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Das Mitarbeitergespräch

Gegenseitiges Feedback ist nicht in allen Unternehmen möglich und erwünscht. Voraussetzung ist eine wertschätzende Unternehmenskultur, die eine offene, faire Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeitern vorsieht. Gegenseitiges Feedback ist nicht in allen Unternehmen möglich und erwünscht. Voraussetzung ist eine wertschätzende Unternehmenskultur, die eine offene, faire Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeitern vorsieht.

Viele Mitarbeiter und Führungskräfte empfinden das alljährliche persönliche Update über Leistungen, Erwartungen und Ziele als lästig oder unangenehm. Richtig geführt, kann das Mitarbeitergespräch ein hilfreiches und notwendiges Instrument zur Motivation und Personalbindung sein.

Gegen Jahresende wird traditionell Bilanz gezogen. Welche Ziele wurden erreicht, was steht uns bevor, wie groß sind die Budgets für das kommende Geschäftsjahr? Für die meisten Führungskräfte zählt die Prüfung der Kennzahlen zum unternehmerischen Handwerkszeug, das gut in Schuss gehalten werden muss. Beim wichtigsten Kapital eines Betriebes – den Mitarbeitern – wird die Pflege hingegen gerne vernachlässigt. Das regelmäßige Mitarbeitergespräch verkommt zur lästigen Pflichtübung. »Wozu ein Mitarbeitergespräch? Wir reden eh jeden Tag miteinander«, lautet der ablehnende Tenor unter Führungskräften. Unter den Mitarbeitern herrscht dagegen die Befürchtung vor, jede geringfügige Kritik könnte den Verlust des Arbeitsplatz bedeuten, wie Kommentare auf dem Internetportal karriere.at zeigen: »Für Mitarbeitergespräche gilt: größte Zurückhaltung, dem Chef auch zur größten Schnapsidee wohlwollende Zustimmung signalisieren und danach in aller Ruhe weiterarbeiten. Kein Wort zu Kollegen oder gar Betriebsrat, jeder Vertrauensbruch wird gegen Sie verwendet.« Ein Gespräch auf Augenhöhe sieht anders aus. Tatsächlich ist gegenseitiges Feedback nicht in allen Unternehmen möglich und erwünscht. Voraussetzung ist eine wertschätzende Unternehmenskultur, die eine offene, faire Kommunikation zwischen Führungsebene und Belegschaft vorsieht.

Gegenseitige Rückmeldung

Ein gutes Mitarbeitergespräch ist in Verbindung mit realistischen Zielvereinbarungen ein äußerst effizientes Führungsinstrument. Es gibt die Gelegenheit zu einem gemeinsamen Abgleich von Fremdbild und Selbstbild sowie zu Lob und Anerkennung – ein Punkt, der im Arbeitsalltag oftmals zu kurz kommt. Eine Studie der Universität Erlangen ergab, dass Führungskräfte im Durchschnitt nur zwei Stunden pro Jahr mit ihren Mitarbeitern direkt kommunizieren. In vielen Betrieben ist das Jahresgespräch der einzige längere persönliche Termin. Entscheidend ist die Art der Kommunikation: Konnten sich die Mitarbeiter auch inhaltlich einbringen oder ihre Meinung äußern, wurde das Gespräch in der Befragung positiv bewertet. Legte ihr Chef es jedoch als reine Bilanz über ihre Arbeitsleistung an, fühlten sich die Mitarbeiter ausgeliefert. Für ein Feedback des Führungsverhaltens oder das Ansprechen von Problemen im Team bleibt häufig kein Platz.

