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»Unternehmen in die Auslage stellen«

Foto: René Tritscher: »Wir wollen nicht österreichischen Arbeitslosen Konkurrenz machen.« Foto: René Tritscher: »Wir wollen nicht österreichischen Arbeitslosen Konkurrenz machen.« Foto: Julius Silver

Österreich steht mitten im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte. René Tritscher, seit November 2019 Leiter der neuen Abteilung »Work in Austria« der Austrian Business Agency (ABA), will Österreich als attraktiven Arbeitsstandort präsentieren.

(+) plus: Wie gravierend ist der Fachkräftemangel in Österreich?

René Tritscher: Es ist ein europäisches, kein rein österreichisches Thema. Der Fachkräftemangel hat viele Ursachen, vor allem den demografischen Wandel. In den nächsten Jahren wird sich das Problem durch die Pensionierungen noch verschärfen; in den geburtenschwachen Jahrgängen kommen nicht genügend Arbeitskräfte nach. Wir sehen aber auch einen sogenannten »Mismatch« – geografisch sowie auf einzelne Berufsfelder bezogen ist die Situation am Arbeitsmarkt recht unterschiedlich.

Laut einer WKO-Studie fehlen 160.000 Fachkräfte. Mittlerweile sind Unternehmen in allen Branchen betroffen. Die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften ist eine Möglichkeit, die Voraussetzungen für den Standort Österreich zu verbessern. Bisher haben wir dieses Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Mit einer österreichweit koordinierten Strategie können wir das Problem besser in den Griff bekommen. Erstmals wird im neuen Regierungsprogramm strikt zwischen Asyl und qualifizierter Zuwanderung unterschieden – in der öffentlichen Wahrnehmung wurden diese Begriffe bisher leider immer vermischt.

(+) plus: 2018 siedelten sich 344 Betriebe aus dem Ausland in Österreich an. Welche Rolle spielt die Verfügbarkeit von Fachkräften für die Standortwahl?

Tritscher: Das Thema Fachkräfte ist inzwischen ein wesentlicher Standortfaktor. Österreich bietet durch das hohe Bildungsniveau gute Voraussetzungen. Unser Angebot ist eine Ergänzung. Wir wollen nicht österreichischen Arbeitslosen Konkurrenz machen, sondern in jenen Bereichen Fachkräfte aus dem Ausland rekrutieren, wo der Bedarf der Wirtschaft nicht gedeckt werden kann. Wir legen großen Wert darauf, dass diese Maßnahme nicht als Lohndumping missverstanden wird. Das kollektivvertragliche Mindestniveau muss immer eingehalten werden.

(+) plus: »Work in Austria« ist seit einigen Monaten aktiv. Wie ist der Status quo?

Tritscher: Wir haben in den Zielländern bereits erste Veranstaltungen durchgeführt, zum Beispiel in Rumänien im IT-Bereich. In Kooperation mit der FH Algebra in Zagreb fand eine IT-Challenge statt, deren Gewinner im Februar nun im Rahmen einer ersten ABA – Work in Austria-Roadshow nach Öster­reich kommen werden, um österreichische Unternehmen zu besuchen. Im ersten Halbjahr 2020 startet unsere Informationsplattform, die ausländische Fachkräfte und österreichische Unternehmen zu allen Fragen der Relocation informiert.

Zentraler Bestandteil wird eine Jobbörse sein, in der heimische Betriebe offene Stellen anbieten können. Wir nehmen selbst keine Vermittlung oder Bewertung der Kandidatenprofile vor – und sehen uns daher als Partner der Personaldienstleister. Der nächs­te Schritt wäre dann, als Servicestelle für die Zuerkennung der Rot-Weiß-Rot-Karte zu fungieren – das Verfahren soll künftig stark vereinfacht und gestrafft werden. Die Vorbereitungen dafür laufen jetzt an, ab Herbst soll es so weit sein.

(+) plus: Warum ist der Fokus auf IT-Berufe sowie Metall- und Elektrotechnik gerichtet?

Tritscher: Wir konzentrieren uns vorerst auf Berufsfelder, in denen ein hoher Fachkräftemangel besteht und eine hohe Wertschöpfung in Österreich generiert werden kann. Diese Berufe sind branchenübergreifend einsetzbar. IT-Fachkräfte werden beispielsweise auch bei Einzelhändlern, in der Logistik oder der Verkehrswirtschaft gebraucht. Eine Ausweitung, etwa auf den Tourismus, ist aber im Regierungsprogramm angedacht.

(+) plus: Vorerst konzentriert sich »Work in Austria« auf osteuropäische EU-Staaten. Wie gehen Sie dabei vor?

