Logo
Print this page

"So viel Fleisch ist in der Suppe nicht drin"

Werner Knausz, Vorstand der ARA im Gespräch mit Report: "Der Wettbewerb wir früher oder später sinkende Kosten bringen." Werner Knausz, Vorstand der ARA im Gespräch mit Report: "Der Wettbewerb wir früher oder später sinkende Kosten bringen."

Werner Knausz, Vorstand der Altstoff Recycling Austria AG (ARA), im Gespräch zum stabilen Geschäft bei der Sammlung und dem Recycling von Verpackungsabfällen, der Marktliberalisierung heuer und warum es wichtig ist, Trittbrettfahrer in die Pflicht zu nehmen.

Von Martin Szelgrad

(+) Plus: Herr Knausz, Ihre Bilanz für 2014: Hat sich die gedämpfte Konjunkturentwicklung auf die Umsätze der Sammel- und Recyclingsysteme in Österreich niedergeschlagen?

Werner Knausz: Unser Geschäft hat einen wesentlichen Vorteil, der zugleich auch Nachteil ist: Es ist wenig konjunkturabhängig. Mit einem Minus von weniger als 1 % über alle Bereiche haben wir nahezu das Ergebnis des Vorjahres erreicht – trotz einer teilweise angespannten Situation im Handel. Wenn wir Glasflaschen hernehmen: Diejenigen, die zu guten Zeiten eine Flasche Champagner zu Silvester aufgemacht haben, haben heuer zu Sekt gegriffen. Für den Handel bedeutet dieseine Umsatzeinbuße, für die Sammel- und Recyclingsysteme ist die Glasflasche aber gleich schwer. Auf unsere Umsätze ausgewirkt hat sich aber sehr wohl der kalte Sommer in Österreich, bei 23 Regentagen im Juli und 25 Regentagen im August. Bei so einem Wetter verkauft die Getränkewirtschaft wenig und das wirkt sich auch auf die Verpackungsmengen aus. Leichten Einfluss hat auch die eingeführte Sektsteuer, wenn auch davon wieder eher die österreichischen Sektkellereien betroffen sind. Die Konsumenten kaufen jetzt einfach mehr italienischen Frizzante, der steuerlich ja davon bemerkenswerterweise nicht betroffen ist.

(+) Plus: Seit 1. Jänner ist die Sammlung von Verpackungsabfällen im Haushaltsbereich dem Wettbewerb geöffnet. Was ändert sich nun für die Verpackungshersteller, die Gemeinden und die Konsumenten?

Knausz: Für die Konsumenten ändert sich hoffentlich nichts. Wir haben in Österreich die höchsten Sammel- und Recycling-Quoten und damit auch eine maximale Motivation in der Bevölkerung. Einer IMAS-Umfrage aus dem Vorjahr zufolge gegeben 96 % der Österreicher an, dass sie Müll getrennt sammeln. Das sind fast schon nordkoreanische Wahlverhältnisse – viel mehr geht nicht. Diese Sammel- und Recyclingquoten haben ja auch für die Unternehmen höchste Priorität. Wenn wir es künftig weiterhin mit dem ARA-System und anderen, die jetzt dazukommen, schaffen, dies auch wirtschaftlich zu gestalten, haben alle etwas davon – allen voran die Umwelt. Mit dem Wettbewerb erhöht sich das Angebot am Markt und damit gibt es eine größere Auswahl für die Betriebe. Das Umweltministerium hat Ende 2014 drei weitere Systembetreiber genehmigt: Das Kufsteiner Unternehmen Bonus arbeitet mit der ARA quasi im Huckepackprinzip und nutzt flächendeckend unsere Systeme. Hier hält die ARA weiterhin die Verträge mit den Gemeinden und Entsorgern. Die Anbieter Reclay UFH und Interseroh Austria haben den zweiten im Gesetz vorhergesehenen Weg gewählt, nämlich ihre Verträge direkt mit den Gemeinden und Entsorgern abzuschließen und die bestehenden Systeme der ARA gemeinsam zu nutzen.

(+) Plus: Nach der Logik der Liberalisierungspolitik müssten für den Handel und die Verpackungshersteller nun die Tarife sinken. Warum nicht so in Österreich?

Knausz: Es wäre ein Novum, wenn mehr Wettbewerb keine Vorteile brächte, der Wettbewerb im Haushaltsbereich wird daher früher oder später sinkende Kosten bringen. Dennoch haben wir jetzt im ersten Halbjahr – bis zur Ausweitung der Produzentenverantwortung durch die angekündigte neue Abgeltungsverordnung ab 1. Juli 2015 – trotz laufender Einsparungen und Effizienzsteigerungen Tariferhöhungen von 5,6 % über unser gesamtes Portfolio realisieren müssen. Nach Inkrafttreten der Abgeltungsverordnung schlagen sich 20 Millionen Euro, die die Inverkehrsetzer für Verpackungen im Restmüll zusätzlich zu zahlen haben, mit einer Kostenerhöhung von rund 15 % zu Buche. Diese Summe wird aus heutiger Sicht nicht durch die erwarteten Vorteile aus dem Wettbewerb kompensierbar sein. So viel Fleisch ist in der Suppe nicht drin. Deswegen ist aus unserer Sicht der Zeitpunkt dieser Ausweitung der Produzentenverantwortung etwas unglücklich. Jedenfalls muss diese komplexe Materie an die betroffenen Unternehmen kommuniziert werden, weil man normalerweise Marktöffnung und Wettbewerb nicht mit steigenden Preisen verbindet.