»Einmal jährlich durchgeführt, ist das Mitarbeitergespräch eine Farce: Ich kann den Mitarbeiter nicht ein Jahr lang laufen lassen, um ihm dann im jährlichen Gespräch zu sagen, dass dies die falsche Richtung war und ab sofort gewendet wird. Und dann lasse ich ihn wieder ein Jahr allein laufen – was hat das mit Führung zu tun?«, sagt Miriam Gross, systemische Beraterin und Autorin des Buches »Das moderne Mitarbeitergespräch«. Damit das Gespräch nicht zur bloßen Pflichtübung fürs Protokoll wird, empfiehlt sie beiden Seiten – Mitarbeiter und Vorgesetzten –, sich gut vorzubereiten: »Ich muss mir Zeit nehmen und mir auch als Führungskraft eine Rückmeldung holen. Das passiert beim täglichen Reden zwischen Tür und Angel nicht. Es geht um einen Austausch von gegenseitigen Bedienungsanleitungen: Wer braucht was von wem, um effektiv arbeiten zu können?«

Einen Spiegel vorhalten

Warum Mitarbeitergespräche häufig »wie eine Einbahnstraße« verlaufen, liege in der Verantwortung der Führungskräfte, meint Dagmar Lercher, geschäftsführende Gesellschafterin der »akademie – Wir machen es möglich« in Graz: »Führungskräfte sind oft dominante Charaktere. Wenn der Chef 90 Prozent der Zeit redet und der Mitarbeiter kann dazu nur Muh und Mäh sagen, entsteht natürlich der unangenehme Eindruck eines Zeugnistags.« Wer sich zudem nicht regelmäßig Notizen über Leistungen und das soziale Verhalten der Mitarbeiter macht, ist kaum in der Lage, am Ende des Jahres eine faire Beurteilung zu treffen. Persönliche Sympathien verzerren ebenso die Einschätzung wie zu milde oder zu strenge Bewertungen von Chefs, die ihren eigenen Leistungsanspruch undifferenziert auf die Mitarbeiter übertragen. Oder es tritt der »Nikolauseffekt« ein, so Lercher: »Wie Kinder, die sich in der Adventzeit bemühen, besonders brav zu sein, zeigen auch manche Mitarbeiter kurz vor dem Jahresgespräch mehr Einsatz. Die letzten Ereignisse sind noch besser in Erinnerung, länger zurückliegende Fehler eher in Vergessenheit geraten.«

Als erfreulich betrachtet die Arbeitspsychologin, dass immer mehr Unternehmen umfangreiche Tools wie die 360-Grad-Analyse einsetzen, um auch die Kompetenzen und Leistungen der Führungskräfte unter die Lupe zu nehmen. »Nur wenn ich selbst einen Spiegel vorgehalten bekomme, kann ich mich verbessern«, sagt Lercher. Eine gute Führungskraft stellt Fragen und hört zu. Fehleinschätzungen oder Wahrnehmungsfehler können auf diese Weise korrigiert werden. Denn hinter vermeintlicher Unzuverlässigkeit stecken vielleicht private Sorgen. Unter- oder Überforderung führt oft zu Unzufriedenheit, die sich zunächst in sinkender Produktivität niederschlägt, später auch zu Kündigungen führt. Statt wertvolle Fachkräfte zu verlieren, könnten sie durch ein anderes Arbeitszeitmodell oder Weiterbildungsangebote motiviert und im Betrieb gehalten werden. All das kann ein Vorgesetzter nur dann in Erfahrung bringen, wenn er für die Mitarbeiter ehrliches Interesse zeigt. Kritische Inhalte sind keineswegs tabu – sehr wohl aber Bewertungen, die sich ausschließlich auf die Person, nicht aber auf veränderbares Verhalten beziehen. Wie so oft macht der Ton die Musik. Ein Mitarbeiter, der mit Aussagen à la »Sie sind unfähig. Ihre Leistung ist indiskutabel« konfrontiert wird, verschließt sich oder nimmt eine Abwehrhaltung ein. Beide Reaktionen sind wenig zielführend. Es kommt auf eine wertschätzende Formulierung an – und auf ein Quäntchen Lob. Kritik ohne Anerkennung demotiviert.

