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Zum Unternehmer geboren

Nicolas G. Hayek rettete als Mr. Swatch die Schweizer Uhrenindustrie.Eine gute Idee, ein goldenes Händchen oder einfach Leidenschaft – was macht einen erfolgreichen Unternehmer aus? Und was können wir von großen Unternehmer­persönlichkeiten der Vergangenheit lernen?


Nicolas G. Hayek, Schöpfer der legendären Billiguhr Swatch, starb Ende Juni »völlig unerwartet«, wie es in der Aussendung des Unternehmens hieß, im Alter von 82 Jahren in seinem Büro in Biel an Herzversagen. Der ungebremste Arbeitseifer ist nur eine Eigenschaft, die Hayek mit vielen charismatischen Unternehmerpersönlichkeiten teilte. Mit seinem selbstbewussten Auftreten, offenem Hemdkragen, Zigarre und mindestens vier Uhren an den Armen entsprach er aber so gar nicht dem Klischee eines Schweizer Geschäftsmannes. Der gebürtige Libanese galt als Retter der Uhrenindustrie, seit er mit der 1983 kreierten Kultmarke Swatch eine Antwort auf die Massenkonkurrenz aus Fernost fand.

Mr. Swatch, wie sich Hayek gerne nannte, traf mit seiner Idee genau den Zeitgeist. Inzwischen gibt es rund 5.000 Modelle, von denen insgesamt etwa 370 Millionen Stück verkauft wurden. Einige der Uhren erzielen heute als Sammlerobjekte Höchstpreise auf diversen Tauschbörsen. Obwohl er die Konzernleitung 2003 an seinen Sohn Nick übergab, tüftelte Hayek bis zuletzt unermüdlich an seinen Ideen. Sein Traum von einem umweltfreundlichen Auto scheiterte in den 90er-Jahren: Kooperationspartner Mercedes bestand darauf, den Smart mit herkömmlichem Motor statt mit Hybridantrieb auszustatten.

Aus Fehlern lernen
Christian Wodon.  »Entscheidungen lassen sich nicht auslagern.«»Gerade Misserfolge machen einen Unternehmer doppelt klüger«, meint Christian Wodon, Leiter des Gründerservices der Wirtschaftskammer Wien. »Viele berühmte Unternehmerpersönlichkeiten zeichnete eine gewisse Sturheit aus. Ihre Biografien sind selten geradlinig verlaufen, sondern weisen Brüche auf.« Wodon nennt als Beispiel Dietrich Mateschitz, der seinen Energiedrink Red Bull vorab durch eine profunde Marketingstudie abtesten ließ. Das Ergebnis verhieß ihm kaum Marktchancen – Mateschitz machte dennoch weiter und behielt Recht. Diese Beharrlichkeit, gepaart mit sichtbarer Begeisterung für die Geschäftsidee, ist Teil des Erfolgsrezepts. »Eine extrovertierte Persönlichkeit hat in manchen Branchen sicher Vorteile«, sagt Wodon. Gleichzeitig Produzent, Verkäufer und Buchhalter zu sein, könne viele Jungunternehmer überfordern. »Aber wer Projekte planen kann, ist schon gut aufgestellt.« Bei einigen Gründern stellt sich in der Beratung heraus, dass betriebswirtschaftliche Kenntnisse kaum oder gar nicht vorhanden sind. In solchen Fällen rät die Wirtschaftskammer, einen Partner zu suchen, der die fehlenden Qualifikationen kompensiert. Denn Auslagerung ist für Christian Wodon keine Lösung: »Ich kann zwar die Buchhaltung an einen Steuerberater abgeben, muss aber trotzdem unternehmerische Entscheidungen treffen.« Neben kaufmännischem und rechtlichem Know-how ist auch gewisses Verhandlungsgeschick unentbehrlich.

