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»Es fehlt der Mut«

sonja zwazl: ''Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben sich bei der Beschäftigung als stabiler Faktor erwiesen.''Sonja Zwazl, Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederösterreich, über die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt, freie Grenzen und das Sparbudget.

(+) plus: Niederösterreich liegt mit einer Wachstumsprognose von 2,1 Prozent klar über dem Bundesschnitt von 1,8 Prozent. Dennoch ist die finanzielle Situation vieler KMU noch recht angespannt. Mit welchen Maßnahmen unterstützen Sie diese Unternehmen?

Sonja Zwazl: Mittlerweile wurden die Prognosen österreichweit sogar noch angehoben, Konsum und Exporte laufen gut. Und auch bei den Betrieben wird die finanzielle Situation wieder besser. Seitens der Wirtschaftskammer Niederösterreich gibt es eine ganze Fülle von Unterstützungen für die Betriebe, ob es nun etwa um das Erobern neuer Märkte, Innovationen oder auch Finanzierungsfragen geht. Unter anderem haben wir ein eigenes Vergabehandbuch aufgelegt, durch das gerade KMU in der Region bei öffentlichen Vergaben besser zum Zug kommen sollen.


(+) plus: Die geringe Eigenkapitalausstattung der Betriebe führt zumeist zu Schwierigkeiten bei der Kreditvergabe. Basel III wird die Vergabekriterien noch einmal verschärfen. Wie können die Unternehmen aus diesem Teufelskreis entkommen?

Zwazl: Auch hier ist eine gewisse Entspannung feststellbar, sowohl bei den Kreditvergaben, wo wir in ständigen Gesprächen mit den Banken sind, wie auch bei der Eigenkapitalausstattung der Betriebe. Laut der jüngsten Untersuchung der KMU Austria ist die Eigenkapitalquote der KMU mittlerweile im Schnitt auf rund 25 Prozent gestiegen und damit um 1,3 Prozentpunkte höher als zuletzt. Aber vor allem bei Kleinstbetrieben ist es bei den Eigenmitteln immer noch sehr knapp.

Wir müssen daher sehr genau darauf achten, dass sich die Situation mit Basel III nicht wieder verschärft – mit negativen Folgen für Wachstum, Investitionen und Beschäftigung. Und Europa darf nicht wieder den Fehler machen, sich als Musterschüler zu präsentieren, während etwa die USA nicht mitziehen. Das darf es nicht nochmals geben, weil wir uns damit selbst im internationalen Wettbewerb schwächen. Dazu gehört auch, dass eine eigene europäische Ratingagentur überfällig ist.

 

(+) plus: Viele Unternehmen haben infolge der Krise ihre Investitionen zurück geschraubt. Personelle Engpässe werden vorwiegend mit Leiharbeitern gedeckt. Fehlt noch das Vertrauen in eine nachhaltige Erholung der Konjunktur?

Zwazl: Das Vertrauen steigt, muss aber natürlich noch weiterwachsen. Außerdem muss man sehen, dass unsere Firmen wirklich alles unternommen haben, auch unter schwierigen Bedingungen ihre Belegschaft zu halten – wobei das Kurzarbeit-Modell sehr hilfreich war. Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben sich bei der Beschäftigung als stabiler Faktor erwiesen. Und mit April 2010 ist die positive Trendwende auf dem Arbeitsmarkt auch statistisch sichtbar. Seither haben wir in Niederösterreich Monat für Monat mehr Beschäftigte und weniger Arbeitslose als im Jahr davor.


(+) plus: Sie haben sich persönlich sehr für die Verlängerung der gelockerten Vergaberegeln öffentlicher Aufträge bis Ende 2011 eingesetzt. Warum ist Ihnen dieser Bereich so ein großes Anliegen?

Zwazl: Öffentliche Aufträge sind gerade in schwierigen Zeiten eine ganz wesentliche Konjunkturstütze und ein wichtiger Stabilitätsfaktor, vor allem auch für die Regionalwirtschaft. Mit den gelockerten Vergaberegeln haben gerade auch kleinere und mittlere Betriebe in der Region eine bessere Chance, an diese Aufträge heranzukommen. Das tut dem gesamten Standort gut. Denn vitale Betriebe sind das Herzstück lebendiger Regionen.


(+) plus: Das kürzlich beschlossene Bundesbudget bringt für Unternehmen keine neuen Steuern, die geplanten Sparmaßnahmen zulasten der Familien könnten sich nach Ansicht von Experten aber negativ auf die Kaufkraft und damit auf die Umsätze heimischer Betriebe auswirken. Wie zufrieden sind Sie mit dem Budgetpaket?

Zwazl: Mittelmäßig. Einerseits ist es gelungen, drohende Belastungen wie eine Vermögenssteuer, eine höhere Einkommens- und Körperschaftssteuer oder eine Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer, die vor allem unsere Familienbetriebe massiv belastet hätte, zu verhindern. Andererseits fehlt mir in der finanziell so entscheidenden Pensionsfrage der Mut. Die extrem teure und ungerechte »Hacklerregelung« wird etwa bis 2050 wirken. Das kann einfach nicht sein. Solange das Pensionsproblem nicht ernsthaft angegangen wird, so lange fehlt mir – bei aller Unterstützung für die Notwendigkeit der Budgetkonsolidierung – das Verständnis für neue Belastungen und Steuererhöhungen.


(+) plus:
Ab 1. Mai 2011 gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit der EU. Auch alle neuen EU-Bürger dürfen dann in Österreich ohne Beschäftigungsbewilligung arbeiten. Mit welchen Erwartungen sehen Sie dieser Änderung entgegen?

Zwazl: Mit nüchternem Realismus. Weder werden unsere Betriebe damit ihren Facharbeitermangel lösen können, noch werden wir von zusätzlicher Konkurrenz geradezu überschwemmt werden. Das geht auch deutlich aus einer Umfrage hervor, die GfK Austria im Auftrag der Wirtschaftskammer Niederösterreich bei Unternehmen und Experten in Tschechien, der Slowakei und Ungarn durchgeführt hat. Für unsere Wirtschaft ist wichtig, weiter voll auf Qualität zu setzen. Und außerdem erwarte ich, dass seitens der Behörden die Einhaltung der Regeln nach der Öffnung effizient kontrolliert wird. Es braucht faire Spielregeln. Es darf nicht so sein wie im Straßenverkehr, wo Österreicherinnen und Österreicher, die sich nicht an die Regeln halten, selbstverständlich bestraft werden, ausländische Raser aber oft ungeschoren davonkommen.


(+) plus:
Die Wirtschaftskrise hat eine Abkehr von rein materiellen Werten hin zu einem neuen Bewusstsein für Mitarbeiterpotenzial und Selbstreflexion bewirkt. Welche Fähigkeiten sollte eine Unternehmerpersönlichkeit mitbringen?

Zwazl: Die blau-gelben Betriebe haben ihre unternehmerische Verantwortung immer sehr ernst genommen, sorgen für eine hervorragende Lehrlingsausbildung und wissen, dass ihre gut qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unverzichtbar für den Erfolg sind. Da hat sich nichts geändert. Dafür sind die Faktoren für gute Unternehmerpersönlichkeiten umso vielfältiger. Für mich gehören jedenfalls Offenheit für neue Entwicklungen und Innovationen, Kreativität, Leistungsbewusstsein und Freude am Betrieb dazu.

Last modified onMittwoch, 26 Januar 2011 13:24
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