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»Nicht KI ist das Problem, sondern der Mensch«

Foto: Alles nur Science-Fiction? Xerxes Voshmgir ist anderer Ansicht: "Dass sich Maschinen verselbstständigen, halte ich für sehr wahrscheinlich." (Bild: TEDxKlagenfurt/Wolfgang Frech) Foto: Alles nur Science-Fiction? Xerxes Voshmgir ist anderer Ansicht: "Dass sich Maschinen verselbstständigen, halte ich für sehr wahrscheinlich." (Bild: TEDxKlagenfurt/Wolfgang Frech) Foto: TedXKlagenfurt/ Wolfgang Frech

Lange Zeit waren die neuen Technologien ausschliesslich ein Thema für Computerexperten. Der Futurist Xerxes Voshmgir hält eine interdisziplinäre Diskussion über Ethik für überfällig.

(+) plus: Welche Rolle wird der Mensch in einer technikgetriebenen Welt einnehmen?

Voshmgir: Das liegt in unserer Hand. Ich bin der Meinung, künstliche Intelligenz ist Teil der menschlichen Evolution. Das klingt vielleicht für manche befremdlich, aber den Begriff »künstlich« haben wir ja gegeben. Es ist eine technologische, keine biologische Intelligenz, wie wir Menschen sie haben.

In Wirklichkeit kann niemand sagen, in welche Richtung die Entwicklung geht. Die Spekulationen werden durch kommerzielle Interessen angetrieben. Letztlich ist die entscheidende Frage, ob künstliche Intelligenz Bewusstsein erlangen kann oder nicht. Viele meinen, das ist nicht möglich.

(+) plus: Stephen Hawking warnte 2014 vor dem Ende der menschlichen Rasse durch KI. Hatte er recht?

Voshmgir: Nicht die künstliche Intelligenz ist das Problem, sondern der Mensch. Wir programmieren sie nach unseren Glaubenssystemen, also liegt es an uns, was wir damit machen.

Im Grunde ist ja auch der Mensch von Algorithmen gesteuert. Die Neurowissenschaften belegen, dass wir Entscheidungen treffen, bevor sie uns bewusst sind. Wir haben alle eine soziale Prägung und handeln danach. Wir sollten also die der künstlichen Intelligenz zugrundeliegenden Daten oder Algorithmen genauer hinterfragen.

(+) plus: In einer aktuellen Oracle-Studie gaben 64 % der Befragten an, einem Roboter mehr zu vertrauen als ihrer Führungskraft. Werden Intuition und Einfühlungsvermögen überschätzt?

Voshmgir: Die meisten Manager sind keine Leader, deshalb sind so viele Mitarbeiter unzufrieden. Wir wissen aber noch gar nicht, ob Maschinen Intuition entwickeln können. Ich glaube schon, vielleicht noch nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Empathie kennzeichnet uns Menschen. In einer Gesellschaft, die das Maschinen-Sein von Menschen fördert, macht es aber keinen Unterschied. Vielleicht zeigt uns das Ergebnis der Studie deshalb auch, wie verkommen wir Menschen schon sind.

(+) plus: Bewertet eine Maschine tatsächlich fairer?

Voshmgir: Auch künstliche Intelligenz ist nicht frei von Vorurteilen, weil die Systeme überwiegend von weißen Männern programmiert werden. Wir sind noch weit davon entfernt, KI in eine Form zu bringen, die langfristig für die Menschheit gut ist.

(+) plus: Automatisierte Anwendun-gen sollen unser Leben und die Arbeit erleichtern, gleichzeitig besteht die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung der generierten Daten. Müssen wir uns mit diesem Risiko abfinden?

Voshmgir: Durch Blockchain-Technologie gibt es die Möglichkeit, die Privatsphäre besser zu schützen. Man kann selbst bestimmen, wer Zugang zu den persönlichen Daten hat, die beispielsweise auch auf eigenen Devices wie dem Smartphone gespeichert sind. In diesem Bereich könnte es schon bald einige Veränderungen geben. Das Potenzial wäre da – leider gibt es Anzeichen, dass sich Blockchain nicht in dem Maß durchsetzt wie erwartet. Es liegt an uns, Unternehmen und Regierungen zu zwingen, unsere Privatsphäre besser zu schützen.

