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Die große Umfrage: EU-Ratspräsidentschaft

Die große Umfrage: EU-Ratspräsidentschaft

Am 1. Juli übernimmt Österreich zum dritten Mal – nach 1998 und 2006 – den EU-Ratsvorsitz. Das Programm ist dicht getaktet, zwei heikle Themen harren einer Lösung: das EU-Budget nach dem Brexit und die Flüchtlingsfrage. Die schwarz-blaue Regierung will hingegen Sicherheit zum Schwerpunkt machen. Seit der Einsetzung eines ständigen Präsidenten des Europäischen Rates – aktuell Donald Tusk – hat die Bedeutung des Ratsvorsitzes etwas an Gewicht und Glanz verloren. Report(+)PLUS hat bei ExpertInnen nachgefragt, welche Möglichkeiten diese Aufgabe bietet.

1. Wie groß ist der Spielraum zur Profilierung im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft?

Stefan Brocza, Experte für Europarecht und internationale Beziehungen, bei den bisherigen österr. Präsidentschaften (1998 und 2006) aktiv involviert



Entgegen der innerösterreichischen Meinung gibt es kaum die Möglichkeit zur Profilierung. Dafür lässt der seit 1.12.2009 geltende EU-Vertrag keinen Platz mehr. Die Rolle und Funktion einer amtierenden Ratspräsidentschaft liegt im Moderieren, Vermitteln und Finden von Kompromissen. Erfolgreiche Ratspräsidentschaften zeichnen sich gerade durch ihre Unauffälligkeit aus. Versuche, sich zu profilieren, sind bisher immer noch gescheitert.

Gerda Falkner, Leiterin des Instituts für europäische Integrationsforschung, Universität Wien



Wenn tatsächlich ein Durchbruch in einem großen Dossier wie den Budgetverhandlungen oder der Flüchtlingsverteilung gelingen würde, wäre dies aufsehenerregend und der Kleinstaat Österreich könnte mit seiner Präsidentschaft in aller Munde sein. Allerdings: Das ist relativ unwahrscheinlich, denn bei Ersterem gibt es zeitlich noch reichlich Spielraum, das vermindert den Druck. Bei Zweiterem sind die Positionen verhärtet. Zentral ist jedenfalls, Konsenslösungen im Hintergrund zu schmieden. Die größte Gefahr ist, der Versuchung zu erliegen, medial »für das Heimatpublikum« Show zu machen, damit die EU-Partner zu brüskieren und noch mehr Gegeneinander statt Miteinander zu bewirken.


2. Welche Position sollte Österreich in der Debatte um eine Anhebung der Beiträge für das EU-Budget einnehmen?

Stefan Brocza

Man muss die nationale, österreichische Position strikt von der Rolle der amtierenden Ratspräsidentschaft trennen. Der Vorsitz hat neutral zu agieren. Österreichs Haltung in der Budgetfrage kann vor und nach der Präsidentschaft – auch mit Vehemenz – vertreten werden. Während der kommenden sechs Monate wäre es jedenfalls der absolut falsche Zeitpunkt und ein Irrglaube, man könne hier seine Sicht der Dinge den Partnern aufzwingen oder gar durchsetzen.

Gerda Falkner

Im langfristigen Interesse Österreichs ist nicht, wie hoch die Beiträge sind, sondern wie sinnvoll sie ausgegeben werden. Inves-titionen können sich vielfach rentieren, deshalb darf der Haushalt eines Staates nicht wie jener der sprichwörtlichen »schwäbischen Hausfrau« betrachtet werden. Österreich sollte sich daher nicht in einer Neinsager-Position einzementieren sondern versuchen, ein intelligentes Gesamtpaket zu verhandeln. Wenn das Land mit seiner kleinen, offenen Wirtschaft insgesamt und langfristig profitiert, zahlen sich auch höhere Beiträge aus.


3. Wie können die Wettbewerbsfähigkeit und der Zusammenhalt in der EU wieder gestärkt werden?

Stefan Brocza

Es ist nicht nötig, neue Instrumentarien zu erfinden, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu steigern. Bestehende und vereinbarte Strategien müssen konsequent umgesetzt und angewendet werden. Mitgliedstaaten sind zunehmend schwerer davon zu überzeugen, dass sich unangenehme wirtschafts- und finanzpolitische Entscheidungen langfristig positiv auswirken. Den besten Zusammenhalt schafft noch immer ein gemeinsamer »Feind«. So gesehen sollte es keine Probleme geben ...

Gerda Falkner

Wettbewerbsfähigkeit im langfristigen und umfassenden Sinne hängt nicht zuletzt auch davon ab, dass die eigenen Handelspartner weiterhin einkaufen können, dass die Wirtschaft stabile Rahmenbedingungen hat und dass es sozialen Frieden gibt, im Lande wie in Europa. Dumping-Prozesse sind da kontraproduktiv. Es wäre beispielsweise gegen den europäischen Geist, wenn Österreich als eines der reichsten Länder im Arbeitsrecht, Sozial- oder Konsumentenschutz auf die Mindeststandards zurückgehen würde, die für die ärmsten Länder im Binnenmarkt gedacht waren. Dies könnte den Zusammenhalt in der EU akut bedrohen und eine Abwärtsspirale einleiten, die letztlich auch Österreich und seinen Unternehmen schaden würde.

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