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Schritt für Schritt in eine neue Welt

Reto Pazderka und Gernot Silvestri beim Conference-Call mit dem Repirt. Foto: adesso/Silke Polder Reto Pazderka und Gernot Silvestri beim Conference-Call mit dem Repirt. Foto: adesso/Silke Polder

Reto Pazderka, Geschäftsführer adesso Austria, und Gernot Silvestri, Head of Consulting, im Gespräch über Digitalisierungsprojekte in der Krise und warum künstliche Intelligenz und Lösungen dazu alle Unternehmen erfassen werden.

(+) plus: Wie geht es dem Digitalisierungsdienstleister adesso in Österreich?

Reto Pazderka: Seit meinem Antritt als Geschäftsführer vor zwei Jahren ist adesso organisch auf fast die doppelte Größe in Österreich gewachsen. Wir sind als Organisation sehr gesund und haben uns viel vorgenommen. Die Digitalisierung in Unternehmen beginnt damit, dass Menschen miteinander reden. Wir haben mit vielen gesprochen und konnten gute Erfolgsgeschichten mit unseren Kunden entwickeln. 2019 war ein Rekordjahr für adesso Austria und wir sind auch heuer, mit mittlerweile 65 Angestellten, trotz Corona auf einem guten Kurs. Soeben wurde auch unsere Bürofläche am Standort Wien-Simmering verdoppelt. Es war zum richtigen Zeitpunkt, da so unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch bei strengeren Abstandsregeln die notwendigen Abstände im Büro halten können.

(+) plus: Erwarten Sie, dass langfristig die alten Office-Konzepte, die oft wenig Freiraum für Homeoffice geboten hatten, aufgelöst werden?

Pazderka: Es wird sich schon viel ändern. Ich kann für unsere Organisation sprechen: Wir fühlen uns im Büro, beim Kunden und im Homeoffice gleichermaßen wohl – glauben aber nicht, dass Homeoffice für alle Anforderungen die Lösung auf Dauer sein wird. Wir selbst haben den Arbeitsort unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer recht dynamisch interpretiert. Wir schätzen aber, und es ist auch für unsere Arbeit wichtig, dass wir einander persönlich treffen können.

(+) plus: Welche Anforderungen sehen Sie bei Digitalisierungsprojekten generell in Unternehmen? Oft sind Organisationen trotz umfangreicher Beratung nicht in der Lage, ihre Prozesse tatsächlich neu aufzustellen – und zwar so, dass diese von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch angenommen und genutzt werden.

Gernot Silvestri: Es gilt, die Unternehmen zum Wohle aller Beteiligten in die Digitalisierung zu führen, und dabei nicht nur an Automatisierung zu denken. Bei vielen ist das noch ein weiter Weg, mutig die eigenen,  lange eingespielten Unternehmensprozesse infrage zu stellen. Technologie bietet heute sehr viele Möglichkeiten. Um die Bereitschaft zu erwecken, Veränderungen zuzulassen, braucht es aber auch den richtigen Technologiepartner.

(+) plus: Wenn Sie ein Beispiel aus Ihrem Bereich nehmen: Wo sind Unternehmensprozesse tatsächlich in einer Organisation verändert worden?

Silvestri: adesso Austria befasst sich bei vielen Kunden mit den Themen Posteingang und Dokumenten-Management. Eine simple Digitalisierung wäre das Einscannen und Übertragen eines Briefes in ein elektronisches Dokument, das vom Sachbearbeiter an die zuständige Abteilung weitergeleitet wird. Wir bringen aber auch die maschinelle Interpretation der Dokumenteninhalte für eine automatische Weiterleitung ins Spiel. Für den Sachbearbeiter ändert sich mit der Digitalisierung der Aufgabenbereich: Er wird durch die intelligente technische Lösung bei einer wiederholenden, eintönigen Arbeit entlastet und kann sich wieder herausfordernden Tätigkeiten stellen.

(+) plus: Sie wollen auch die »Awareness« für Digitalisierungsinitiativen in Unternehmen und Organisationen steigern. Der Partner und Berater von außen, der gemeinsam mit den Fachabteilungen und der Unternehmens-IT in einem fruchtbaren Wissenstransfer Ideen schafft – kann man das so romantisch sehen?

Pazderka: Diese Zusammenarbeit ist gar nicht zu verhindern. Sie ergibt sich in den Themenstellungen von selbst. Wir sehen, dass es oft eine initiale Hürde gibt, sich mit dem Thema Digitalisierung zu beschäftigen. Ist diese einmal überwunden, steht fern jeder Romantik der starke Wille, diesen Weg weiterzugehen. Man will nicht mehr stehenbleiben oder gar zurück. Wir empfehlen auch nicht, einzelne, voneinander abgeschottete Insellösungen umzusetzen, sondern stets einen Blick auf die gesamte Organisation, auf alle Beteiligten, Prozesse und Themenstellungen zu haben.

Silvestri: Der Wissenstransfer funktioniert in der Praxis in der Regel sehr gut. In einem Projekt mit einem Unternehmen aus der Versicherungsbranche haben wir zunächst mit unseren Anforderungsmanagern unterstützt, alle Aufgaben schließlich aber dem Auftraggeber übergeben können. Für uns war das der Beweis, dass die gemeinsame Arbeit an einer Lösung unseren Kunden am Ende des Tages ermöglicht, diese Tätigkeiten selbst zu erledigen. Dieses beiderseitige Verständnis und Vertrauen kommt dann auch uns, dem Dienstleistungspartner adesso, bei weiteren, künftigen Projekten zugute.

