Menu
A+ A A-

Alte Sorgen, frischer Mut

Alte Sorgen, frischer Mut

Die Konjunktur flaut ab, die Wirtschaft pendelt sich auf einem stabilen Wachstumsniveau ein. Österreichs Unternehmen blicken recht zufrieden auf 2018 zurück. Doch vor allem in den Bereichen Digitalisierung, Personalentwicklung und Strategieplanung bleibt noch einiges zu tun. Jetzt heißt es dranbleiben!

»Die fetten Jahre sind vorbei«, proklamierte der deutsche Finanzminister Olaf Scholz Anfang Jänner: Das Ende des jahrelangen wirtschaftlichen Aufschwungs in Deutschland sei gekommen. Sollte er Recht behalten, wäre das für Österreich doppelt bitter. Hier zog die Konjunktur später und verhaltener an als beim großen Bruder, zudem ist die heimische Wirtschaft mit keinem anderen Land so stark verbunden. Die Aufbruchstimmung, die sich im Vorjahr endlich auch in den Auftragsbüchern der vielen Klein- und Mittelbetriebe niederschlug, könnte somit bereits wieder abflauen.

Für Unsicherheit auf den internationalen Märkten sorgen politische Faktoren – Stichwort Brexit – ebenso wie der Handelsstreit zwischen den USA und China. Auch Italiens und Frankreichs Instabilität trägt nicht gerade zur Beruhigung bei. Die Kapitalmärkte reagieren sensibel. Bevor die Tinte unter einem Austrittsvertrag zwischen Großbritannien und der Europäischen Union nicht trocken sei, werde es kaum zu einer nachhaltigen Entspannung kommen, meint Stefan Schneider, Chefvolkswirt bei Deutsche Bank Research. Auch Nils Kottke, Vorstandsmitglied im Bankhaus Spängler, positioniert sich im neuen Jahr »zunächst vorsichtig«. Die derzeitige Lage sei deutlich besser als die Zukunftserwartungen: »Die Stimmungsindikatoren haben sich deutlich eingetrübt.«

Bild oben: Erich Pichorner, ManpowerGroup: »Die Digitalisierung beflügelt vor allem IT- und Elektronik-firmen, Finanzdienstleister und Logistiker.«

Belebende Impulse

Trotz dieser Herausforderungen zeigen die Prognosen vorerst noch nach oben. Der positive Trend hält an, wenn auch etwas schwächer als zuletzt. Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny sieht Öster­reich auf einem stabilen Wachstumspfad. Die Wirtschaft befinde sich zwar am Ende der Hochkonjunkturphase, dennoch erwartet die Oesterreichische Nationalbank nach zwei starken Jahren mit plus 2,7 % für 2019 ein Wachstum des realen BIP um 2,0 %.

Wichtigste Stütze der heimischen Konjunktur ist abermals der private Konsum: Die höheren Lohnabschlüsse und der neue Familienbonus werden die Inlandsnachfrage zusätzlich ankurbeln. Auch die Exportwirtschaft sorgt für belebende Impulse, ebenso der Wohnbau – die Zahl der Baubewilligungen stieg in den vergangenen Jahren deutlich an.

Der Arbeitsmarkt präsentiert sich mit sinkenden Arbeitslosenquoten durchaus erfreulich. Einziger Wermutstropfen: Der Fachkräftemangel bremst teilweise die gute Entwicklung; der Beschäftigungszuwachs könnte noch kräftiger ausfallen. Das aktuelle Arbeitsmarktbarometer der Manpower-Group, für das rund 750 Personalisten in Österreich befragt wurden, veranschlagt für das erste Quartal 2019 ein Netto-Wachstum von fünf Prozent. Neun Prozent der Firmen planen noch bis März Neueinstellungen, 83 % wollen die Belegschaft stabil halten. »Österreichs Wirtschaft steht solide da, Konsumfreude der Verbraucher und Investitionstätigkeit sind anhaltend gut, die Arbeitslosigkeit sinkt«, zeigt sich Erich Pichorner, Geschäftsführer der ManpowerGroup Österreich, optimistisch. »In der Logistik und bei den Konzernen werden zu Beginn des Jahres verstärkt Fachkräfte benötigt. Vor allem beflügelt die Digitalisierung hiesige IT- und Elektronikfirmen, Anbieter digitaler Zahlungsverkehrslösungen und Logistiker, die Pakete aus Online-Shops ausliefern.«

Bild oben: Gudrun Heidenreich-Perez, Deloitte: »Bei der Personalentwicklung verlässt man sich noch zu oft auf das althergebrachte klassische Training.«

