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Fit für die Zukunft

Fit für die Zukunft »Österreich ist für die Zukunft nicht gut gerüstet, weil es zu wenig in Bildung und Grundlagenforschung investiert.« Karl Aiginger, Wifo.

Unternehmen brauchen wahrlich Superkräfte, um die künftigen Herausforderungen zu bewältigen. Wird das Unternehmen der Zukunft »weiblich«, »grün« und »global«? Woher kommen die Mitarbeiter und was müssen sie können? Report(+)PLUS bringt die zehn wichtigsten Themen, auf die sich Unternehmen heute schon fokussieren sollten.

Recruiting
 
»Der Wettbewerb der Zukunft wird auf den Personalmärkten entschieden«, sagt Antonella Mei-Pochtler, Senior-Partnerin und Geschäftsführerin der Boston Consulting Group in Wien und München. Die Arbeitnehmer sind so gut ausgebildet, flexibel und anspruchsvoll wie noch nie zuvor - und sie können sich aussuchen, wo sie ihre Kompetenzen entfalten möchten. Sich Bewerbern möglichst attraktiv zu präsentieren, ist deshalb Voraussetzung im »War of Talents«. Aber Vorsicht: Hehre Leitbilder und Werte taugen nichts, wenn sie nicht vom Chef bis zum Reinigungspersonal gelebt werden. Die beste Werbung für ein Unternehmen sind zufriedene, motivierte Mitarbeiter. Fühlen die sich aber schlecht behandelt oder wenig geschätzt, spricht sich das schneller herum, als es den Betrieben lieb ist.

Diversität

Der Anteil der Absolventinnen höherer Schulen und Universitäten stieg in den vergangenen 30 Jahren in fast allen OECD-Ländern auf mehr als 50 %. Zukunftsforscher Matthias Horx spricht von einer »weiblichen Bildungsrevolution«, die von den Unternehmen nicht länger negiert werden könne: »Das wäre volkswirtschaftlicher Wahnsinn.« In Führungspositionen sind Frauen nach wie vor rar. Ein Umstand, der sich mit dem Eintreten der viel zitierten Generation Y ändern könnte: Jüngere Mitarbeiter setzen andere Prioritäten, fordern mehr Zeit für ihre Familie und werfen die traditionelle Vater-Mutter-Kind-Konstellation über den Haufen.

Nicht zuletzt der demografische Wandel wird quasi »durch die Hintertür« für mehr Vielfalt in den Unternehmen sorgen. Ältere Arbeitnehmer bleiben länger in den Betrieben, die Bereitschaft zur Integration von Migranten ist in einigen Branchen – Tourismus, IT, Elektronik – bereits ein Muss. »Die entscheidende Frage ist: Will ich jemanden einstellen, der nicht hundertprozentig ins Anforderungsprofil passt und ihn selbst weiterqualifizieren?«, erklärt Sven Laumer, Wirtschaftsinformatiker an der Universität Bamberg: »Ein Drittel der Unternehmen beantwortet diese Frage inzwischen mit Ja.«

Führung

Die besten und richtigen Mitarbeiter zu gewinnen, ist nur eine Seite der Medaille. Sie zu motivieren und langfristig zu binden, erweist sich für viele Unternehmen als weitaus schwierigere Aufgabe. Meist liegt es an mangelhafter Führungsarbeit. Laut Deloitte-Studie »Global Human Capital Trends 2014« glauben nur 13 % der befragten Unternehmen, dass sie bezüglich ihrer Führungskräfteentwicklung gut aufgestellt sind. Zwei Drittel haben keine entsprechenden Leadership-Angebote für die Nachfolgegeneration. »Zweifellos ist eine zeitgemäße Human-Capital-Strategie heute ein zentraler Erfolgsfaktor«, sagt Deloitte-Partner Christian Havranek. Eine wertschätzende Unternehmenskultur, Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten sowie Unterstützung bei der Balance zwischen Beruf und Familie reichen nicht mehr aus. »Unternehmen müssen anders führen, permanente Innovation vorantreiben und ihr HR-Management von Grund auf verändern«, so Havranek.

