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Es geht klar in diese Richtung

"Wir wissen heute zu 80% nicht, was wir in fünf Jahren verkaufen werden", Thomas Hohenauer, Geschäftsführer Tieto.Bildrechte: Tieto. "Wir wissen heute zu 80% nicht, was wir in fünf Jahren verkaufen werden", Thomas Hohenauer, Geschäftsführer Tieto.Bildrechte: Tieto.

Geschäftsführer Thomas Hohenauer über die jüngste Stärkung des Portfolios bei Tieto und holistische Betrachtungsmodelle in unterschiedlichen Bereichen von Industrie und Wirtschaft.

Report: Wie ist die Wirtschaftslage für Tieto in Österreich?

Hohenauer: Die Marktlage ist inzwischen stabil, es ist wieder Wachstum angesagt. Wir wachsen sowohl in der Mitarbeiterzahl als auch in Umsatzgrößen und haben in der letzten Zeit einige sehr gute Deals abschließen können. In unseren Projekten greifen wir stark auf Nearshore- und Offshore-Konzepte zurück, um auch unsere Kollegen aus Tschechien und Indien vernünftig einsetzen zu können. Diese Flexibilität wird zunehmend zu einem Mehrwert in der Ansprache unserer Kunden. Vorteile sind hier kostenseitig ebenso wie kompetenzseitig.

Report: Um den wesentlichen Industriebereich herauszugreifen, den Sie in Österreich adressieren: Herrscht in der Papierindustrie nach wie vor Konsolidierungsbedarf? Wie ist die Situation dort?

Hohenauer: Der Konsolidierungsbedarf ist da, ebenso der Trend zu einer künftig intelligent vernetzten Produktion. Dabei steht die holistische Sicht auf die Fabrik im Mittelpunkt. Bislang lag der Fokus ja auf der ERP-Welt in den Unternehmen, auf den Bereichen Aufträge und Logistik. Parallel dazu sind die Prozesse in der Fabrik, also wie produziert wird, über »Manufacturing Execution Systems« verwaltet worden. Das ändert sich nun, indem man diese beiden Welten verbindet und Synergien findet. Bei der Prozessoptimierung wiederum wird die Papierproduktion in einzelne Linien zerlegt und simuliert. Der Betreiber sieht vorab die Auswirkungen, die einzelne Entscheidungen bewirken – ob ein Tank übergehen könnte oder ob sich chemische Zusammensetzungen über einen Zeitraum ändern. Die Branche ist hier noch am Forschen, aber es geht klar in diese Richtung. In der Betrachtung aller Systeme – beim Warenwirtschaftssystem angefangen bis hinunter zu Messdaten in der Produktion – geht es darum, Vorhersagen zu treffen und automatisierte Entscheidungsvorlagen zu erhalten. Mithilfe von Data Mining lassen sich anhand von Erfahrungswerten auch künftige Probleme prognostizieren. In der Chemieindustrie und in Raffinerien sind diese Vorhersagemodelle bereits weit verbreitet. In der Papierindustrie herrscht dazu noch großes Potenzial. Dort waren solche Rechenmodelle aufgrund der Nonlinearität der Prozesse technisch kaum bewältigbar. Durch die größere Rechenleistung, die heute zu Verfügung steht, ist dies nun möglich geworden. Auch verändert sich damit die Arbeit der Betriebsmannschaften, welche die Anlagen steuern und bedienen. Der Operator greift nur noch bei außergewöhnlichen Ereignissen ein, und bekommt im Idealfall dazu auch Vorschläge. In einzelnen Prozessbereichen wird es wahrscheinlich in einigen Jahren zu geschlossenen Abläufen kommen, in denen Simulation und Optimierungslösung autonom entscheiden. Ein anderes Thema ist überhaupt die Vernetzung des mobilen Arbeitsplatzes in der Industrie. Denkbar ist, dass Arbeiter in den Anlagen künftig über beispielsweise Google Glass Informationen aufbereitet erhalten und mit Maschinen interagieren. Welche Endgeräte hier das Rennen machen, wissen wir heute nicht. Wir testen jedenfalls neben der Google-Brille auch die Microsoft Kinect für neue Möglichkeiten der Gestensteuerung. Unser Ziel ist, relativ rasch Dinge für unseren Bedarf zu probieren. Tieto hat hier gegenüber anderen sicherlich einen Vorsprung. Und dennoch: Ich behaupte, dass wir heute zu 80 % nicht wissen, was wir in fünf Jahren verkaufen werden.