In sieben von zehn befragten Branchen ist der Beschäftigungsausblick positiv. Am stärksten präsentiert sich der Sektor Finanzwesen und Dienstleistungen (+ 14 %), gefolgt von den Bereichen Öffentliche Hand und Soziales (+ 10 %) und Bauwesen (+ 8 %).
Während der Brexit in anderen Branchen bereits seine Schatten vorauswirft, profitiert die Finanzwirtschaft augenscheinlich von der Unruhe. »Große internationale Finanzunternehmen setzen verstärkt auf den Wirtschaftsstandort Österreich. Besonders Experten für Bankenregulierung, Controlling und Zahlungsverkehr werden gesucht«, erklärt Pichorner. »Neben etablierten Betrieben entstehen jedoch auch mehr junge Fintechs, um im Bereich Blockchain und Digitalisierung neue Lösungen anzubieten. Fachkräfte stoßen hier auf breites Einstellungsinteresse.«

Einen negativen Beschäftigungsausblick verzeichnen nur die Sparten Land- und Forstwirtschaft, Energieversorgung sowie Gastronomie und Hotellerie. Der Bereich Sachgütererzeugung liegt derzeit noch im Plus (+ 3 %), befindet sich jedoch am absteigenden Ast: Nur 6 % der Unternehmen wollen neues Personal einstellen, im Vorjahr waren es noch 17 %.

Job-Boom hält an

Seit 2007 wurden in Österreich 480.000 zusätzliche Jobs geschaffen. Nur in Deutschland und Frankreich waren es mehr. Allein 2018 kamen rund 81.000 neue Stellen dazu. Laut Prognose der Beratungsgesellschaft EY dürften heuer weitere 50.000 Arbeitsplätze entstehen – damit belegt Österreich in der Eurozone den siebenten Platz. Auch wenn der Aufwind am Arbeitsmarkt etwas an Schwung verliert, sollte die Zahl der Beschäftigten in der gesamten Eurozone 2019 einen neuen Rekordwert erreichen. Dennoch liegt erst in sechs Eurozonen-Ländern, darunter Deutschland und Belgien, die Arbeitslosenquote unter dem Niveau des Vorkrisenjahres 2007. »Die gute Wirtschaftsentwicklung der vergangenen Jahre hat zwar europaweit Millionen Menschen in Lohn und Brot gebracht – allerdings fiel der Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt regional sehr unterschiedlich aus«, erläutert Gunther Reimoser, Country Managing Partner von EY Österreich. »Heute sind die Unterschiede zwischen den Eurozonenländern deutlich größer als vor der weltweiten Finanzkrise und der anschließenden europäischen Schuldenkrise, was erheblichen sozialen und politischen Sprengstoff birgt.«

Österreichischs Wirtschaft sieht auch Reimoser »in guter Verfassung«. Die Zeichen stehen weiter auf Wachstum – auch bedingt durch den technologischen Wandel. Viele Unternehmen investieren derzeit stark in die Digitalisierung ihrer Produktion, Prozesse und Geschäftsmodelle, arbeiten gleichzeitig aber noch auf recht traditionelle Art und Weise. Ein Ende des Job-Booms sei deshalb absehbar, so Reimoser: »Die echten Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt werden erst im Lauf des kommenden Jahrzehnts sichtbar werden. Ein Teil der heutigen Jobs kann und wird automatisiert werden und damit verloren gehen.« Investitionen in Ausbildungswege für höherqualifizierte Jobs seien deshalb unumgänglich.



Maschine statt Mensch

Recruiting und Empowerment sind weiterhin die zukunftsweisenden Themen des Personalmanagements. Fachkräfte und Talente können sich heute aussuchen, wo sie gerne arbeiten möchten. Kleine und mittelständische Betriebe sehen sich gegenüber großen Unternehmen, die scheinbar über unbegrenzte Summen für Marketing und Benefits verfügen, oftmals im Hintertreffen. Doch selbst Konzerne wie die ÖBB müssen sich vor allem im Technikbereich intensiv um Nachwuchskräfte bemühen: »Hier konkurrieren wir stark mit anderen technischen Unternehmen«, bestätigt Silvia Angelo, Vorstandsdirektorin der ÖBB-Infrastruktur.