Bauchgefühl

»Universalgenies gibt es nicht. Es ist keine Schande, sich mit Leuten zu umgeben, die in fachlichen Dingen besser sind als ich«, meint Hans Peter Spak, Geschäftsführer der Hink Pastetenmanufaktur. Er ist gut damit gefahren, wie seine Erfolgsbilanz zeigt. 1974 übernahm Spak das elterliche Feinkostunternehmen mit der Leitmarke »Gabelbissen« und baute es durch Zukäufe sukzessive aus. 2006 verkaufte er das Unternehmen an Mautner-Markhof, holte sich den Betrieb drei Jahre später aber wieder zurück. Inzwischen hatte Spak 2007 gemeinsam mit seinem Sohn Peter den Wiener Traditionsbetrieb Hink Pasteten übernommen, die Produktion modernisiert und das verstaubte Image durch neue Rezepturen aufpoliert. Heute gilt das Unternehmen unter Gourmets als Geheimtipp. Die Entscheidungen über Zu-, Ver- und Rückkauf beruhten letztlich auf Spaks Instinkt. »Ich habe mein ganzes Geschäftsleben immer aus dem Bauch heraus entschieden«, erteilt der leidenschaftliche Unternehmer weisen Management-Ratschlägen eine Abfuhr.


Für Wirtschaftsprofessor Nikolaus Franke ist das Vertrauen auf das richtige Gespür kein Widerspruch zu betriebswirtschaftlichem Denken: »Der Bauch wird ja auch gefüttert. Bis ein Bauch sagt ,Das ist eine gute Gelegenheit‘, spielen sich im Kopf blitzschnelle Bewertungskonzepte ab. Und die funktionieren natürlich besser, wenn man Know-how über Strategien, Marktzugänge etc. hat.«

Blick für das Große
Vor allem braucht man aber, so Franke, »ein Gespür für das große Bild, the big picture. Der erfolgreiche Unternehmer ist kein technikverliebter Bastler, sondern meist ein Umsetzer, der den Markt sieht, die Vision hat und erkennt, worin eine große Chance liegt.«

Die Spitzenköchin Sohyi Kim verwirklichte ihren Traum, ein eigenes Lokal, »mit Hartnäckigkeit«, wie sie erzählt. Zwarstammt die gebürtige Koreanerin aus einer Gastronomiefamilie, selbst hatte sie jedoch in Wien eine Modeschule absolviert und versucht, sich als Designerin einen Namen zu machen. »Mit 14 oder 15 hat man andere Dinge im Kopf, als nach Knoblauch und Zwiebeln zu riechen«, sagt die quirlige 45-Jährige. Erst später entdeckte sie ihre wahre Berufung. Die »private« Kochlehre bei ihrer Mutter, die in Südkorea ein Gourmet-Restaurant betreibt, zählte auf dem Papier nicht. Entsprechend skeptisch zeigten sich Banken und Wirtschaftskammer – ohne Ausbildung und Erfahrung erschien den Experten das Unterfangen als allzu waghalsig. »Aber wenn man Ziele wirklich erreichen will, dann glänzen die Augen ganz anders«, so Kim. Zunächst eröffnete sie eine Sushi-Bar. Der große Durchbruch gelang ihr aber 2001 mit dem winzigen Lokal »Kim kocht« – nur 24 Sitzplätze – hinter der Wiener Volksoper, in dem sie Asia-Küche modern interpretierte. Ihre sprudelnde Leidenschaft für Gewürze und Experimente machte Sohyi Kim zum gern gesehenen Gast in deutschen TV-Kochshows.

Mit Leidenschaft
»Ein Unternehmen zu führen, ist schwer«, sagt Kim rückblickend. »Es ist besser, klein anzufangen – anders als beim Filetieren von Fischen: Da lernt man zuerst an großen Fischen, erst später kann man auch kleinere filetieren.«
Ein völlig neues Produkt sei für den Sprung in die Selbständigkeit nicht unbedingt erforderlich, meint Gründungsexperte Christian Wodon: »Der Erfolg liegt vielmehr darin, Bewährtes gut und effizient umzusetzen.« Gerade der Dienstleistungsbereich berge großes Potenzial: »Der Preis spielt für die Kunden keine Rolle, wenn sie sich gut behandelt fühlen.« Sohyi Kim eroberte mit Kreationen wie »Thunfisch mit Grammeln« die Herzen der Wiener, ihre Tische sind auf Monate im Voraus reserviert. Ihr Motto: »Für jeden Gast wie für einen Freund kochen.«

