Strukturen und Abläufe im Back-Office. Danach sollten die Kandidaten erneut mehrere Aufgaben lösen, bei denen die zentrale Frage lautete: Wie geht der Kandidat neue Herausforderungen an? Danach erhielt jeder Teilnehmer ein individuelles Feedback.

Am zweiten Tag erläuterte Kaltenbach den Teilnehmern im Detail, wie sich der Übergabeprozess gestalten könne. Dieser lässt sich vereinfacht wie folgt beschreiben: Nachdem der Sieger des Wettbewerbs einen definierten Einstiegspreis bezahlt hat, wird er Teilhaber am Unternehmen Kaltenbach Training und gleichberechtigter Geschäftsführer. Danach beginnt die Einarbeitungs- und Übergabephase von circa zwei Jahren, an deren Ende ihm das Unternehmen ganz gehört. In dieser Zeit arbeitet Kaltenbach weiterhin im Unternehmen mit, wobei die Entscheidungsbefugnisse Schritt für Schritt an seinen Nachfolger übergehen. Hierüber wird ein Vertrag geschlossen. Mit diesem Prozedere erklärten sich alle Top-Kandidaten einverstanden.
Danach fuhren alle Beteiligten zu einem absoluten Top-Kunden von Kaltenbach Training. Dort wurden die Kandidaten von dessen Geschäftsführer und Verkaufsleiter zunächst befragt. Anschließend schilderten sie ihnen mehrere Herausforderungen, vor denen der Verkauf des Unternehmens aktuell steht, und baten die drei Kandidaten, hierfür Lösungsvorschläge zu erarbeiten und ihnen diese zu präsentieren. Danach gaben der Geschäftsführer und der Verkaufsleiter Kaltenbach und Mölter ein Feedback bezogen auf die drei Kandidaten – und zwar hinsichtlich ihrer Person, ihres Auftretens und der Qualität ihrer Lösungsvorschläge.

>> Der »Sieger« wird gekürt <<

Als Sieger ging der ehemalige Jet-Pilot Ralph Guttenberger aus dem Rennen hervor. Als Diplomingenieur für Luftfahrttechnik hat Guttenberger das nötige technische Know-how, um bei technischen Verkäufern auf die erforderliche Akzeptanz zu stoßen. Zudem verfügt er aufgrund seiner Weiterbildungen an der St. Gallener Business School und seiner 21-jährigen Tätigkeit in geschäftsführenden Positionen über sehr viel Praxiserfahrung in den Bereichen Personal- und Unternehmensführung. Anfang April 2012 stand somit der Sieger des Wettbewerbs »Formel 1 der Unternehmensübernahme« fest. Aufgrund noch bestehender beruflicher Verpflichtungen wurde der Eintritt in das Unternehmen mit 1. Jänner 2013 vereinbart.

»Das war ein sehr spannender Prozess«, sagt Kaltenbach rückblickend. Auch weil er sich sehr intensiv mit den Biografien und Persönlichkeiten vieler jüngerer Trainer-Kollegen und Verkäufer befasste. Dabei erstaunte selbst den »alten Hasen« Kaltenbach immer wieder, wie unterschiedlich ihre Persönlichkeiten, beruflichen Stärken und Stationen sowie Triebfedern sind. Gerade deshalb war aus seiner Warte der mehrstufige Wettbewerb so wichtig, um »aus einer Vielzahl von qualifizierten Bewerbern« denjenigen herauszufiltern, von dem er mit 100-prozentiger Überzeugung sagen kann: »Das ist der richtige Mann für mein Unternehmen und meine Kunden, mit denen ich seit Jahrzehnten zusammenarbeite.« 

 

>> Zum Autor:

Bernhard Kuntz ist Geschäftsführer der auf den Beratungsmarkt spezialisierten PR-Agentur Die PRofilBerater, die den Nachfolge-Wettbewerb begleitete und PR-mäßig promotete.

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