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Energiewende mit Gas?

Energiewende mit Gas?

Auf der »European Gas Conference« in Wien diskutierten Energieexperten zur Lage der Branche. Erdgas wird eine positive Zukunft vorausgesagt. Ein Kommentar von Otto Musilek.

Seit vielen Jahren werden wir beim Thema Energie mit Schlagworten wie Versorgungssicherheit, Effizienz, Energiewende, Abhängigkeit, Erneuerbare, Diversifikation, Wettbewerb, Liberalisierung, CO2-Reduktion, Klimaschutz, Umwelt und anderen mehr beeinflusst, verunsichert und manipuliert. Es existieren viele Ideen, aber keine nachhaltigen Konzepte und keine klaren Bekenntnisse, die in Europa oder gar weltweit durchgesetzt werden können. Während in Europa der Energieverbrauch aufgrund der wirtschaftlichen und damit finanziellen Situation sinkt, zumindest aber nicht steigt, nimmt der Bedarf an Energie weltweit zu. Das gilt auch für Erdgas. Ende Jänner 2015 fand in Wien wieder die traditionelle »European Gas Conference« statt, wo hochrangige Vertreter aus dem Energiebereich einen umfassenden und optimistischen Überblick über die Lage der europäischen Erdgaswirtschaft darstellten und diskutierten. Dem Erdgas wird eine positive Zukunft vorausgesagt. Kein Wunder, es wurde ja im Rahmen einer Gas-Konferenz gesagt. Viele realistische Prognosen gehen davon aus, dass Gas weiterhin eine wichtige Rolle im Energiemix der EU, zumindest bis 2050, spielen und die weltweit am schnellsten wachsende Primärenergie sein wird. Das Problem dabei ist: Die EU ist mit der derzeitigen Lage nicht zufrieden und möchte die Abhängigkeit Europas von den russischen Gasimporten, auch vor dem Hintergrund der Ukrainekrise und den Sanktionen gegen Russland, drastisch reduzieren. Namhafte EU-Vertreter waren in Wien nicht präsent, um die Sache zu kommentieren und mögliche Alternativen aufzuzeigen.

Starkes Russland

Alexander Medwedew, stellvertretender Generaldirektor von Gazprom, führte aus, dass Russland beabsichtigt, die Gasexporte nach Europa um 5 bis 8 Prozent auf 160 Milliarden Kubikmeter in den nächsten drei Jahren zu erhöhen, größter Gasversorger zu bleiben und den Anteil von 30 Prozent an den europäischen Gasimporten zu halten. Dies ist plausibel, weil die Gasproduktion in der EU kontinuierlich zurückgeht und die Nachfrage nach Gas von den anderen, bereits etablierten Produzenten wie Norwegen, Niederlande und Algerien aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht gedeckt werden kann. Es bleibt also nur die Möglichkeit, andere Quellen zu suchen und zu entwickeln. Für Europa sind aus heutiger Sicht im wesentlichen zwei Alternativen interessant – LNG (Liquefied Natural Gas) und die Region um das Kaspische Meer. Es sind aber enorme Investitionen notwendig, um das Gas von den LNG-Terminals zu den Verbrauchermärkten zu bringen, die bisher kein LNG beziehen, aber auch Investitionen in Pipelines aus anderen gasproduzierenden Staaten.

