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Hoheitsfragen und die Infrastruktur als Code

Hoheitsfragen und die Infrastruktur als Code

Michael Hitzinger leitet als Teamlead Operations den Standort von »The unbelievable Machine Company« in Wien. Der Dienstleister sieht sich als professionelle Mitte zwischen Unternehmens-IT und Cloud-Infrastrukturen.

Die Geburtsstunde der »unbelievable Machine Company«, die von ihren Mitarbeitern kurz »u m« genannt und *um geschrieben wird, ist zehn Jahre her. Damals wurden Cloud-Services von US-Dienstleistern als »next big thing« aufgebaut, aber in Europa noch völlig unterschätzt. Aus dem Umfeld einer Berliner Agentur als eigene IT-Einheit gegründet, fokussiert das Jungunternehmen vom ersten Tag an auf eine eigene Cloud-Infrastruktur. Seitdem werden Technik und Angebotsportfolio in fortlaufenden Evolutionsstufen »immer wieder neu erfunden und gestaltet«, berichtet Öster­reich-Leiter Michael Hitzinger. Er adressiert Unternehmenskunden heute mit den »Werkzeugkoffern« Datacenter-Services und der eigenen *um-Cloud, arbeitet aber auch mit den Toolsets der großen Hyper­scaler, an die man andockt – AWS, Microsoft Azure und Google Cloud Plattform. »Die Unternehmenskunden fordern aber nicht die Lösungen eines bestimmten Herstellers, sondern stellen die Aufgabe und Nutzen in den Vordergrund«, relativiert der Österreicher bei einem Gespräch im Büro in Wien.

Typische Anwendungsfälle im Bereich Big Data sind bei *um der Aufbau und Betrieb von Data Lakes, Analysemechanismen mit Machine-Learning und KI, aber auch die wachsende Verknüpfung mit der IoT-Welt. »Jeder der großen Plattformbetreiber bietet dazu Schraubenzieher, die ihre Stärken haben. Es kommt auf den Use Case an, welches Werkzeug dann verwendet wird«, erklärt Hitzinger.

Ein Riesenthema im Service der Österreichmannschaft ist die Migration von Workloads von »on-premises« in die Wolke, Stichwort »Cloud Transformation«. »Wir begleiten die Kunden auf dieser Reise in die Cloud, unter anderem mit Container-Technologien und der Automatisierung von Infrastruktur – Infrastructure-as-a-Code, mit Blueprints und der Unterstützung von Code-Entwicklung«, zählt der Experte einen Fächer an Möglichkeiten auf – bis hin zur Unterstützung bei Digitalisierungsstrategien. Gibt es ein typisches Projekt? Nein, man arbeite mit Kunden aller Größen, vom Startup bis zum Konzern.

Breite Skala

Ein Beispiel für die Zusammenarbeit mit einem kleineren Unternehmen, das von Wien aus betreut wird, liefert ein App-Anbieter mit – zufällig wieder – Sitz in Berlin. Die Applikation richtet sich an Amazon-Konsumenten in den USA, die unterschiedliche Rabatte und Aktionen darauf verwalten. Das *um-Team berät und begleitet die Arbeit an der Microservices-Architektur dazu. Die Experten unterstützen den gesamten Entwicklungszyklus bis zum Ausrollen auf die Endgeräte. Die Microservices werden mit Container-Technologie gebaut und orchestriert, es kommt zu Interaktionen mit Load-Balancing und auch klassische Datenbanken werden angebunden. Der Unternehmenskunde wird als »cloud native« bezeichnet. Sprich: Der Flexibilitätsbonus, den eine verteilte Infrastruktur in der Wolke ausspielen kann, wird auf dem Applikations-Frontend ebenso wie im Backend genutzt.

Das obere Ende der Größenskala bei den Kunden bildet für die IT-Profis eine große Versicherung, die aktuell beim Aufbau eines Data Lake begleitet wird. »Man versucht hier einen Datentopf aus mehreren verschränkten, weltweit verteilten Datenquellen zu bauen. Die Erkenntnisse aus den Datenanalysen werden dann den verschiedenen Geschäftsbereichen bereitgestellt – abhängig von rechtlichen und regulatorischen Bestimmungen in den jeweiligen Ländern«, beschreibt Hitzinger. Am Tapet stehen Fragestellungen zum passenden Design der Datenarchitekturen, zu geeigneten Technologien – auch Automatisierung – und zu Governance-Themen.

»Generell helfen wird den IT-Abteilungen, die heute vorhandenen vielfältigen Umgebungen wieder auf den Boden, auf eine einheitlich managebare Ebene zu bringen«, setzen Michael Hitzinger und sein Team auf zunehmend auch automatisierte IT-Prozesse in der Multi-Cloud. Diese werden durch die APIs der großen IT-Infrastrukturanbieter und Plattformdienstleister ermöglicht. Wurden früher einzelne Server virtualisiert, geht es nun um die Abstrahierung der Cloud. Man möchte damit wieder die Hoheit über Servicebedingungen zurückgewinnen, indem etwa Workloads bei einem Krisenfall automatisiert über ein anderes Datencenter gespielt werden.


