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Der heimische Markt und seine Herausforderungen

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Telekommunikation ist eine der spannendsten Branchen, in der man heutzutage zu Hause sein kann. Kommentator Erwin Teufner wünscht dazu Österreich und Europa eine durchdachte, strategische Infrastrukturpolitik.

Telekommunikation: Die ganze Welt spricht davon. Täglich neue Apps, die Cloud wächst rasant. Verdoppelung der Bandbreiten jedes Jahr. Social Media ändert uns: wie wir arbeiten, miteinander kommunizieren, wie wir all das Wissen dieser Welt für uns nutzen können. Das Zeitalter der Netzökonomie hat begonnen. Stürmische Zeiten: Die Umsätze und Ergebnisse der österreichischen Netzbetreiber in Summe sind rückläufig. Den Netzwerklieferanten ging es auch schon einmal wesentlich besser. Die ursprünglich dominierenden europäischen Player sind geschrumpft. Die Konkurrenten aus Asien haben massiv Marktanteile gewonnen – Österreich galt hier als Testmarkt, mit hohentechnischen Anforderungen, aber klein genug, um sich einkaufen zu können. Viele Leute in der Branche sind zermürbt von permanenten Reduktionen, Reorganisationen und einer viel zu starken Orientierung nach innen.

>> Die Gewinner <<

Treten wir gemeinsam einmal einen Schritt zurück: Was ist hier wirklich passiert? Die großen Gewinner sind vorerst die Endkunden. Österreich zählt zu der Gruppe der mit Abstand kompetitivsten Märkte in Europa. Die Betreiber haben sich einen gnadenlosen Wettkampf um Marktanteile – primär über den Preis – geliefert und werden die Geister, die hier gerufen wurden, nicht mehr los. Massiv begleitet wurde dieser Prozess von den europäischen Regulierungsbehörden, deren ursprüngliches Ansinnen, durch asymmetrischen Wettbewerb mehr Konkurrenz und einen Mehrwert zu schaffen, schon lange erfüllt ist.

Over-the-Top-Playern wie Google, Facebook und Co kann das nur recht sein – sie jagen von einem Rekordgewinn zum nächsten, müssen keine riesigen Investitionen tätigen, um all ihre Kunden mit der notwendigen Bandbreite zu erreichen, und das Schönste ist: Die teuren Endgeräte werden von den Netzbetreibern auch noch subventioniert.

>> Andere Märkte, andere Sitten <<

Wenn wir in die USA blicken, dann sehen wir dort nunmehr eine Handvoll riesige Player mit Skaleneffekten, die in Europa unter den aktuellen Rahmenbedingungen und den über 100 Netzbetreibern niemals entstehen können. Parallel dazu gibt es dort volumenbasierte Tarifstrukturen (shared data plans), die ungefähr doppelt so hoch liegen wie in Europa. Damit ist auch logisch, warum das Thema Netzneutralität kein großes Problem darstellt – das Geschäft erlaubt es auch den Netzbetreibern, vernünftig zu leben. Sie haben hohe Gewinne, und eindrucksvolle Cashflows trotz massiver Investitionen in den überaus raschen Ausbau der 4G-Netze und Glasfaser – wie übrigens in großen Teilen Asiens auch. Der Gewinn wird primär nicht ausgeschüttet, sondern in die eigene Infrastruktur oder Übernahmen investiert. Zur gleichen Zeit wurden in Euro­ a Dividenden bezahlt, die teils über den Gewinnen lagen.