Unterschiedliche Korridore

Russland stoppte den weiteren Ausbau der Ostseeleitung (»North Stream«) und den Bau der »South Stream«-Pipeline durch das Schwarze Meer in die EU. Gazprom leitet das South-Stream-Projekt nunmehr über die Türkei, um weitere Diskussionen und Verhandlungen betreffend die strengen Regeln der EU über die Nutzung der Pipelines zu vermeiden. Aktuell sind aber noch viele Fragen im Zusammenhang mit diesem Projekt zu klären, vor allem, wie der Weitertransport in die EU erfolgen soll. Bis 2018 soll der sogenannte »Südkorridor«, bestehend aus der TANAP (Trans Anatolian Pipeline) und der TAP (Trans Adria Pipeline) von Griechenland nach Italien, fertiggestellt sein. Durch den Korridor könnte neben Gas aus dem Nahen und Mittleren Osten auch russisches Gas transportiert werden. Dafür werden insgesamt 45 Milliarden Dollar veranschlagt. Die Gasreserven in der kaspischen Region sind allerdings enorm und könnten Europas Versorgung für Jahrzehnte sichern. LNG wäre eine zusätzliche Option. Woher und zu welchem Preis das LNG nach Europa kommen könnte, wurde auch in dieser Konferenz nicht klar beantwortet. Zurzeit ist das Preisniveau für LNG zwei bis drei Mal höher als das für Pipeline-Gas, abhängig von der Quelle und der Enddestination. Andererseits schließen die USA Zugeständnisse an den Iran, wo sich die zweitgrößten Erdgaslagerstätten weltweit befinden, in Bezug auf Erdgaslieferungen nach Europa aus, weil sie selbst Pläne für Gasexporte (LNG) wälzen und zwischenzeitlich den europäischen Primärenergiemarkt mit billiger Kohle überschwemmen. Damit wird die Erreichung der CO2-Ziele in Europa ad absurdum geführt.

Unsachlichkeit

Es ist auch bedauerlich, dass die Möglichkeit einer Produktion von »unkonventionellem « Gas – dem Schiefergas – in Europa nicht sachlich, sondern ausschließlich emotional diskutiert wird. Die angestrebte Sicherstellung der Energieversorgung ist ein sehr langfristiger Prozess und zwischenzeitlich zunehmend politischer Einflussnahme ausgesetzt. Es muss uns aber bewusst sein, dass ohne Erdgas als umweltfreundlichste fossile Energie eine nachhaltige Änderung im Energiemix nicht möglich und auch finanziell sowie wirtschaftlich nicht leistbar ist. Wird die Stromproduktion in Gaskraftwerken mit anderen Technologien verglichen, so zeigt sich: Die Erzeugung einer Megawattstunde (MWh) elektrischen Stroms aus Windkraftwerken kostet etwa das Dreifache, aus Geothermie rund das Fünffache und aus Solaranlagen rund das Sechsfache. Das bedeutet, dass auf den gesamten produzierten Strom rund 31 Euro pro MWh als Förderkosten aufgeschlagen werden – für nur etwa 19 Prozent alternativ erzeugten elektrischen Stroms.

Brüssel gefragt

Die EU-Bürokratie ist gefordert, nach jahrelangen opportunistischen und politischen Statements endlich Konzepte für eine nachhaltige, wirtschaftliche und umweltschonende Energiepolitik auszuarbeiten und vorzulegen. Dabei sind die Absicherung und Werthaltigkeit von langfristigen Investitionen zu berücksichtigen. Es müssen auch Vorkehrungen getroffen werden, dass nichteuropäische Energie- respektive Gasproduzenten die komplexen Vorschriften und Regeln verstehen, nachvollziehen und akzeptieren können. Eine klare, transparente Energiepolitik ist eine der Grundvoraussetzungen um den Wirtschaftsstandort Europa zu sichern. Die Erdgasindustrie hat viele innovative Projekte und Vorhaben vorgestellt. Sie benötigt aber jetzt eine gute Portion Unterstützung, um die gesteckten Ziele einschließlich Klimaschutz und Umwelt zu erreichen.



Zum Autor:
Kommerzialrat Ing. Otto Musilek, geboren 1948 in Wien, ist seit 2008 Geschäftsführer des Beratungsunternehmens MEC Management Energy Consultant. Davor war er Geschäftsführer der OMV Gas GmbH, Vorsitzender des Nabucco Steering Committees und Vorsitzender des Adria LNG Shareholder Committees. Musilek verfügt über umfangreiche Kenntnisse der österreichischen und internationalen Gaswirtschaft in den Bereichen Speicher, Transport, E&P und Handel.

Last modified onFreitag, 04 Dezember 2015 15:41
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