Interview: »Sehen uns als Übersetzer«

Report: Sie sehen automatisierte Prozesse in der IT stark im Kommen, auch bei Cloud-Infrastrukturen. Was kann man sich unter einer »Infrastructure as a Code« vorstellen?

Michael Hitzinger: Beispielsweise muss vor einem Rollout Software ausgiebig mit geeigneten Daten getestet werden. Früher wurden dazu vor Ort Testumgebungen mit möglichst produktionsnahen Eigenschaften hochgezogen. Diese konnten schon einmal 40 bis 50 Server umfassen, die auch entsprechende Kosten verursachten – auch wenn sie nur für den anstehenden Test bereitzustehen hatten. Mit dem Thema Automatisierung kann eine solche Umgebung aber auf Knopfdruck zu- und wieder weggeschaltet werden. Der Anwender muss dann nur noch seinen Code aufspielen, bestenfalls als Artefakt – als lauffähiges Stück Code. In einem solchen automatisierten »Job« wäre dann der Bau der Infrastruktur auf Basis eines Blueprints enthalten, das Einspielen der Testdaten, das Einspielen des Artefakts vielleicht in Form eines Containers, die Ausführung des eigentlichen Tests, und am Ende auch wieder das Löschen dieser Umgebung. Sie wird ja nicht mehr benötigt. Diesen Weg der Infrastruktur-Automatisierung streben wir bei unseren Kunden an.

Report: Funktioniert das in der Praxis so einfach, wie es klingt?

Hitzinger: Wie leicht es funktionieren kann, hängt stets vom Use Case und technischen Faktoren wie etwa den APIs (Anm. »Application Programming Interfaces«) von Cloud-Services ab. Über die APIs adressieren wir eine IT-Infrastruktur und binden sie in den Job ein.

Mit dem Abstrahieren der Testumgebung lässt sich aber auch ein altes Problem von Softwaretests lösen: Auch wenn Anwendungsfälle gründlich im Testlabor geprüft werden, bedeutet das oft nicht, dass eine Software im Produktivsystem ebenso fehlerfrei läuft. Warum also nicht ein zweites Produktivsystem automatisiert in der Cloud hochfahren? Und im Falle des Falles einfach zurück zum alten System wechseln? Letztlich ist so etwas nur eine Frage des Geldes. Habe ich es aber mit geschäftskritischen Applikationen zu tun, kommen andere Faktoren zum Tragen.

Report: Was ist hier der Unterschied zu virtuellen Maschinen, die bereits seit Jahren IT-Infrastruktur flexibilisieren?

Hitzinger: Natürlich hat man früher schon semiautomatisierte IT gehabt – beispielsweise mit einem klassischen VMware-Cluster im privaten Rechenzentrum, der die Ressourcen erhöht hat. Einen kompletten Klon einer Applikationsumgebung darin abzubilden, wäre aber von der Kosten-Nutzen-Rechnung nur schwer möglich gewesen. Über einen Hyperscaler dagegen kann quasi eine beliebige Zahl an Infrastruktur-Einheiten genutzt werden, da ich – wenn ich das automatisiert schaffe – sie ja wirklich nur für die benötigte Zeit bezahle und mich nicht jedes Mal mit dem Implementieren beschäftigen muss. Wenn es dann 300 dieser Umgebungen gleichzeitig sein sollen, ist das genauso möglich, wie nur zehn.

Die Softwareanbieter ziehen hier mit Pricing-Modellen nach, die mitunter auch die Nutzung minutengenau abrechen, oder den Preis je nach verarbeiteten Daten gestalten. Das ist ein wenig auch ein Dickicht, bei dem wir mit unserer Erfahrung gut helfen können. Wir sehen uns bei dieser Reise auch als Übersetzer. Am Ende des Tages muss es für den Kunden schon passen und er sollte sich nicht in Details verzetteln. Manchmal ist auch Semiautomatisierung immer noch besser, falls eine Automatisierung zu aufwendig ist.


Über das Unternehmen:

The unbelievable Machine Company GmbH (*um) ist ein Full-Service-Dienstleister für Big Data, Cloud Services und Managed Hosting. Seit 2018 ist die Muttergesellschaft Basefarm, Teil von Orange Business Services. *um hatte im Jahr 2016 einen Umsatz von 20 Millionen. Der »unglaubliche« Unternehmensname entspringt übrigens einem Bandnamen-Generator, den Gründer Ravin Mehta bei der Taufe seiner Firma 2008 zu Hilfe genommen hatte.

Info: www.unbelievable-machine.com

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