Report: Wie sieht denn die Vision einer modernen Arbeitswelt in den heimischen Unternehmen aus?

Hohenauer: Es gibt verschiedene Reifegrade, in denen sich Unternehmen dazu befinden. Wenn ich nur einen Aspekt der Vision einer neuen Arbeitswelt herausgreife: Ob und wie Information innerhalb von Unternehmen geteilt wird, ist abhängig von der Unternehmenskultur und der Offenheit in der Zusammenarbeit. Da gibt es Unternehmen, in denen dazu schon große Veränderungen passiert sind. Für Berater ist es wesentlich, diesen Reifegrad zu eruieren und darauf basierend zu arbeiten. Auf der oberen Skala sind hier dann Firmen, in denen auch eine Mitarbeiterbewertung anhand der Bereitschaft, Wissen weiterzugeben, stattfindet. Am unteren Ende herrscht eine Kultur, in der jeder noch sein eigenes Reich abschottet und gegen die Kollegen verteidigt. Für einen solchen Wandel ist aber auch eine passende Umgebung nötig. Arbeiten etwa Vertriebsmitarbeiter mit einem System, das ihre Arbeit praktisch unterstützt, dann werde sie dies gerne nützen. Von einer Transparenz und dem Teilen von Informationen sollten alle etwas haben.

Report: Sie bieten auch Lösungen für den Callcenterbereich. In welche Richtung bewegen sich hier die Lösungen?

Hohenauer: Traditionell spricht man von »Customer Interaction Management« im Callcenter. Wir betrachten in unseren Lösungen gerne das »Customer Experience Management«. Nach wie vor geht es um die Darstellung von Daten zu Kunden und Historie am Arbeitsplatz des Call-Center-Agents. Dabei führen wir in unseren Lösungen für den österreichischen Markt die Kommunikationskanäle Sprache, Mail und Social Media zentral zusammen. Eingaben werden über ein Routing zu unterschiedlichen Kompetenzstellen in einer Firma geleitet. Das heißt: Anfrufe und Schreiben landen gleich bei jemandem, der sie vernünftig beantworten kann. Auch hier geht es um einen holistischen Ansatz, darum, viele Informationen zu kennen. Dies geht so weit, dass über dasselbe System auch Kampagnen in Outbound-Aktivitäten gefahren werden können. Wir sprechen hier nicht nur vom Consumergeschäft, sondern auch vom B2B-Bereich. Gerade dort sollten Unternehmen ihre Zielgruppen besonders gut kennen, um die Richtigen für ihre Produkte ansprechen zu können. Ein Ausrollen dieser Lösungen ist im Zeitalter des Cloudcomputing mit nur wenig Aufwand verbunden, da die Software bereits browserbasiert dargestellt werden kann.

Report: Wie sehen denn Unternehmen in Österreich die Frage, wo Daten in Cloudlösungen gespeichert liegen? Ist ein Speicherort innerhalb der Landesgrenzen etwas, das aktiv gefordert wird?

Hohenauer: Für manche ist die lokale Speicherung sicherlich ein Thema, allerdings nur anfangs. Die Frage ist generell, wie sinnvoll es ist, bestimmte Speicherorte zu garantieren, wenn man gleichzeitig auch die Kostenvorteile einer Cloudlösung abrufen möchte. Technisch ist es bei bestimmten Lösungen gar nicht so einfach zu reglementieren, wo Daten gespeichert liegen. Die Idee hier ist ja auch, dass die Infrastruktur mit dem mobilen Benutzer mitwandern kann. Wenn ich die vielen Cloudlösungen im Bürosoftwarebereich betrachte, etwa von Google oder Microsoft, dann bin ich überzeugt, dass in fünf Jahren 80 % der Mail-Clients in Unternehmen aus der Cloud kommen. Eine zentral gelieferte, professionelle IT-Infrastruktur ist letztlich immer sicherer, als Daten im eigenen Haus gespeichert zu haben.


Zur Firma

Tieto ist der größte nordeuropäische IT-Dienstleister. Das Unternehmen ist durch den Geschäftszweig Produktentwicklung und seine globalen Lieferzentren weltweit präsent. Gegründet 1968, mit Hauptsitz in Helsinki, Finnland, und mit rund 14.000 ExpertInnen firmiert Tieto in über 20 Ländern mit einem Umsatz von rund 1,6 Milliarden Euro. Tieto-Aktien werden an der NASDAQ OMX in Helsinki und Stockholm notiert.

Infos: www.tieto.at

Last modified onDonnerstag, 13 November 2014 15:24
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