(+) Plus: Was sind Ihre Ziele für die kommenden Jahre?

Knausz: Wir wollen mittelfristig wachsen. Nachdem die ARA als Alleinanbieter nun bei der Marktöffnung naturgemäß Anteile verlieren wird, müssen wir uns auch auf neue Geschäftsfelder konzentrieren. 2014 haben wir dazu die Firma ARAplus gegründet. ARAplus ist unsere Service- und Vertriebsmarke, die alle unsere Leistungen nach außen vertreibt. Unser Vorteil ist, dass wir bereits 16.000 Kunden und eine sehr gut funktionierende Servicemannschaft haben. Viele der neuen Leistungen sind eng mit unserem Kerngeschäft verwandt: etwa eine neue Datenbank für Inverkehrsetzer, in der sie die gesetzlich vorgeschriebenen rechtsverbindlichen Erklärungen für ihre Kunden uploaden und die Kunden diese auf Knopfdruck downloaden und nutzen können. Ein Möbellieferant beispielsweise, der neben großen Möbelhäusern auch viele kleinere Firmen beliefert, kann so eine Entpflichtungserklärung einmalig ins Netz stellen. Die hunderten Kunden laden das Dokument dann einfach von dort herunter. Neben dem Vereinfachen von Prozessen beraten wir über Kosteneinsparungen bei individuellen Entsorgungslösungen und werden aller Voraussicht nach auch Facility-Management-Lösungen anbieten. Der Bereich Energieeffizienz ist ebenfalls ein Markt, der sich gerade formiert und in dem noch viel Erklärungsbedarf herrscht – in Wirklichkeit kennt sich dort derzeit kein Mensch aus.
Ein weiterer Bereich, den wir weiter ausbauen wollen, ist die sogenannte Event-Entsorgung. Im Jänner hat die ARAplus die Veranstalter der Freestyle Ski & Snowboard WM in Kreischberg in der Steiermark über Abfallvermeidung beraten und gemeinsam mit kompetenten Partnern alle Altstoffe und den Müll gesammelt und verwertet. Dabei ging es um die gesamte Entsorgung von Abfall und auch um eine mustergültige Reinigung des Eventgeländes. Der Abfall wurde mengenmäßig dokumentiert, sortiert und der weiteren Verwertung oder Entsorgung zugeführt. Auf Basis eines Modells der TU Wien rechnen wir auch Bilanzen zur Generierung und Einsparung von CO2 aus. Dabei geht es für die Kunden neben eventuellen Kosteneinsparungen vor allem um das Image. Die meisten Veranstalter haben den Zug der Zeit erkannt, werben mit sogenannten Green Events und vergessen dabei, dass man das nicht nur umsetzen, sondern auch dokumentieren muss. Wir ermöglichen, zu diesem Thema nachhaltig aufzutreten und dies auch nachweisen und ehrlich kommunizieren zu können.

(+) Plus: Erst vor wenigen Wochen ist Amazon nach einer Abmahnung des Umweltministeriums dem heimischen Entpflichtungssystem bei Elektroaltgeräten beigetreten. Warum ist das wichtig?

Knausz: Bei der Entpflichtung hat es in den vergangenen Jahren keine Regelung für den internationalen Versandhandel gegeben. Denn: Laut Definition waren bislang neben den inländischen Unternehmen nur die inländischen Importeure zur Entrichtung der Entsorgungsbeiträge verpflichtet. Den Geschäftsmodellen von Amazon, Zalando & Co zufolge kam aber den privaten Letztverbrauchern die Rolle des Importeurs zu. Mit der jüngsten Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes sind nun internationale Versandhändler gefordert, mit den in Umlauf gebrachten Verpackungen und Elektroaltgeräten an den hiesigen Sammel- und Recyclingsystemen teilzunehmen. Damit sind – zumindest von gesetzlicher Seite – endlich die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen beseitigt. Amazon hat dies, wie gesagt, dankenswerterweise für Elektroaltgeräte bereits erledigt. Für den Verpackungsbereich bleibt noch bis zur ersten Meldung Mitte Februar Zeit. Für andere im Handel tätige Unternehmen – alle anderen bekannten Versandhändler sind bei der ARA seit vielen Jahren unter Vertrag – ist die Teilnahme der großen Internethändler nur fair. Diese waren bislang bedauerlicherweise Trittbrettfahrer. Ich gehe davon aus, dass mit heuer diese Ungleichheit endgültig Geschichte sein wird.


Das Unternehmen:
Die Altstoff Recycling Austria AG (ARA) organisiert und finanziert österreichweit die Sammlung, Sortierung und Verwertung von Verpackungsabfällen. Als Non-Profit-Unternehmen steht sie im Eigentum von Verpackungsherstellern, Abfüllern, Abpackern und Importeuren sowie Unternehmen aus dem Handel. Das Tochterunternehmen ERA Elektro Recycling Austria GmbH bietet die Übernahme übertragbarer Verpflichtungen für Hersteller, Händler, Importeure und Exporteure von Elektrogeräten und Batterien an.

Last modified onDienstag, 17 Februar 2015 11:38

Related items

Latest from Martin Szelgrad

Content: REPORT MEDIA Joomla Template designed by GavickPro