Oberster Botschafter in eigener Sache sollte der Unternehmer selbst sein – stets in der Lage, die Geschäftsidee in wenigen Sätzen zu umreißen. Die Begeisterung muss spürbar sein. Denn wenn der Chef selbst nicht restlos überzeugt ist, warum sollen dann potenzielle Kunden davon überzeugt sein? »Ein guter Unternehmer muss seine Mitarbeiter und den Markt begeistern können. Selten wird ein neues Produkt mit offenen Armen empfangen«, sagt Nikolaus Franke, der an der Wirtschaftsuniversität Wien das Institut für Entrepreneurship und Innovation leitet. »Ohne Fähigkeiten in der Vermarktung geht das ganz schlecht. Sie werden keinen erfolgreichen Entrepreneur finden, der ein verhuschter Sonderling ist und nur im Kämmerlein tüftelt.«

Handschlagqualität
Der französische Begriff »entrepreneur« für das Unternehmertum stammt aus der Militärgeschichte und bezeichnete das Aufklärungskommando eines kleinen Spähtrupps. Auskundschaften, Neuland betreten und Risiken eingehen – auf die Wirtschaft übertragen, erfordert dies Tatkraft, Selbstdisziplin, Zielstrebigkeit, Weitsicht und Verantwortungsbewusstsein. Gerade Letzteres gerät zunehmend in Vergessenheit, meint der Vollblutunternehmer Hans Peter Spak: »Die Handschlagqualität geht immer mehr verloren.« »Die Beziehung unter den Menschen war früher viel intensiver«, bestätigt auch Gründerservice-Leiter Wodon. »Den Seniorchef, der die meisten Mitarbeiter ihr ganzes Arbeitsleben lang gekannt hat, gibt es heute kaum mehr.«

Verträge, wie sie der deutsche Erfinder und Unternehmer Artur Fischer (siehe unten) lediglich auf Treu und Glauben schloss, sind ebenfalls undenkbar. Als der Pionier des deutschen Wirtschaftswunders 1949 Blitzlichtgeräte für Fotoapparate entwickelt hatte, fehlte ihm für die Serienproduktion das nötige Kapital. Der Stuttgarter Metallhändler Eisen-Fuchs verlangte eine Bürgschaft, Fischer bot ihm seine Ehre und behielt den Händler noch 25 Jahre als Alleinlieferant für eine Reihe von Materialien – selbst als Fischer bereits zum Weltkonzern aufgestiegen war.


Große Namen

>> Max Grundig
1908 in Nürnberg geboren, wuchs Max Grundig in sehr einfachen Verhältnissen auf. Nach dem frühen Tod seines Vaters arbeitete er als Verkaufslehrling bei einem Installateur und fiel dort bald durch viele Ideen auf. Mit 16 Jahren weckte das neue Medium Radio sein Interesse, er begann erste Rundfunk- und Bildfunkempfänger zu bauen. Mit 22 machte sich Grundig mit einem Radiogeschäft in Fürth selbstständig. 1938 setzte er bereits eine Million Reichsmark um, indem er 30.000 Kleintransformatoren für die Wehrmacht lieferte. Sein Unternehmen profitierte von der Rüstungsindustrie. Ihm zugewiesene ukrainische Zwangsarbeiterinnen soll er gut behandelt haben, was ihm nach Kriegsende einen raschen Neustart ermöglichte. Mit dem »Heinzelmann«-Baukasten, einem Radio zum Selberbauen, gelang ihm 1946 ein erster Erfolg. Mit dem Modell »Weltklang«, dem ab 1948 produzierten Verkaufsschlager des Unternehmens, schrieb Grundig Geschichte. Ab 1951 folgten Fernsehapparate. Fehlentscheidungen – das Video2000-System erwies sich als teuer und kam zu spät – sowie Billigware aus Fernost führten in den 1980er-Jahren zum Niedergang des Konzerns. 1984 verkaufte Grundig die Aktienmehrheit an Philips, der Konkurs konnte 2003 dennoch nicht abgewendet werden. Max Grundig starb 1989, er gilt als einer der deutschen Wirtschaftspioniere. Frühere Mitarbeiter und Geschäftspartner beschreiben ihn aber auch als dominant, selbstherrlich und autoritär.