Tritscher: Wir wollen keine Wald-und-Wiesen-Agentur sein, sondern konkreten Mehrwert bieten. Allein in Polen sieht die Situation in Danzig ganz anders aus als in der Region Krakau – IT-Kräfte sind nicht überall verfügbar. Bei den Universitäten suchen wir Lehrgänge und Studiengänge mit passenden Berufsangeboten aus. Dabei verfolgen wir einen kooperativen Ansatz. Wir wollen mit den Hochschulen einen Know-how-Austausch schaffen. Es geht uns darum, nicht nur Österreich zu bewerben, sondern langfristig Kooperationen aufzubauen, die für beide Seiten Win-win-Situationen ergeben.

(+) plus:  Ist das Ausbildungsniveau mit dem österreichischen vergleichbar?

Tritscher: Das Ausbildugsniveau ist eines der Kriterien für die Auswahl der Zielmärkte. Natürlich gibt es Unterschiede. Wir gehen selektive Kooperationen mit jenen Hochschulen ein, die ein vergleichbares Niveau bieten. Auch die Sprache ist ein wichtiges Thema. Es ist nicht anzunehmen, dass alle Fachkräfte in den Zielländern über Deutschkenntnisse verfügen. Das wird vielleicht noch in Siebenbürgen in Rumänien der Fall sein, aber in anderen Regionen werden Weiterqualifizierungen in deutscher Sprache notwendig sein.

(+) plus: Können sich auch Unternehmen direkt an Sie wenden?

Tritscher: Wir verstehen uns als Anlaufstelle für alle heimischen Unternehmen, aber auch ausländische Fachkräfte, die nach Österreich kommen möchten. Unsere Services sind stark kundenorientiert ausgerichtet, alle Prozesse werden digitalisiert. Wir arbeiten mit Ansiedelungsagenturen der Bundesländer ebenso zusammen wie mit der Außenwirtschaftsorganisation der Wirtschaftskammer und dem AMS. Nur wenn diese Schnittstellen funktionieren, können wir gemeinsam international erfolgreich sein. Das Thema wird aufgrund der demografischen Entwicklung noch länger aktuell bleiben, selbst wenn sich die Konjunktur abschwächt. Es ist ein Zukunftsthema.

(+) plus: Ist die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte überfällig?

Tritscher: Es gab bereits von der vorvorigen Regierung einen Begutachtungsentwurf. Für den Standort Österreich wäre es ein wichtiges Signal, um qualifizierte Arbeitskräfte aus Drittstaaten schneller und einfacher nach Österreich holen. Die Verfahren dauern heute zum Teil sieben, acht Monate – im internationalen Wettbewerb um hochspezialisierte IT-Fachkräfte haben wir damit das Nachsehen.

(+) plus: Mit welchen Vorteilen gegenüber anderen Ländern kann Österreich bei Fachkräften punkten?

Tritscher: In Nachbarländern ist die geografische und kulturelle Nähe, die gemeinsame Geschichte häufig der erste Beweggrund. Natürlich spielt auch die Lebensqualität eine Rolle. Das Lohnniveau ist in den letzten Jahren in vielen Ländern stark gestiegen – das allein reicht als Anreiz nicht mehr aus. Das Verhältnis Lohnniveau zu Lebenserhaltungskosten ist in Österreich jedoch deutlich besser als etwa im Silicon Valley.

Wir haben viele interessante Unternehmen, die in ihren Nischen international bekannt sind, aber auch kleinere Betriebe, die durch regionale Nähe zu den Kunden und ein familiäres Klima punkten. Wir wollen mit unserer Jobdatenbank auch Unternehmen in die Auslage stellen. Durch die zentrale Lage in Europa ist der Standort Österreich sehr attraktiv, unser Gesundheits- und Sozialsys­tem ist ausgezeichnet. Diese Rahmenbedingungen werden immer wichtiger.

ABA neu

»Work in Austria« ist neben der Betriebsansiedlungsagentur »Invest in Austria« und der »Film Commission Location Austria« eine im Vorjahr neu geschaffene Abteilung innerhalb der Austrian Business Agency (ABA), die zum Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort ressortiert.

Mit dieser Erweiterung positioniert sich die ABA als zentrale Anlaufstelle für Investoren und Fachkräfte aus dem Ausland und soll Österreich als attraktiven Wirtschafts- und Arbeitsstandort präsentieren. Gleichzeitig werden auch heimische Unternehmen bei der Personalsuche im Ausland unterstützt.

Das Budget wurde im Zuge der erweiterten Zielsetzung im Vorjahr von 4,3 Millionen Euro auf rund 7 Millionen Euro angehoben. »Work in Austria« richtet in der ersten Phase den Fokus auf IT-Berufe sowie Metall- und Elektrotechnik. Vorerst wird in Polen, Rumänien, Bulgarien, Kroatien und Griechenland um qualifizierte Fachleute geworben.

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