Social Media

Die Mitarbeiter werden immer jünger, das Kommunikationsverhalten rascher – nur die Unternehmen bleiben stehen? Nicht alle: »Mehr als die Hälfte der Unternehmen erwarten, dass etwa die Hälfte ihrer Vakanzen mit Kandidaten aus der Generation Y besetzt wird«, sagt Barbara Riedl-Wiesinger, Country Manager Monster Worldwide Austria. Das Recruiting sollte sich deshalb nicht nur auf die klassische Stellenausschreibung beschränken.

Eine gute Social-Media-Präsenz macht sich aber auch in anderen Bereichen bezahlt. Der Kontakt zu Kunden erfolgt direkter und unmittelbarer. Allzu empfindlich sollte man nicht sein: Anregungen und Beschwerden finden sich in den Foren gleichermaßen, nur etwas emotionaler aufgeladen. So mancher Shitstorm entzündete sich schon an scheinbar harmlosen Änderungen in der Produktpalette. Am Internet kommt dennoch kaum ein Unternehmen vorbei: Wer im Netz nicht existiert, denn gibt es nicht. Wie bereits mehrere Studien nachweisen, steigert ein Online-Shop als zusätzliches Standbein den Umsatz. Ins Geschäft kommen die Leute trotzdem.

Innovationen

Öster­reich hat mit mehr als 200 Hidden Champions eine gute Ausgangsbasis, um auch weiterhin international bestehen zu können. »Heute sind wir noch wettbewerbsfähig, aber wenn wir es 2025 noch sein wollen, müssen wir strategisch denken und in manchen Technologien führend werden«, erklärte Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), am Rande der Konferenz des Institute for New Economic Thinking im April in Toronto. Der Weg führe in erster Linie über verstärkte Investitionen in Grundlagenforschung. Österreich schlägt derzeit jedoch den entgegengesetzten Kurs ein. Gespart wird vor allem in den Bereichen Bildung und Forschung. Die Rechnung bekommt die Wirtschaft erst später präsentiert. Schon im vergangenen Jahrzehnt rutschte Österreich im europäischen Innovationsranking vom fünften auf den zehnten Platz zurück.

Technologie

Am Anfang stand die Dampfmaschine, dann kam die Elektrizität, später der Computer. Nun erwarten Experten den nächsten Sprung in der Automatisierung von Produktionsprozessen. In der »Industrie 4.0« liegt der Fokus nicht mehr auf einheitlicher Massenfertigung, sondern auf den individuellen Wünschen der Endkunden. Gesteuert werden soll diese »smarte Fabrik« von mitdenkenden Produktionsrobotern. »Natürlich gibt es in den modernen Fabriken längst Computer«, sagt Jürgen Jaspernreite vom Fraunhofer Institut – die Entscheidungen träfe aber bisher noch immer der Mensch. Damit wird bald Schluss sein. Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz erwartet die erste vollvernetzte Fabrik in rund 20 Jahren, erste Teilanlagen und Produktionsstraßen könnten aber schon in drei bis fünf Jahren in Betrieb gehen. An der Erforschung des neuen Wunderstoffs Graphen – eines Supraleiters, der zudem stabiler als Stahl, härter als Diamant, aber trotzdem extrem dehnbar, leicht, transparent, säureresistent und temperaturbeständig ist – wirken auch zwei österreichische Wissenschafterteams mit. Das zweidimensionale Material steckt bereits in Handy-Displays und könnte schon bald die Elektronik, Photovoltaik und Bio­technologie revolutionieren.

Mobilität

Neue Technologien machen Arbeiten unabhängig von Zeit und Raum möglich. In den Unternehmen haben sich mobile Strukturen noch nicht wirklich durchgesetzt. Bisher arbeiten nur 3 bis 7 % der Arbeitnehmer ausschließlich mobil. »Diese Zahl wird in den kommenden Jahren rasant zunehmen: 2020 könnte der Anteil der Mobile Workers bereits bei 20 % liegen«, zeigt sich Alexander Kaszubiak, Senior Consultant bei Steria Mummert Consulting, überzeugt. »Aufgrund der wachsenden Vernetzung der Wirtschaft werden solche mobilen Arbeitsplätze für die Unternehmen immer wichtiger. Die Mitarbeiter sollen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.«

Von der Mobilität und Flexibilität hängt es ab, ob ein Unternehmen konkurrenzfähig bleiben wird. Wir stehen mitten im Wandel von einer Industrie- zur Wissensgesellschaft. Doch werden Verkäufer, Lehrer, Fremdenführer, Immobilienmakler und überhaupt Berater jeder Art überflüssig, weil die Konsumenten via Smartphone und Internet schon jegliche Informationen eingeholt haben? Unternehmen müssen sich künftig überlegen, welchen Mehrwert sie als Produzenten und Dienstleister bieten können.