Kommunikative Netze

Die Wirtschaftstrainerin Ursula Tatzber, die auch als Mediatorin für Hill International tätig ist, sieht das Mitarbeitergespräch deshalb als »dreifache Win-win-Strategie«. Für Mitarbeiter als »Standortbestimmung sowie Möglichkeit, das eigene Handeln auf festgelegte Kriterien auszurichten«. Für Führungskräfte, die ihre Verantwortung in der »Entwicklung und Förderung der fachlichen und persönlichen Kompetenzen der Mitarbeiter« wahrnehmen. Und schließlich für das Unternehmen, das Abläufe und Verantwortlichkeiten transparent macht, das »unternehmerische Denken jedes einzelnen Mitarbeiters stärkt« und zu einer größeren Identifizierung mit der Firma beiträgt. Eine besondere Perspektive bekommt das Gespräch durch den wachsenden Anteil jüngerer Mitarbeiter im Betrieb. Sie wollen sich stärker einbringen, als dies bei früheren Generationen der Fall war, und fordern von ihren Führungskräften regelmäßiges Feedback ein. Via Intranet, Twitter, Blogs etc. ist das Diskutieren von Ideen und Strategien jederzeit möglich. Das Netz ist auch ein guter Gradmesser, an dem sich frühzeitig ablesen lässt, wenn die Stimmung an Bord kippt. Das vertrauliche Vier-Augen-Gespräch ist durch Web-Netzwerke nicht ersetzbar. Sie tragen jedoch zu einer ungezwungenen Kommunikationskultur bei. Der positive Einfluss auf Produktivität, Motivation und Mitarbeiterbindung ist unbestritten. Ein Betrieb, der den Mitarbeitern ein offenes Ohr schenkt, kann auf ihre Loyalität zählen.

TIPPS für Führungskräfte

> Bereiten Sie sich schriftlich vor, um dem Mitarbeitergespräch die notwendige Struktur zu geben. Sorgen Sie für eine angenehme, vertrauliche Atmosphäre.
> Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, Störungen durch Anrufe oder Kollegen vermeiden.
> Lassen Sie den Mitarbeiter in gleichem Maß zu Wort kommen, halten Sie keine Monologe, unterbrechen Sie nicht.
> Geben Sie dem Mitarbeiter Gelegenheit zur eigenen Einschätzung seiner Arbeitssituation.
> Hören Sie zu, fragen Sie bei Unklarheiten nach.
> Geben Sie konstruktives Feedback – beschreibend, nicht bewertend, auf sachlicher Ebene.
> Sparen Sie nicht mit Lob und Anerkennung.
> Vermeiden Sie Andeutungen, Verallgemeinerungen und Hinweise auf Aussagen anderer Mitarbeiter.
> Vereinbaren Sie realistische Ziele und legen Sie die Kriterien dafür möglichst transparent fest.

TIPPS für Mitarbeiter

> Nutzen Sie das Gespräch als Chance zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung.
> Bereiten Sie sich schriftlich vor und überlegen Sie Argumente für Ihre Anliegen.
> Gehen Sie offen und motiviert in das Gespräch, begegnen Sie Ihrem Vorgesetzten nicht als Bittsteller.
> Äußern Sie Kritik sachlich, ruhig und auf konkrete Beispiele bezogen.
> Nehmen Sie Kritik ebenso ruhig an.
> Machen Sie sich eigene Schwächen und Fehler bewusst.
> Sprechen Sie Konflikte offen an.
> Zeigen Sie Bereitschaft, am Erfolg des Unternehmens mitzuwirken.
> Signalisieren Sie Ihren Wunsch nach Weiterbildung und Aufstiegsmöglichkeiten.
> Nutzen Sie die Chance, eine Anpassung des Gehalts an Leistungen und erreichte Ziele zu erwirken.

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Last modified onDienstag, 14 Januar 2014 16:17
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