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IT ist zu einem Spiegelbild der Unternehmen geworden

Oliver Krizek, NAVAX: »Was der IT fehlt, ist eine starke Standesvertretung, wie sie die Ärzte oder die Baubranche haben.« Oliver Krizek, NAVAX: »Was der IT fehlt, ist eine starke Standesvertretung, wie sie die Ärzte oder die Baubranche haben.«

Oliver Krizek, Eigentümer und Geschäftsführer der NAVAX Unternehmensgruppe, über den Wandel in der Wahrnehmung der IT-Branche und Defizite in ihrem Auftreten.

Von Martin Szelgrad

Report: Herr Krizek, wie hat sich die IT-Branche in den vergangenen Jahren verändert? Wo stehen die Dienstleistungsunternehmen heute in ihrem Selbstverständnis?

Oliver Krizek: Vor 20 Jahren waren ITDienstleister für den Rest der Welt noch Nerds, die rein technisch ausgerichtete Lösungen in den Unternehmen umsetzten. Heute verfügen unsere Kunden selbst über sehr viel Wissen über ihre ITProzesse. Die Unternehmen wissen über ihre technischen Abläufe Bescheid und sprechen mit dem IT-Partner dann über weitere Möglichkeiten in der Verknüpfung von Daten und Abläufen – also letztlich darüber, neuen Nutzen oder gar neues Geschäft zu entwickeln.

Report: Dazu braucht es ein tieferes Wissen der IT-Dienstleister zu den Branchen, die sie ansprechen.

Krizek: Ja, IT-Dienstleister bieten heute auch nicht mehr einen Bauchladen für alle, sondern reduzieren ihr Geschäft auf einzelne Branchen oder bestimmte Kundengrößen. Bei NAVAX hat diese Entwicklung dazu geführt, dass wir uns heute unter anderem auf spezielle Segmente, darunter etwa der Leasing- und Factoringbereich sowie auch das Segment der Kleinbanken fokussieren. Hier geht es nicht nur um ein Verständnis, auf welche Weise Enterprise-Ressource-Planning-Lösungen implementiert werden, sondern auch um Prozessberatung. Dazu ist ein tiefgehendes Verständnis nötig, wie dort die Geschäftsprozesse der Zukunft aussehen. So erfolgt die Ansprache vieler Bankkunden – einer dank IT mittlerweile hochindustrialisierten Branche – nicht mehr persönlich in der Filiale, sondern online über die Banking-Applikation oder andere Kanäle. Auf der anderen Seite treffen die Fachanwender in der Bank immer weniger Entscheidungen freihändig. Sie sind auf IT-Systeme angewiesen, die vollautomatisch Bonitäten und Ratings ermitteln und auswerten.

Auch im Leasingbereich haben wir Kunden, die 80 bis 90 % ihrer Prozesse zu Vertragsgestaltungen automatisiert abwickeln. Diese Unternehmen erwarten entsprechend versierte Kenner der Materie bei ihrem IT-Lieferanten. Unsere Berater sprechen mit diesen Kunden nicht über Software, sondern über Ratingkriterien, Refinanzierungsstrategien und Bonitätsverwaltung.

Im Rahmen unserer »Professional Services« für dienstleistungsorientierte Unternehmen geht es wiederum meist um Projektmanagement und Zeiterfassungslösungen. Themen sind hier die Erfassung und Verarbeitung von Daten, mit dem Ziel, möglichst rasch Ergebnisse zu erhalten. Bei einem Veranstalter von Lehrveranstaltungen geht es wiederum primär um die Erkenntnis, wann Handlungsbedarf besteht, um Seminareinteilungen zu unternehmen. Erfolgte dies früher manuell, passiert dies jetzt automatisch via Eingaben der Trainer und Teilnehmer – inklusive Abrechnung von Trainerhonoraren. Wir haben dazu gemeinsam mit unserem Kunden die Prozesse designt. Überhaupt tritt NAVAX zunehmend als Prozessberater auf.

Report: Bei den Unternehmen ist das Wissen zu den Möglichkeiten der IT nun da, und es betrifft sogar die Ansprache von neuen Mitarbeitern.

