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Technologische Heimschwäche

Auf dem internationalen Parkett liefert die österreichische Umwelt- und Energietechnologie eine ansehnliche Performance. Am Heimmarkt stellt die Politik der Branche so manches Bein – darüber können auch ein Masterplan und ein Kompetenzzentrum nicht hinwegtäuschen.

 

Unser Einsatz für die Umwelttechnik hat sich absolut gelohnt«, zeigte sich Umweltminister Josef Pröll im September 2008 begeistert. Es galt das neue Kompetenzzentrum für Umwelt- und Energietechnologie ACT in Mödling zu eröffnen und gleichzeitig Bilanz über den seit 2006 laufenden »Masterplan Umwelttechnologie« zu ziehen.
Dann kam die Wahl, Parteikollege Niki Berlakovich erbte das ambitionierte Projekt und Pröll – nunmehr Vizekanzler der Republik – hegt seither deutlich weniger Interesse für die Umwelt. So wurde die Überlegung, die Verschrottungsprämie an CO2-Limits für den Neuwagen zu knüpfen, gleich im Keim erstickt. Die in schöner Regelmäßigkeit vorgebrachte Forderung der heimischen Umwelttechnikunternehmen, doch endlich die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu ändern und damit den Heimmarkt anzukurbeln, stößt ebenso auf taube Ohren. Auch die längst überfällige Novelle des Ökostromgesetzes, nach Meinung der Ökoenergiebranche ohnehin ein völlig unzureichender Entwurf, liegt seit September zur Begutachtung in Brüssel. »Mit mehr Druck seitens der Regierung wäre der Antrag längst durch«, kritisieren Experten. Ob die Maßnahmen – geplant ist eine Aufstockung des jährlichen Fördervolumens von 17 auf 21 Millionen Euro – ausreichen, um Investitionen in Wind, Sonne & Co zu forcieren, ist allerdings fraglich.

International gefragt
Dabei wird das Know-how der österreichischen Energie- und Umwelttechnikunternehmen hoch geschätzt – im Ausland. Im Jahr 2007 verzeichnete die Branche laut Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) einen Umsatz von sechs Milliarden Euro, etwa zwei Drittel davon (3,94 Mrd. Euro) wurden durch Exportgeschäfte erwirtschaftet. Sowohl die Umsätze wie auch die Exporte stiegen zwischen 2003 und 2007 jeweils um mehr als zwölf Prozent jährlich. Die österreichische Umwelttechnikindustrie wuchs somit schneller als die heimische Wirtschaft insgesamt.
Derzeit sind nach Angaben des WIFO 375 österreichische Firmen in der Branche tätig. Sonne, Wind, Wasser und Biomasse befinden sich auf Vormarsch, nicht zuletzt aufgrund der hoch gesteckten Klimaschutzziele. EU-weit soll der Anteil an erneuerbarer Energie bis 2020 von acht auf 20 Prozent ausgebaut werden. Österreich muss seinen Anteil an Öko-Energie von 23 auf 34 Prozent erhöhen.
Gelingen soll dies vor allem durch massive Investitionen in die Wasserkraft. Rund 8,4 Milliarden Euro sieht der »Masterplan Wasserkraft« vor. Bis 2020 könnten Projekte mit einem Potenzial von sieben Terawattstunden (TWh) realisiert werden, was etwa der siebenfachen Leistung des Kraftwerks Wien-Freudenau entspricht. Danach ist mit den Ausbauten jedoch bald Schluss: Vom theoretischen Gesamtpotenzial von 56 TWh sind 38 TWh bereits verwirklicht, fünf der verbleibenden 18 TWh wären ohnehin wirtschaftlich unrentabel.

