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»Besser früher als später – der beste Zeitpunkt ist jetzt«

Foto: »Wir analysieren, was Menschen daran hindert, effizienter, schneller und besser zu arbeiten.« Foto: »Wir analysieren, was Menschen daran hindert, effizienter, schneller und besser zu arbeiten.« Foto: Cellent

Kenneth Lindstroem ist der neue Geschäftsführer beim IT-Dienstleister cellent. Er ist ­angetreten, um der hiesigen Expertise Flügel zu verleihen – mit KI, Machine Learning, Bot-Systemen und S/4HANA.

Über die Person und das Unternehmen

Kenneth Lindstroem hat mit 1. August 2018 die Leitung von cellent Österreich übernommen und damit die langjährigen Geschäftsführer Thomas Cermak und Josef Janisch abgelöst. Beruflich blickt Lindstroem auf 25 Jahre IT-Erfahrung zurück – auf Kundenseite unter anderem als CIO mit der Verantwortung für SAP-Betrieb, IT-Infrastruktur und R&D-Apps. Bei Wipro, zu der die cellent-Gruppe seit 2016 gehört, ist der gebürtige Däne seit fünf Jahren tätig. Wipro ist in sechs Kontinenten tätig und beschäftigt mehr als 160.000 MitarbeiterInnen. Im Fokus stehen Projekte und Services rund um Digitalisierung, Beratung und Verbesserung von Geschäftsprozessen.

Info: www.cellent.at


Report: Wird es in Österreich eine Nivellierung der Marken der Wipro-Gruppe geben? Was haben Sie im Markt vor?

Lindstroem: Wipro wird an der lokalen Präsenz seiner Unternehmen und der bestehenden Mannschaft festhalten beziehungsweise diese weiter ausbauen. cellent hat einen sehr guten Ruf in der Region Deutschland, Öster­reich und Schweiz. Aber gerade bei internationalen Kunden, die es ja auch in Österreich gibt, können wir noch die Expertise der Wipro stärker einbringen. Es ist mein Auftrag, das breite Portfolio rund um KI, S/4HANA und Analytics näher an die Kunden zu bringen. Die Unternehmen können ganz klar davon profitieren. Allein im Bereich SAP arbeiten bei Wipro 11.000 Berater, davon knapp 400 im deutschsprachigen Raum.

Report: Welche Veränderungen bringt S/4HANA auch für den Beratermarkt?

Lindstroem: S/4HANA bietet die Grundlage für viel Neues, die traditionellen Partnerbeziehungen bei SAP werden aber mit dem Cloud-Geschäft aufgelöst. Waren Unternehmen früher mit ihrem SAP-Implementierungspartner quasi verheiratet, bedarf es nun neuer Geschäftsmodelle und auch neuer Marktplayer. Wir sehen hier einen großen Bedarf an Prozesswissen und auch eine gewisse Rückwärtsbewegung in der Unternehmens-IT – vom Wildwuchs individuell angepasster Lösungen der vergangenen Jahre zu einer Standardisierung auf Cloud-Plattformen.

Wipro hat dazu frühzeitig direkt auch bei SAP angedockt und kann seinen Kunden mit der Expertise zu neuen Produkten wie SAP Leonardo oder Machine-Learning-Modulen entsprechenden Wettbewerbsvorteil verschaffen – und das nicht nur bei großen Unternehmen. Gerade in den nordischen Ländern gibt es dazu viele gute Beispiele, aus denen man lernen kann. Wir gehen dieses Thema auch mit unserem eigenen Digitalisierungsunternehmen Designit strukturiert an. Digitalisierung bedeutet für uns aber nicht nur Technologie, sondern vor allem Kreativität und Veränderung von Geschäftsprozessen und Organisationen, damit sie für die Zukunft gerüstet sind.

Report: Innovation ist also etwas, das man planen kann?

Lindstroem: Innovationen lassen sich schon strukturiert in Gang bringen. Wir helfen den Fachbereichen, Ideen auch nach einem Plan zu entwickeln, zu implementieren und zu verfolgen. Dabei lassen wir die Designit-Teams eigenständig agieren und bieten unseren Kunden damit einen unabhängigen Innovationspartner

Report:Wie würde eine Zusammenarbeit in der Praxis bei einem Unternehmen in Österreich aussehen?

Lindstroem: Designit ist weltweit mit Studios vertreten, im deutschsprachigen Raum neben Berlin auch in München mit über 30 Mitarbeitern. Erste Projekte in Österreich gibt es bereits, etwa im Bankenumfeld und in der Industrie. Darüber hinaus wird Designit im ersten Halbjahr 2019 einen Standort in Wien eröffnen. Daraus ergeben sich auch für cellent Österreich interessante Möglichkeiten in der Zusammenarbeit. Abhängig von der Branchenlösung – Telekommunikation oder Gesundheitswesen zum Beispiel – können wir dann noch Experten aus anderen europäischen Ländern hinzuziehen.