Weiterbildung

Bildung ist der Schlüssel zur Zukunft. Weltweit steigt das Bildungs- und Qualifizierungsniveau, trotzdem haben auch in den Industriestaaten nicht alle Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung. Das lässt sich auch an den Arbeitsmarktdaten ablesen: Knapp die Hälfte der  Arbeitslosen hat nur einen Pflichtschulabschluss. Auf der Strecke bleiben ältere Arbeitnehmer, Migranten, aber auch viele Junge ohne Berufsausbildung. Die Zahl der »early school leavers« müsse von derzeit knapp 8 % mindestens halbiert werden, sagt AMS-Vorstand Johannes Kopf: »Wir schaffen keine Chancengleichheit. Da muss noch mehr gemacht werden.«

Was Hänschen nicht lernt, kann Hans auch später noch nachholen. Lebenslanges Lernen ist künftig weniger eine Option, sondern angesichts der zunehmenden Innovationsgeschwindigkeit und Technologiewechsel schon eine Verpflichtung. Bildung wird individualisierter, dank digitaler Formen der Wissensvermittlung aber auch leichter zugänglich. Weiterbildung erfolgt noch großteils auf Eigeninitiative. Unternehmen sollten sich rechtzeitig ihrer Verantwortung bewusst werden – die Förderung von Talenten ist ein Benefit, das sich langfristig in mehrfacher Hinsicht bezahlt macht.

Nachhaltigkeit

In einer EU-Studie zur Verfügbarkeit von Rohstoffen wurden 14 von 41 Mineralien und Metallen als »kritisch« eingestuft. Bis zum Jahr 2030 wird sich die Nachfrage nach einigen dieser Rohstoffe mehr als verdreifachen, und zwar nicht nur durch das angeheizte Wachstum in den Schwellenländern und die damit verbundene Verknappung, sondern auch durch Spekulationsgeschäfte auf den Weltmärkten. Effizienter Umgang mit Ressourcen und Energie ist die wirksamste Strategie, um der Preisspirale zu entkommen. Wurden »Bio«-Freaks vor 20 Jahren noch belächelt, ist Ökologie heute Mainstream. An Recycling, erneuerbarer Energie und umweltschonender Entsorgung kommt kein Unternehmen mehr vorbei. Und zwar auf allen Ebenen – vom energieeffizienten Gebäude über umweltfreundliche Mobilitätskonzepte bis zu Produkten mit »grünem« Fußabdruck.

Globalisierung

Gestern top, heute Flop: Die globalen Finanzströme fließen immer schneller und ändern mitunter recht plötzlich ihre Richtung. Galten China, Indien und Brasilien noch vor kurzem als sichere Bank für Investments, hat sich das Wachstum in diesen aufstrebenden Nationen merkbar abgeschwächt. Während sich viele Unternehmen erst langsam der Herausforderung Asien stellen, dreht sich das Karussell schon weiter. Längst stehen andere erfolgshungrige Länder wie Kolumbien, Nigeria oder Indonesien in den Startlöchern und locken mit noch niedrigeren Produktionskosten und noch größeren Marktchancen. So viel ist sicher: Die alte Ordnung von »Erster«, »Zweiter« und »Dritter Welt« ist Vergangenheit. Ehemalige Schwellenländer sind nun Wirtschaftsgiganten und fordern Sitz und Stimme in der Staatengemeinschaft. Länder verlieren zugunsten von Regionen an Bedeutung. Mega-Metropolen ziehen als Wachstumsmotor Menschen und Produktionsstätten an – die zunehmende Urbanisierung wird die nächste Herausforderung.

Last modified onMontag, 12 Mai 2014 15:08
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