Green Jobs
Österreich täte also gut daran, sich nach anderen Energiequellen umzusehen. Im gleichen Zug könnte ein starker Heimmarkt die Wirtschaft insgesamt stärken – zwei Fliegen mit einem Schlag. Der Ausbau und Einsatz moderner Umwelttechnologien sei auch »Jobmotor und wesentlicher Wirtschaftsfaktor«, tönte Pröll bereits im Herbst.
Umweltminister Berlakovich hofft auf 75.000 zusätzliche Arbeitsplätze bis 2020. Derzeit sind in Österreich 179.000 Menschen in sogenannten Green Jobs tätig, davon 32.000 im Kernbereich Umwelttechnologie. In den letzten Jahren stieg die Zahl der Beschäftigten laut Ministerium um 6,6 Prozent.
Noch im Februar will Berlakovich mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner Gespräche über einen »Masterplan Erneuerbare Energie« führen, der 2010 vorgelegt werden soll. Gleichzeitig muss er sich aber auch um »mehr Mittel«, so Berlakovich, bei seinem Vorgänger und jetzigen Finanzminister Pröll anstellen. Die derzeit 90 Millionen Euro pro Jahr werden nicht reichen.
Das im September 2008 gegründete Umwelttechnologiezentrum ACT (Austrian Clean Technology) soll künftig als Drehscheibe zwischen Wirtschaft, Politik und Verwaltung fungieren. »Kleinere Firmen haben oft das Problem, an Großprojekte heranzukommen. Da wären ein Bieter- und ein Finanzierungspool ein richtiger Weg. Wir könnten zum Aufbau solcher Möglichkeiten beitragen«, meint ACT-Geschäftsführer Gerhard Fallent.
Mit der eigens kreierten Marke »Clean Tech made in Austria« für die Exportoffensive der Wirtschaftskammer liegt der Fokus aber doch wieder stark auf Osteuropa, Asien und Russland. Nach Veranstaltungen in Jordanien, Syrien, Budapest und Tunesien reist im März eine Wirtschaftsmission nach Japan, einem der bedeutendsten Wachstumsmärkte. Chancen könnten sich für österreichische Unternehmen aus den Bereichen Umwelttechnik, Forstwirtschaft und Alternativenergie ergeben, aber auch der japanische Recyclingmarkt boomt derzeit. 

Künftige Leitindustrie
Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger belegte bereits 2007 das große Wachstumspotenzial der Umwelttechnikbranche. Nach Berechnungen des Projektleiters Rupert Petry hätte die österreichische Wasser-, Abfall- und Energietechnologie die Chance, bis 2030 der drittgrößte Industriesektor zu werden und damit etablierte Industriezweige wie Metall, Chemie oder Holz zu überholen. Zur »Entwicklung einer Leitindustrie mit mehr als 30 Milliarden Euro Umsatz«, wie sie Petry für realistisch hält, ist es allerdings ein weiter Weg. Denn längst hat uns der große Nachbar Deutschland durch verstärkte Investitionen in den meisten Bereichen überholt, sogar im Kernsegment Recycling und Abfallwirtschaft. Ein Beispiel: In der Sparte Energieeffizienz erwirtschaftet Deutschland bereits 2,1 Prozent des BIP, der EU-Durchschnitt liegt bei 1,8 Prozent, Österreich schafft nur 0,2 Prozent.
Um das heimische Know-how künftig besser auszuschöpfen, will Berlakovich verstärkt Geld in Forschung und Entwicklung fließen lassen und mit Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten. Geld dafür soll auch aus dem für 2009 mit 150 Millionen Euro dotierten Klima- und Energiefonds kommen. Zunächst erhoffen sich Industrie und Politik einen kräftigen Schub durch das zweite Konjunkturpaket: 100 Millionen Euro werden in die thermische Sanierung von privaten Haushalten und Betriebsgebäuden investiert. ACT-Chef Fallent: »Wer eine Million Euro im Bereich thermische Sanierung investiert, schafft 14 neue Jobs.«  
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Grüne Ausbildung für Green Jobs
Umweltminister Berlakovich möchte in Zusammenarbeit mit Innungen, Berufsschulen und Fachhochschulen neue Berufsbilder schaffen, um der Umwelttechnologie auf die Sprünge zu helfen. So könnte es beispielsweise den Umwelttechniker, den thermischen Sanierungstechniker oder den Biomasse-Facharbeiter geben, meinte der Minister anlässlich der Präsentation der Offensive für »Green Jobs«. Gerhard Fallent, Geschäftsführer der Technologieplattform »Austrian Clean Technology« (ACT), plant deshalb für heuer eine Qualifizierungsoffensive. Derzeit werden die Forschungsaktivitäten auf den österreichischen Universitäten erhoben, um Systematik in die Ausbildung zu bekommen. Fallent schwebt auch vor, in Kooperation mit internationalen Partnern eine »Summer School« einzurichten, die mit dem »International Master for Sustainable Energy« abschließt.

Last modified onFreitag, 27 Februar 2009 15:22

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