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Von einer verantwortungsvollen Industriepolitik ist die Europäische Union aktuell weit entfernt. Auch die gut gemeinte Idee eines nachhaltigen Finanzierungssystems geht an der Realität vorbei. Es droht sogar die Verbannung energieintensiver Tätigkeiten von den Kapitalmärkten.

Klimaschutz und der Umweltgedanke haben auch die Banken- und Finanzwelt ergriffen. Die EU-Kommission unterstützt diesen Trend und hat ein umfassendes Gesetzespaket mit Richtlinien auf den Weg gebracht, das neben Rentabilität, Liquidität und Sicherheit nachhaltige Aspekte und Auswirkungen auf den Klimaschutz berücksichtigt. Dies soll zur Erleichterung und Harmonisierung nachhaltiger Investitionen am europäischen Markt führen sowie Transparenz und Verwendbarkeit nachhaltiger Finanzinstrumente verbessern. »Sustainable Finance« wird als zentrales Thema der nächsten Legislaturperiode von 2019 bis 2024 gesehen. Selbst die Europäische Investitionsbank soll zur Klimabank werden.

Evaluierung der Unternehmen

Die Richtlinien basieren unter anderem auf der von einer technischen Expertengruppe erarbeiteten Taxonomie, die zu einem einheitlichen Klassifizierungssystem für nachhaltige Vermögenswerte werden soll. Dieses legt Kriterien fest, um wirtschaftliche Tätigkeiten aus Sicht der Umweltpolitik zu bewerten. Wirtschaftliche Tätigkeiten sollen einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem von sechs definierten Umweltzielen leisten und keinem anderen widersprechen. Darunter fallen Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie der Schutz gesunder Ökosysteme. Unternehmen werden hinkünftig evaluiert, um als ökologisch nachhaltig zu gelten.

Leider wurde verabsäumt, die Finanzwelt und die Realwirtschaft diesbezüglich zu befragen. Sowohl das Klassifizierungssystem als auch die Kriterien sind ohne Überprüfung praktikabler Umsetzung festgelegt worden. Offen ist beispielsweise, wer für die Prüfung der Kriterien verantwortlich zeichnet und wer die Kosten trägt. Viele Branchen der Industrie sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Dennoch soll das System nicht nur für Kapitalmarktprodukte gelten, sondern auch für klassische Bankprodukte wie Kredite.

Operative Umsetzung vernachlässigt

Ein gut gemeinter theoretischer Ansatz scheint sich zu verselbstständigen, ohne die operative Umsetzung je evaluiert zu haben. Werden energieintensive Tätigkeiten hinkünftig gar von den Kapitalmärkten verbannt? Droht vielen Unternehmen ein Investitionsstop? Vieles ist nach wie vor völlig unklar. Leider befindet sich der Entwurf im Trilog bereits auf Ebene des Ministerrats. Bleibt zu hoffen, dass Einsicht einkehrt und man endlich zu einer verantwortungsvollen europäische Industriepolitik zurückkehrt.