Schon eine persönlichere Ansprache der KandidatInnen und eine optimierte Auswahl der Medienkanäle können die Außenwirkung des Unternehmen verstärken. Unternehmen sollten ihre Besonderheiten und ihre Werte herausstreichen, allerdings ohne Hochglanz-Politur. Authentizität und Ehrlichkeit haben im Employer Branding oberste Priorität. Gerade weil Fachkräfte rar und begehrt sind, müssen Fehlbesetzungen möglichst vermieden werden. 80 % der MitarbeiterInnen schauen sich rasch wieder nach neuen Jobs um, wenn Unternehmen ihre Employer-Branding-Versprechen nicht einhalten.

Der Cultural Fit ist der entscheidende Faktor gegen hohe Fluktuation und innere Kündigungen. Einige Arbeitgeber suchen bereits gezielt nach BewerberInnen, die in kultureller Hinsicht gut zum Unternehmen passen und Entwicklungspotenzial zeigen. Die fachliche Qualifikation ist nur die Basis – darüber hinaus müssen sich Personalisten überlegen, auf welche Skills sie besonderen Wert legen. »Was macht zum Beispiel einen guten Signaltechniker aus, abgesehen von bestimmten Ausbildungsvoraussetzungen? Um das herauszufinden, müssen Unternehmen eigentlich eine Performanceanalyse machen, also überlegen, wer ihr bester Signaltechniker ist und was seine Arbeitsweise ausmacht«, erläutert Tim Weitzel, Leiter des Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Universität Bamberg.

Aktive Personalsuche

Bild oben: Gunther Reimoser, EY: »Die echten Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt werden erst im Lauf des kommenden Jahrzehnts sichtbar.«

Mit der Digitalisierung verändert sich der Bewerbungsprozess grundlegend. Galten teilautomatisierte Verfahren früher als »unmenschlich«, setzt sich nach und nach die Überzeugung durch, dass die Auswahl mittels Algorithmen transparenter und unvoreingenommener ausfällt.

Auch diverse Versuchsreihen mit Bewerbungsgesprächen via Chatbot legten die Schwächen der Personalauswahl offen. »Wir wissen aus unzähligen Studien, dass Personalverantwortliche oft nach Stereotypen entscheiden, auch wenn ihnen das in vielen Fällen selbst nicht einmal bewusst ist. Der Computer hat keine Vorurteile, er achtet allein auf die Eignung und Fähigkeiten«, sagt Weitzel. Aus gutem Grund würden sich vor allem Frauen lieber von einem Roboter einstellen lassen.

Durchwegs alle Kandidatinnen und Kandidaten schätzen jedenfalls die raschere Bearbeitung ihrer Bewerbung. Denn noch immer halten viele Unternehmen eine zeitgerechte Antwort – egal ob positiv oder negativ – nicht für notwendig und führen damit ihre Bemühungen, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, ad absurdum. »Die Zeit zwischen Bewerbungsabgabe und Unternehmensantwort ist seit 20 Jahren unverändert«, kritisiert Weitzel. »Wir haben uns alle daran gewöhnt, dass alles immer schneller und mit wenigen Klicks geht. Warum nicht auch im Recruiting?«

Bei der tatsächlichen Stellenbesetzung dominieren Internetbörsen und die eigene Unternehmenswebseite. Jede zehnte Stelle wird bereits über Active Sourcing besetzt, wie die Recruiting-Trendstudie 2018 der Uni Bamberg im Auftrag von Monster Worldwide Deutschland ergab. Das Recruiting über Social-Media-Kanäle kann die Erfolgschancen bei der Suche nach passenden MitarbeiterInnen sogar verdoppeln.

Bild oben: Tim Weitzel, Universität Bamberg: »Die Zeit zwischen Bewerbungsabgabe und Unternehmensantwort ist seit 20 Jahren unverändert.«

Learning on the Job

Das Thema Matching ist auch deshalb so brisant, weil Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern künftig größere Handlungsspielräume zugesprochen werden. Um diese ausfüllen zu können, brauchen sie das nötige Wissen, Können und Motivation. So können beispielsweise Servicemitarbeiter eigenständig Lösungen für individuelle Kundenprobleme suchen und umsetzen. Anreizsysteme animieren dazu, die Komfortzone zu verlassen und selbst Entscheidungen zu treffen – denn das Zugestehen eines eigenen Verantwortungsbereiches allein bedeutet noch nicht, dass Mitarbeiter diesen auch nutzen wollen. Voraussetzung dafür ist die Förderung entsprechender Kompetenzen, etwa Analysetechniken für Lösungsprozesse oder Kommunikationsstrategien. Auch die Rahmenbedingungen im Unternehmen müssen stimmen: Die MitarbeiterInnen benötigen Einblick in übergeordnete Zusammenhänge. Fehler dürfen nicht bestraft werden, nur so kann ein Klima des Vertrauens entstehen. Kontinuierliches Lernen ist die Basis für erfolgreiche Innovationen.