(+) plus: Wie sehen Sie den Einsatz von KI-Systemen zu Überwachungszwecken?

Voshmgir: Keine Technologie ist per se gut oder schlecht. Möglicherweise ist China sogar weniger böse als andere westliche Regierungen. Die nationale Sicherheit ist natürlich wichtig. Wir stehen an einem Scheideweg. Die Technologien schreiten so rasant vorwärts, in Richtung Missbrauch und Kontrolle ist vieles möglich.

Die Entwicklung ist wesentlich tiefgreifender, als wir sie bei der Erfindung der Dampfmaschine hatten. Sie geht weit über eine industrielle Revolution hinaus. Es gibt eine neue Form der Intelligenz, die die menschliche Intelligenz weit überragen kann. Wir müssen uns die Frage stellen: Was bedeutet es, Mensch zu sein?

(+) plus: Die meisten Menschen denken aber zunächst weniger an die Gesellschaft, sondern sehr konkret auf ihre persönliche Situation bezogen, zum Beispiel an einen möglichen Jobverlust.

Voshmgir: Das ist auch berechtigt. Es heißt immer, viele Jobs werden wegfallen, aber auch neue entstehen. Die Wahrheit ist: Wir wissen es nicht. Das hängt davon ab, wie intelligent KI tatsächlich wird.

(+) plus: Maschinen, die sich verselbstständigen, sind ein beliebtes Thema in Science-Fiction-Filmen. Werden damit irrationale Ängste geschürt?

Voshmgir: Das ist Hollywood, ganz klar. Da wird etwas verkauft, damit die Kassen klingeln. Dass sich Maschinen verselbstständigen, halte ich aber für sehr wahrscheinlich. Wenn wir Blockchain-Technologie und eine fortgeschrittene KI miteinander koppeln, schaffen wir intelligente autonome technologische Organismen, die man auch nicht abschalten kann. Jedem Blockchain-Experten ist das bewusst. Wir sind schon fast dort angelangt.

Die Frage ist, ob uns diese Organismen wohlgesonnen sein werden oder nicht. Die Hollywood-Perspektive ist, dass sie es nicht sind. Durch die Unachtsamkeit des Menschen beim Programmieren kann das natürlich passieren. Aber dass autonome Technologien existieren werden, steht ganz außer Zweifel.

(+) plus: Halten Sie es für möglich, dass der Mensch die Kontrolle über seine Schöpfung verliert?

Voshmgir: Absolut. Machine Learning bedeutet ja, dass Maschinen unabhängig vom Menschen immer weiter lernen und eigenständig agieren. Eine Blockchain kann ab einer gewissen Größe nicht mehr gestoppt werden. Bei jeder Entscheidung müssen mehr als die Hälfte der beteiligten Computersysteme zustimmen. Einzig China hat es vielleicht noch in der Hand: Ein großer Teil der Server steht dort.

(+) plus: Sind die Hoffnungen, die man in KI setzt, ebenso wie die Ängste übertrieben?

Voshmgir: Wir haben immer Angst vor dem Unbekannten. Einige Befürchtungen sind berechtigt. Wir sind aber noch weit weg von einem Hollywood-Szenario. Bisher haben sich ausschließlich Computerexperten mit künstlicher Intelligenz beschäftigt, erst jetzt wird es langsam ein interdisziplinäres Feld – was auch dringend notwendig ist. Ethik ist derzeit das Thema auf internationalen Konferenzen. An den Schlüsselstellen gibt es mehr Bewusstsein dafür, als die Bevölkerung glauben mag. Momentan sehe ich eher die Gefahr, dass sich die Menschheit durch Profitgier und Schädigung der Umwelt selbst ausradiert als durch künstliche Intelligenz.

(+) plus: Sehen Sie sich als Mahner?

Voshmgir: Ich sehe auch die Potenziale. Wir könnten viele Probleme durch den Einsatz neuer Technologien lösen. Es gibt diesbezüglich viele Visionen. Künstliche Intelligenz gibt uns die Chance für eine bessere, gesündere, gerechtere Zukunft.

Last modified onDonnerstag, 21 November 2019 08:56

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