>> Druck bleibt <<

Dieses Jahr wurde nach sehr, sehr langer Prüfung die Übernahme von Orange durch Drei letztendlich abgesegnet, wodurch sich die Anzahl der Mobilnetzbetreiber in Österreich vorerst auf drei reduziert. Dieser Schritt war für den kleinen österreichischen Markt absolut notwendig. Die europäischen Ausrüster freut dies weniger, denn wiederum ist es ihr »Footprint«, der verloren geht. Der Preis- und somit auch der Markendruck wird bleiben, angestammte Dienste wie Sprache und SMS weiterhin erodieren und der Mehrwert von laufend steigenden Datenraten materialisiert sich nur zögerlich in Form neuer Umsätze. Auch wenn bei der kommenden LTE-800-MHz-Auktion der Markteintritt eines neuen Infrastrukturmitbewerbers ausdrücklich erwünscht ist, erscheint der Neueintritt von virtuellen Netzbetreibern ohne eigenes Netz realistischer. Diese treten typischerweise sehr preisaggressiv in Verbindung mit neuen, sehr kreativen Geschäftsmodellen auf.

Die Betreiber der österreichischen Netze müssen sich also weiterhin in Summe auf Umsatzrückgänge einstellen. Somit bleiben Reduktion der Betriebskosten und zusätzlicher Druck auf Lieferanten die bestimmenden Faktoren – jedoch kann damit wohl nicht viel mehr erreicht werden als die aktuellen Finanzergebnisse zu halten und als Dividenden auszuschütten, um die Aktionäre mangels Wachstums bei Laune zu halten.

>> Österreich mit Aufholbedarf <<

Wir sehen bereits heute, dass Österreich in Sachen LTE-Ausbau anderen Ländern hinterherhinkt – und da brauchen wir noch gar nicht den Blick über den großen Teich in die USA werfen. Noch schwieriger sieht es im Festnetz aus – die Fiberization findet recht zögerlich statt und lässt sich bei den aktuellen europäischen Marktbedingungen auch weiterhin nicht in einem mittelfristigen Return-of-Invest, wie es bei bör-sennotierten Unternehmen notwendig ist, abbilden. Genau wie bei Bahnschienen oder Autobahnen – aber diese wurden aus genau diesen Gründen nicht privatisiert, da es sich um Infrastrukturen einer (absolut notwendigen) Standortpolitik handelt.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich träume nicht von einer Re-Verstaatlichung. Nur gesunder, harter Wettbewerb schafft hier einen Mehrwert. Aber: Leistungsfähige und sichere Telekommunikation ist essentieller Bestandteil der kritischen Infrastruktur eines Landes. Die Bedeutung geht weit über den Wert und die wirtschaftliche Situation der Telekommunikationsanbieter hinaus und determiniert die mittel- und langfristigen Erfolgschancen eines Landes in der sich dramatisch ändernden Weltordnung. Die USA haben ganz bewusst entschieden, gewissen Telekomausrüstern den Zugang auf ihren Markt zu verwehren und betreiben eine Renationalisierung der Infrastrukturanbieter – wie etwa der Plan, Vodafone bei Verizon Wireless auszukaufen.

>> Kurzsichtiges Europa <<

Und was tun wir in Europa und Österreich? Wir ermöglichen den privaten Betreibern unserer Netze nicht, die langfristig notwendigen Erträge zu erzielen. Und sind damit auch am besten Wege, die Industrie der europäischen Netzausrüster zu vertreiben. Diese sind technologisch immer noch führend, haben aber nicht die finanziellen Möglichkeiten, den ruinösen Preiskampf am europäischen Markt durchzuhalten. Und wie erste Investitionen am europäischen Markt zeigen, werden die Netze selbst möglicherweise auch die Besitzer wechseln. Dann wiederum wird das Thema europäische Infrastrukturpolitik noch schwieriger durchzusetzen sein. Besonders wenn endlich erkannt wird, dass es sich bei genau diesen Netzen um die wesentlichste Infrastruktur und Plattform der Netzökonomie handelt und alle Kontinente außer Europa hier konsequent ihre eigenen Interessen vertreten – im wirtschaftlichen und politischen Wettbewerb um die Ressourcen für künftigen Erfolg.

Zum Autor:
Erwin Teufner, 44, war viele Jahre bei Alcatel Lucent Austria als Technikvorstand sowie in internationalen Funktionen für Zentral- und Osteuropa tätig.

Last modified onFreitag, 24 Mai 2013 16:27
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