Das Thema dort ist generell die disruptive Veränderung von Märkten und Unternehmen. So hat Designit beispielsweise in einem großen Projekt am Portal von BMW mitgewirkt. Wir betrachten die nötigen Veränderungen aber nicht von innen heraus – aus Sicht von Systemen oder der IT –, sondern aus Anwender- und Kundensicht. Dazu analysieren wir den Arbeitsalltag der Menschen auch über einen Zeitraum von Wochen und Monaten – um zu erkennen, was die Menschen daran hindert, eigentlich effizienter, schneller und besser zu arbeiten.

Report: Können Sie ein Beispiel geben?

Lindstroem: Die Abläufe bei Vorsorgeuntersuchungen für Brustkrebs waren in den nordischen Ländern früher – wie überall – sehr manuell ausgerichtet. Das Krankenhaus Oslo hat in einem Projekt mit Wipro diese Prozesse erstmals voll digitalisiert und dadurch enorm optimieren können. Brauchte es für ein Resultat früher fünf bis sechs Monate, stehen wir heute bei drei Wochen. Diese Zeitersparnis kann den Unterschied zwischen einem großen und kleinen Eingriff machen oder sogar über Leben und Tod entscheiden.

Ein anderes Beispiel, bei dem Designit ebenfalls eingebunden war, sind Prozesse rund um Auftragseingänge bei dem Netzausrüster Nokia. Mit künstlicher Intelligenz konnte genau festgestellt werden, dass Kunden oft die gleichen Produkte – etwa eine Basisstation – bestellen. Bot-Systeme können diese Vorgänge nun bis zu 90 % automatisieren. Diese Optimierung beschleunigt die Prozesse rund um den Auftragseingang von vormals 14 Tagen auf nur noch einen Tag. Dabei werden Formulare automatisch ausgefüllt, dem Menschen viele redundante Vorgänge abgenommen – und das sogar rund um die Uhr. Nokia hat auch festgestellt, dass die Auftragsbearbeitung damit nicht nur schneller, sondern auch qualitativ besser geworden ist.

Report: Erwarten Sie das Auftreten von Bot-Systemen künftig generell in Arbeitsumgebungen? Wird mir diese Technologie auch meine Routineprozesse und repetitive Arbeiten irgendwann abnehmen können?

Lindstroem: Absolut. IBM hat seinen Watson, wir haben unsere »Intellectual Property« namens Holmes. Darin stecken 20 Jahre Erfahrung mit Geschäftsprozessen in Unternehmen und mit Business-Process-Outsourcing. Die Ergebnisse daraus stehen heute als künstliche Intelligenz und Bot-Lösungen allen unseren Kunden zu Verfügung. Unsere cloudbasierte »Digital Experience Platform« – kurz DXP – die vieles zu Machine Learning und Datenanalysen bietet, hat bereits die nötigen Schnittstellen zu gängigen Standardprodukten von SAP, Adobe oder Linux an Bord.

In Österreich haben wir die DXP noch nicht proaktiv in den Markt gebracht. Aber es wird in Kürze erste Proof-of-Concept-Projekte geben. Bot-Lösungen müssen auch nicht nur im Kundenservice oder in der Office-Automation eingesetzt werden. Auch andere Bereiche in der Industrie werden künftig davon profitieren.

Report: Wie geht es den Unternehmen bei der Umstellung auf S4? Wann wäre der beste Zeitpunkt dafür?

Lindstroem: Das ist eine schwierige Frage, die sich einfach beantworten lässt. Da haben wir zunächst SAP selbst, die eine Umstellung bis spätestens 2025 sehen. Bis zu diesem Zeitpunkt läuft der Support für die bestehende Systemlandschaft. Hier kommen wieder die Dienstleister ins Spiel, da die Unternehmen oder SAP allein das aus Ressourcengründen niemals schaffen können. Nehmen wir nur Europa her – eine Region, in der geschätzt 23.000 SAP-Installationen umgestellt werden müssen. Wir empfehlen daher, sich besser früher als später damit zu beschäftigen. Der beste Zeitpunkt ist jetzt. Wir haben auch bereits Erfahrungen mit Neuinstallationen von cloudbasiertem S/4HANA gemacht und wissen um die landesspezifischen Unterschiede bei Kunden in Österreich oder Deutschland Bescheid.

Report: Wie viele Ihrer Kunden haben bereits umgestellt?

Lindstroem: Außer in den Nordics und den USA, wo 70 bis 80 % bereits S/4-Installationen in Betrieb haben, ist der Umstellungsgrad noch sehr gering. Im DACH-Raum hat vielleicht jeder Zehnte die neue Generation aktiv – wenn überhaupt. Das Potenzial ist also da. Im Kleinen betrifft das auch IoT-Umsetzung auf der Leonardo-Plattform. In den Vorreiterländern gibt es schon einige Projekte, aber die Norm ist es noch nicht.

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