Das Geschäftsumfeld wandelt sich, auf Veränderungen muss rascher reagiert werden. Strukturen und Prozesse sind aber häufig noch nicht agil genug. »Bei der Personalentwicklung verlässt man sich noch zu oft auf das althergebrachte klassische Training. Dabei kann kontinuierliches Learning-on-the-job viel effektiver sein. Die Bereitschaft dazu ist gerade im mittleren und oberen Management vielfach schon vorhanden. Dieses Potenzial muss genutzt werden«, meint Gudrun Heidenreich-Perez, Senior Managerin bei Deloitte Österreich.

Digitale Reife bringt Erfolg

Im digitalisierten Umfeld verändern sich auch die Anforderungen an Führungspersonen, wie eine gemeinsame Studie von MIT Sloan Management Review und Deloitte zeigt. Für den »Digital Business Report« wurden mehr als 4.300 Führungskräfte in 123 Ländern befragt. 30 % der Teilnehmer attestieren ihren Unternehmen einen hohen digitalen Reifegrad, 44 % befinden sich mitten im Transformationsprozess. Laut Deloitte zeichnet digital reife Unternehmen ein zentrales Merkmal aus: Sie entwickeln digital affine Führungspersonen auch aus den eigenen Reihen. Diese schaffen ein innovationsförderndes Arbeitsumfeld und ermutigen MitarbeiterInnen, alte Denkmus­ter abzulegen und über bestehende Strukturen hinweg zusammenzuarbeiten.


Die Weichen stellen

1. Problembetrachtung: Stellen Sie sich die Frage, was im abgelaufenen Jahr gut funktioniert hat und was nicht. Stagnieren Ihre Geschäftszahlen? Arbeiten Sie vorwiegend mit Bestandskunden? Braucht Ihr Webauftritt eine Auffrischung? Ziehen Sie einen externen Berater hinzu – Außenstehende sehen meist klarer, wo und woran es hapert.

2. Wettbewerbsanalyse: Nehmen Sie die Mitbewerber unter die Lupe, lernen Sie aus deren Fehlern und holen Sie sich Inspirationen für neue Produkte oder Dienstleistungen, Öffentlichkeitsarbeit und Recruiting.

3. Stärken-Schwächen-Analyse: Was macht Ihr Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz besonders? Wo verlieren Sie den Anschluss an wichtige Entwicklungen? Die eingangs durchgeführte Problembetrachtung liefert dazu Anhaltspunkte, befragen Sie aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

4. Marktanalyse: Es lohnt sich, in regelmäßigen Abständen das aktuelle Angebot und die Nachfrage für ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung zu prüfen. Der Markt verändert sich rasant, neue Technologien bringen Mitbewerber und Kundenbedürfnisse in Bewegung.

5. Umfeldanalyse: Um die geschäftlichen Möglichkeiten abschätzen zu können, muss das politische, wirtschaftliche, soziokulturelle und technologische Umfeld einbezogen werden. Ist eine wichtige Gesetzesänderung geplant, die Ihr Unternehmen betrifft oder Chancen eröffnet? Welche Produkte liegen im Trend? Befindet sich die Branche im Aufwind?

6. Zielsetzung: Formulieren Sie ein realistisches Ziel für 2019 und platzieren Sie dieses gut sichtbar im Büro. Es dient als Fokus, wenn die Hindernisse und das Alltagsgeschäft im Laufe des Jahres überhand nehmen sollten.

7. Meilensteine: Meilensteine bestimmen Ihren Fahrplan und führen wie ein roter Faden zum großen Jahresziel für 2019. Definieren Sie, was Sie wann erreicht haben möchten, und erstellen Sie einen entsprechenden Maßnahmenplan, der kleinere Etappenziele vorsieht.

8. Risiken: Nicht alle Ausgaben sind stabil und können schon zu Beginn des Jahres kalkuliert werden. Waren- oder Rohstoffpreise können Schwankungen unterliegen, ein wichtiger Kunde plötzlich wegfallen oder ungeplante Kosten auftreten. Rechnen Sie einen Puffer für mögliche unvorhergesehene Belastungen ein.

9. Digitalisierung: Im digitalen Zeitalter ist es unerlässlich, Geschäftsprozesse verstärkt digital auszurichten, um konkurrenzfähig zu sein. Ist Ihr Unternehmen noch traditionell aufgestellt, investieren Sie in eine fundierte Digitalstrategie – es ist höchste Zeit!

back to top