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Die USA wissen wie es geht

»Die Industrie braucht ein modernes Bildungssystem und leist- und verfügbare Energie«, so voestalpine-CEO Anton Eder. »Die Industrie braucht ein modernes Bildungssystem und leist- und verfügbare Energie«, so voestalpine-CEO Anton Eder.

Im Interview mit Report(+)PLUS geht voestalpine-CEO Wolfgang Eder kritisch mit den Bemühungen der EU zur ReIndustrialisierung ins Gericht und erklärt die Beweggründe für die Aktivitäten der voestalpine in den USA. der Abwanderungsprozess der Industrie aus Europa werde nur schwer zu stoppen sein.

(+) Plus: Welchen Stellenwert hat die Industrie Ihrer Meinung nach derzeit in Europa bzw. in Österreich?

Wolfgang Eder: Da muss man wohl zwischen dem faktischen Stellenwert und jenem, der ihr von der Politik zugestanden wird, unterscheiden. Die tatsächliche Bedeutung einer starken Industrie für eine Volkswirtschaft zeigt sich in der Entwicklung seit der »Krise« 2008/09 sehr eindrucksvoll. Jene Länder, die über einen hohen Industrieanteil verfügen, etwa Deutschland und Österreich mit rund 20 %, haben sich, nicht zuletzt in Bezug auf Wachstum und Arbeitsmarkt, deutlich besser geschlagen als Staaten, die ihre Zukunft vor allem in einer Dienstleistungsgesellschaft gesehen haben. Die Industrie trägt durch breite direkte und indirekte Beschäftigungseffekte bei vor- und nachgelagerten Industrie- und Dienstleistungspartnern zu einer vergleichsweise hohen Stabilität des Arbeitsmarktes bei, trägt die duale Berufsausbildung, ist ein wesentlicher Partner von Universitäten und Forschungseinrichtungen und leistet die weitaus größte Wertschöpfung – über 3 Mrd. Euro im letzten Geschäftsjahr alleine durch den voestalpine-Konzern – in Österreich.

(+) Plus: Die EU bemüht sich um eine Reindustrialisierung Europas. Wo sehen Sie aktuell die größten Hürden für die Industrie in Europa?

Eder: Die EU produziert Unmengen von Papieren und Absichtserklärungen, in denen eine »neue industrielle Revolution« ausgerufen wird. Gleichzeitig geht der Industrieanteil, der nach ihren eigenen Zielsetzungen eigentlich bis 2020 auf 20 % steigen soll, sogar kontinuierlich zurück und lag zuletzt schon unter 15 %. Die Kommission, aber vielfach auch das Europäische Parlament, handeln in der Realität anders, als sie sich das selbst in ihren Ankündigungen vornehmen. Vor allem die Kosten und Verfügbarkeit von Energie, ein nicht funktionierendes und wettbewerbsverzerrendes Emissionshandelssystem und der immer schwierigere Zugang zum Kapitalmarkt sind die Hauptgründe dafür, dass zunehmend ganze Branchen ihre Produktion und damit auch die Technologien der Zukunft in andere Regionen verlagern. Europa muss endlich handeln, sonst wird es nach der politischen über kurz oder lang auch seine wirtschaftliche Bedeutung in der Welt verlieren.

(+) Plus: Welche Maßnahmen müssen auf nationaler Ebene gesetzt werden, um die Industrie in Österreich zu stärken?

Eder: Schlüsselfaktoren wie ein modernes Bildungssystem sowie leist- und verfügbare Energie sind künftig mehr denn je die Grundvoraussetzung dafür, dass die Industrie eine Zukunft hat. Die Reduktion der Kosten der staatlichen Verwaltung und des Sozialsystems unter gleichzeitiger Effizienzerhöhung sowie die Reform des Pensionssystems mit dem Ziel einer deutlichen Steuer- und Abgabenverringerung sind weitere wichtige Maßnahmen zur Wiedererlangung bzw. Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Aber all diese Themen sind nicht neu, wir erleben hierzulande einfach einen ständig zunehmenden Reformstau, statt die Probleme mutig und ambitioniert zu lösen; sie werden damit nur immer größer.