Krizek: Viele suchen sich ihren Arbeitgeber mittlerweile auch anhand der zur Verfügung stehenden Endgeräte und Applikationsinfrastruktur aus. Da können veraltete, unflexible IT-Lösungen abschreckend wirken. Die Menschen sind von ihrer IT-Umgebung zuhause einfach zu bedienende Werkzeuge gewöhnt. Wir sehen dazu auch, dass erfolgreiche Firmen eher über eine moderne IT verfügen. Natürlich ist dies auch branchenabhängig zu sehen, aber die IT ist zu einem Spiegelbild der Unternehmen geworden.

Report: Wohin wird sich das Dienstleistungspektrum in der IT künftig bewegen? Was glauben Sie?

Krizek: Der Arbeitsplatz der Zukunft besteht nicht alleine aus IT-Ware, sondern betrifft auch Raumkonzepte und Mobiliar. Ich denke, dass sich auch das Berufsbild der IT-Berater und IT-Dienstleister mittelfristig ändern kann. Wir werden künftig nicht nur Unternehmensprozesse gestalten – und beeinflussen, wie gut ein Unternehmen als Arbeitgeber aufgestellt ist – sondern an Bürokonzepten mitwirken und Gebäude mittels Green IT nachhaltig planen und mitgestalten.

Report: Welche Herausforderungen sehen Sie für das Dienstleistungsgewerbe in der IT und die Branche generell?

Krizek: Ein Problem der Branche ist sicherlich, dass wir in dieser Anfangsphase, in der wir uns immer noch befinden, unsere Leistungen teilweise zu leichtfertig verschleudern. Dies betrifft vor allem die Einzelkämpfer in unserer Branche, die zu Kosten arbeiten, die für ein IT-Unternehmen völlig illusorisch sind. Die Kunden erfahren dann meist leider erst hinterher, wenn die Leistung dieses Anbieters mangelhaft war. Wie in vielen anderen Wirtschaftsbereichen hat sich auch ein großer Teil der Wertschöpfung in der IT längst in Billiglohnländer verlagert. Programmierung ist eine Massenware geworden – ob sie nun mittels Nearshoring in Rumänien und der Ukraine erbracht wird oder per Offshoring in Indien. Programmierleistung ist in Österreich durch unsere kollektivvertragliche Gestaltung kaum noch finanzierbar. Die Kunden sind immer weniger bereit, die Entwicklung von IT-Lösungen aus Österreich zu bezahlen.

Besonders schlimm wird es dann, wenn selbst der österreichische Staat seine Aufträge an die IT-Branche nach dem Billigstbieterkonzept vergibt. Mit dem neuen Bundesvergabegesetz wird sich dies hoffentlich ändern und man wird vielleicht Arbeitsplätze in Österreich erhalten können. Leider haben wir noch immer niemanden, der sich auf hoher politischer Ebene damit beschäftigt, welche Auswirkungen die IT auf unser Leben hat. Viele alteingesessene Politiker unterschätzen, was sich da vor ihren Augen seit Jahren abspielt.

IT-Konzerne wie Apple oder Google sind längst Meinungsmacher und Entscheider in völlig IT-fremden Bereichen – nehmen Sie nur die Musikbranche, Werbung oder Zeitungen her. Was der IT in Österreich fehlt, ist auch eine starke Standesvertretung, wie sie die Ärzte oder die Baubranche seit jeher haben. Ich bin zwar kein Freund von Kammersystemen, aber Fakt ist, dass der IT ein wirkungsvolles Lobbying empfindlich abgeht. IT nimmt einen riesengroßen Einfluss auf unsere Gesellschaft. Die Branche wurde vor 20 Jahren unterschätzt und wird dies immer noch. Das ist vielen Menschen nicht bewusst. Schauen Sie nur einmal, welchen Hintergrund die meisten neuen Dollarmilliardäre haben, oder wie ein kleiner IT-ler wie Eduard Snowden die Weltöffentlichkeit aufrührt. Die Veränderungen durch IT werden wir alle in Zukunft noch viel stärker spüren.

Last modified onDienstag, 24 März 2015 03:57
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