>> Josef Manner
Mit 25 Jahren betrieb Josef Manner ein kleines Geschäft am Stephansplatz in Wien, in dem er Schokolade und Feigenkaffee verkaufte. Da er mit der Qualität der gelieferten Schokolade unzufrieden war, erwarb er kurzerhand Konzession und Betrieb eines kleinen Schokoladenherstellers und legte damit 1890 den Grundstein für sein Süßwaren­unternehmen. Schokolade war damals ein Luxusartikel – ein Kilo entsprach zwei Tageslöhnen eines Arbeiters. 1895 erfand Josef Manner die legendä­ren »Manner-Schnitten« mit Haselnusscreme, die wesentlich zum Erfolg des Unternehmens beitrugen und sich dank Arnold Schwarzenegger auch in Hollywood heute großer Beliebtheit erfreuen. Bereits 1897 beschäftigte Manner mehr als 100 Mitarbeiter, 1912 bereits ca. 3.000. Seit 1913 notiert das Unternehmen an der Börse. Josef Manner widmete sich seinem Unternehmen mit Leib und Seele und modernisierte den Betrieb laufend, um zu günstigeren Preisen anbieten zu können. Häufig lieferte er selbst zu seinen Kunden aus und schuf für die Belegschaft zahlreiche soziale Einrichtungen.

>> Artur Fischer
Vor rund 50 Jahren revolutionierte der Kunststoffdübel die Bauindustrie. Der geniale Erfinder: Artur Fischer, geboren 1919 in Tumlingen im Schwarzwald. Insgesamt meldete er 1.121 Patente an, ähnlich viele wie Thomas Alva Edison. Neben dem 1958 entwickelten Dübel erlangte der synchrone Blitzwürfel für Fotoapparate (1949) ähnlich epochale Bedeutung. Ganze Generationen wuchsen mit dem »fischertechnik«-Baukasten auf; eine von Fischers jüngsten Ideen für Kinder ist »fischer TIP«, kleine bunte Elemente aus Kartoffelstärke, die angefeuchtet zu kreativen Bauwerken und Skulpturen zusammengeklebt werden können. Fischer, der das Unternehmen 1980 seinem Sohn Klaus übergab, stammt aus ärmlichen Verhältnissen und ist gelernter Bauschlosser. Noch heute forscht Fischer in einer eigenen Werkstatt neben dem Hauptwerk in seinem Heimatort. Der wirtschaftliche Erfolg – der Jahresumsatz liegt heute bei 560 Millionen Euro, der Großteil entfällt davon noch immer auf Befestigungstechnik – wird von einem Familienstreit überschattet: Die hörbehinderte Tochter Margot wirft ihrem Vater vor, um ihr Erbe betrogen worden zu sein.

>> Margarete Steiff

Mit eineinhalb Jahren erkrankte das lebenslustige Mädchen an Kinderlähmung und saß seither im Rollstuhl. Gegen den Willen der strengen Eltern setzte sie eine Ausbildung zur Schneiderin durch. Als erste Frau mit einer eigenen Nähmaschine in ihrem Heimatort Giengen in Schwaben erhielt sie bald viele Aufträge und eröffnete 1874 einen eigenen Betrieb. Weil sie ihre rechte Hand nicht benutzen konnte, bediente sie die Maschine von der Rückseite aus. 1879 nähte sie einen kleinen Filzelefanten – eigentlich als Nadelkissen gedacht, entwickelte sich das Stofftier zum beliebten Kinderspielzeug. 1886 produzierte die kleine Manufaktur bereits mehr als 5.000 Stück davon. Das berühmteste Produkt wurde jedoch ein Teddybär, den Richard Steiff, ein Neffe der Unternehmensgründerin, 1902 für die Leipziger Spielemesse entwarf. Fünf Jahre später wurden fast eine Million Bären erzeugt, 90 Prozent davon für den amerikanischen Markt. Margarete Steiff überwachte bis zu ihrem Tod 1909 die gesamte Produktion, nähte jedes Mustertier selbst und pflegte einen fast familiären Kontakt zu den Mitarbeitern. Die beliebten Steiff-Tiere mit dem Markenzeichen »Knopf im Ohr« werden noch heute von Hand gefertigt.

 

Last modified onDienstag, 10 August 2010 12:18

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