(+) Plus: Die Investitionen der voestalpine in Texas haben für viel Aufsehen gesorgt. Was haben die USA Europa in der Stadortfrage voraus?

Eder: Im Unterschied zu Europa sind sich die USA der Bedeutung einer starken Industrie mittlerweile wieder bewusst und bemühen sich konsequent und professionell um eine Reindustrialisierung. Zudem ist die wirtschaftliche Dynamik ungleich höher als in Europa, die USA werden heuer erstmals seit längerem wieder mehr zur globalen Wirtschaftsleistung beitragen als China. Dennoch gibt es auch dort eine Reihe von Hausaufgaben zu lösen, vor allem in der Budgetpolitik, wenn dieser Aufschwung stabil und nachhaltig sein soll. Für den konkreten Standort in den USA, der ganz spezifische Kriterien erfüllen musste, sprachen vor allem die langfristig gesicherte Versorgung mit preisgünstiger Energie, die politische Stabilität, die Kalkulierbarkeit der Standortentwicklung und die Rohstoffversorgung sowie die vorteilhaften Absatzrouten in die ganze Welt mit direkter Hochseeanbindung. Nur um die Größenordnung zu verdeutlichen, bei der Energie sprechen wir nicht von Rundungsdifferenzen: In Europa kostet die Megawattstunde Gas das Drei- bis Vierfache, bei Strom liegen wir in Österreich um ein Drittel über dem Niveau in den USA. Und brauchbare Industriegrundstücke kosten in Europa das Zehn- bis Zwanzigfache. Der ökologische Rahmen ist in den USA mindestens gleich streng wie in Europa, nur bei CO2 geht man einen anderen Weg. Im Übrigen werden wir alle unsere im Konzern gültigen, international beispielhaften Umwelt- und Sicherheitsstandards natürlich auch an unseren Standort in Texas anlegen.

(+) Plus: Hat die Industrie in Österreich und in Europa Zukunft?

Eder: Diese Frage lässt sich aus heutiger Sicht seriöserweise nicht beantworten. Tatsache ist, dass aus den dargestellten Gründen eine zunehmende Dynamik in Richtung anderer Regionen einsetzt, die vielleicht ein Umdenken in Gang setzen wird. Sicher bin ich mir da aber absolut nicht. Und bald wird dieser Abwanderungsprozess auch nicht mehr umzukehren sein, da er permanent an Dynamik zunimmt. Und auch der Glaube, Europa könnte zumindest als Innovationsstandort bestehen bleiben, ist für mich eine Illusion. Forschung und Entwicklung erfolgen letztlich dort, wo produziert wird – und es kommen uns damit zusehends ganze Branchen nicht nur als Produktions-, sondern auch als Entwicklungspartner abhanden, von der Abwanderung bestqualifizierter, junger Menschen ganz zu schweigen. Auch unsere Internationalisierung, vor allem nach Asien und Nordamerika, ist kundengetrieben. Wir müssen den Kunden in die Wachstumsmärkte folgen und können nicht aus Sentimentalität alleine in Europa verhaftet bleiben.

(+) Plus: Wie müsste eine ambitionierte EU- Industriepolitik aussehen?

Eder: Die aus meiner Sicht wichtigsten Punkte habe ich vorhin bereits erwähnt, hohe Energiekosten und erschwerter Zugang zu Finanzmärkten werden ja selbst im jüngsten Kommissionsbericht als Hauptursachen für den Rückgang des Industrieanteils genannt. Wir haben in Europa Wachstumsperspektiven zu schaffen, wir haben aber auch das Thema Jugendarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Es braucht mutige, klare Ziele, handlungsfähige politische Strukturen und vor allem den Willen zu handeln – verbunden mit Optimismus und Zuversicht.

Last modified onDonnerstag, 14 August 2014 11:24
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