(+) plus: Was haben Sie gemeinsam mit der Wohnbaugenossenschaft Wien-Süd heuer umgesetzt?

Pazderka: Wien-Süd hat in einem ersten Schritt die Digitalisierung des Rechnungseingangs für ihre Finanzabteilung umgesetzt. Mit unserer Lösung »Ephesoft Transact« wurde dieser Prozess gesamthaft digital abgebildet. Das Projekt ist ein gutes Beispiel für die digitale Reise, die Organisationen heute gehen. Wir erreichen hier tatsächlich eine Automatisierungsrate von über 90 %, bei der Papier- und Mail-Rechnungen nicht mehr manuell bearbeitet werden müssen – wir sprechen hier von 50.000 Rechnung pro Jahr.

Die Verarbeitung geschieht voll automatisch bis zur Anknüpfung in das ERP-System. In Zeiten des Lockdown war das ein enormer Vorteil: Die Finanzabteilung konnte ihre Arbeit damit komplett auch von zu Hause aus machen. In einem zweiten Schritt werden nun digitale Baurechnungen für die Automatisierung bearbeitet – es ist eine Rechnungskategorie bei Immobilien-Errichtern, die relativ komplexe Aufstellungen beinhaltet, die auch über interne Workflows überprüft werden müssen.

Silvestri: Organisationen der öffentlichen Hand können ihren Lieferanten die E-Rechnung verordnen, um ihre Prozesse zu beschleunigen. Diese Möglichkeit haben Unternehmen nicht, sie können mit solchen Projekten aber trotzdem ihre Rechnungsläufe standardisieren und automatisieren. Dabei müssen die Rechnungen eben nicht in einem vorgeschriebenen Format übermittelt werden – die digitalisierte Posteingangsstelle übernimmt alle unterschiedlichen Formate.

(+) plus: Wie ist derzeit die Auftragslage in der IT-Branche? Werden durch Corona Digitalisierungsprojekte eher verzögert oder im Gegenteil sogar beschleunigt?

Pazderka: Ein einheitliches Bild am Markt gibt es nicht. In Gesprächen mit unseren Kunden und auch mit anderen IT-Dienstleistern sehen wir, dass die Erwartungen für die nächsten Monate sehr unterschiedlich sind. Wir selbst hatten keine Projektstopps und sehen eine sogar intensivere Nachfrage bei unseren bestehenden Kunden. Auch werden neue Projekte gestartet.

Trotzdem sind Unternehmen in Branchen wie der Industrie, insbesondere bei Automobilzulieferern noch zurückhaltend. Andere wiederum kämpfen so stark mit der gegenwärtigen Situation, dass keinerlei Raum für Modernisierungsprojekte möglich scheint. Mit Spannung sehe ich jetzt den Investitionsprämien entgegen – und ob diese auch bei produzierenden Unternehmen Wirkung zeigen. 14 % Förderung für ein Digitalisierungs- oder Automatisierungsprojekt sind durchaus attraktiv.

(+) plus: Welche Technologietrends sehen Sie für 2021? Welche Themen werden Unternehmen angehen?

Silvestri: Jene, die die Krise überstehen, werden weiterhin Neugeschäft generieren müssen. Hier sind Ansätze für datenbasierte Geschäftsmodelle auf Basis von künstlicher Intelligenz vielversprechend. Wir bieten hier Lösungen aus der adesso-Gruppe, mit denen Unternehmen vertrieblich im B2B-Umfeld unterstützt werden. Das Interesse der Unternehmen, ihre Märkte auszuweiten, ist gegeben.

Heute können für Vertriebstools auch Quellen aus Social Media und jeder andere Internet-Content automatisiert nach branchen- und themenbezogenen Inhalten gefiltert und herangezogen werden, um Leads zu generieren. Mit neuronalen Netzen und KI wird dem Menschen diese aufwendige Arbeit abgenommen. Die Neuro Scoring Engine von adesso liefert auf der Suche nach neuen Kunden in kürzerer Zeit detailliertere Ergebnisse. Der Vertrieb kann dann auf diese Vorarbeit aufsetzen.

Pazderka: Ich sehe KI als derzeit überhaupt spannendsten Bereich für neue Anwendungen, auch wenn Unternehmen in Österreich derzeit noch etwas zurückhaltend sind. Vertriebliche Herausforderungen hat nahezu jede Organisation in irgendeiner Form. Wir haben mit unserer KI-Plattform auf Basis von Microsoft Azure Cognitive Services bereits auch international Erfahrung sammeln können. Gerade in Deutschland tut sich dazu schon einiges. Das Interesse ist jedenfalls da und kann jetzt auch mit Umsetzungen hierzulande in die Praxis gebracht werden.

Zur Person

Reto Pazderka ist seit Juni 2018 Geschäftsführer der Landesgesellschaft Österreich des internationalen IT-Dienstleisters adesso mit Hauptsitz Dortmund. Der Informatiker war zuvor Geschäftsführer von CPB Software und Marketing­leiter bei PL.O.T. EDV.

Gernot Silvestri hat im Juli 2020 die Leitung des Beratungsgeschäfts bei adesso Austria übernommen. Er war über 28 Jahre im Bundesrechenzentrum tätig. Zuletzt verantwortete er den Geschäftsbereich »Product Engineering«.

Last modified onMittwoch, 30 September 2020 11:15
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