Am 9. März feierte die aktuelle Börsenphase ihren siebten Geburtstag. Der Dow hat in dieser Zeit 159% gewonnen, der S&P 500 193%, der Nasdaq kommt auf +266%. Seit dem 9. März 2009 gab es keinen Rückgang der großen US Aktienindices um 20% oder mehr. Ein solcher Rückgang wird normalerweise als beginnender Bärmarkt angesehen. Der (nach dieser Definition) anhaltende Bull-Run ist mit 84 Monaten Dauer der dritt-längste in der Geschichte. Im Mittel werden 59 Monate erreicht.

 

Der S&P 500 hat das 62er Retracement des zum Jahresende 2015 gestarteten Abwärtsimpulses bei 1984 überwunden und ist auf dem Weg, die über die jüngsten Hochs zu legende Abwärtslinie bei aktuell knapp 2040 zu attackieren. Dies wird ein wichtiger Test für die weitere Entwicklung.

 

Vor kurzem hat die Bank for International Settlements davor gewarnt, dass sich ein Sturm zusammenbraut. Die BIS/BIZ hat immerhin seit 2003 mehrfach vor den Gefahren gewarnt, denen das globale Finanzsystem ausgesetzt ist. Ihr früherer Chef-Volkswirt William White hat im August 2005 beim Notenbanker-Treffen in Jackson Hole auf die Risiken einer überbordenden Kreditexpansion hingewiesen.

 

Jetzt sieht die „Zentralbank der Zentralbanken“, dass den Zentralbanken die Munition ausgehen könnte. Die hohe Verschuldung könnte die Weltwirtschaft in eine schlimmere Krise bringen als 2008, heißt es. Wie mit jeder Sucht, so gibt es bei dem Übermaß an Liquiditäts-Drogen den Punkt, an dem die Mittel nicht mehr wirken. So hat China jetzt einen Rückgang der Exporte um 25,4% gegenüber dem Vorjahr gemeldet, Japan bleibt im Wirtschaftskoma. In beiden Ländern gab es massive geldpolitische Anreize, in Japan ist der Versuch gescheitert, mit den aggressivsten QE-Maßnahmen aller entwickelten Länder das Steuer herumzureißen.

 

Die japanische Zentralbank hat vor einigen Wochen noch einen drauf gesetzt – sie hat die Zinsen negativ gemacht. Waren bisher alle Geldflutungsmaßnahmen von den Börsen dankbar aufgenommen worden, so reagierten Aktien auf diese Entscheidung allerdings vergrätzt. Der Nikkei fiel wie ein Stein und notiert immer noch deutlich unter dem Stand von Anfang Februar.

 

Die EZB hat ihren Kurs negativer Zinsen (für Übernacht-Einlagen der Banken bei der EZB) am zurückliegenden Donnerstag fortgesetzt. Anfänglich wurde die Entscheidung in Verbindung mit einer Ausweitung des QE-Programms von den Aktionären überschänglich gefeiert. Als dann aber EZB-Chef Draghi andeutete, weitere Zinssenkungen seien eher unwahrscheinlich und auch noch die Prognose hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung zurücknahm, kam Katerstimmung auf, Aktien brachen ein. Einen Tag später allerdings sah die Welt schon wieder ganz anders aus, der DAX überstieg wichtige Marken bei knapp 9700 und 9800.

 

Eines wird in diesen extremen Bewegungen deutlich: Die Finanzmärkte geraten zunehmend in Abhängigkeit von den Zentralbanken. Jeder Furz von dort kann einen Crash oder einen Hype auslösen, dessen Ausmaß in keinem Zusammenhang zum Inhalt der Aussage steht. Wie ist das noch mit dem Drogen-Abhängigen und seinem Dealer?

 

Italiens notleidende Kredite steigen an, das Land scheint sich auf Griechenland-Kurs zu begeben. Weder Griechenland noch Zypern konnten mit der extrem lockeren Geldpolitik der zurückliegenden Jahre der Schuldenfalle entkommen. Portugal steckt drin, Spanien auch. Hoffnung auf bessere Zeiten verbunden mit der Weigerung, Schulden zu restrukturieren, künstliches Renditedrücken durch die EZB – all das hilft nicht weiter. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

 

Billiges Geld führt zu riskanter Kreditvergabe und zu immer waghalsigeren Spekulationen. Die Realwirtschaft profitiert davon nicht. Im Gegenteil, Fehlallokationen werden begünstigt, Fehlinvestitionen schaffen am Ende kein Wachstum, sie kosten Wachstum.

 

Unsere Paradebank, die Deutsche Bank, sitzt auf Derivaten im Volumen von rund 55 Bill. Dollar, die ungleich größere JPMorgan hat „nur“ 52 Bill. Dollar. Beide zusammen kommen auf rund ein Fünftel des globalen Derivatemarktes. Die Kursentwicklung der meisten großen Banken zeigt, dass sie als riskantes Investment angesehen werden: Sie werden deutlich unter ihrem Buchwert gehandelt.

 

Japan ist in gewissem Sinne ein Muster für die „moderne“ Geldpolitik in den entwickelten Ländern. Das Land hat lange vor Europa und den USA mit QE-Maßnahmen begonnen. Sie haben letztlich nichts bewirkt, die Ursachen der Malaise nicht beseitigt. Die Verschuldung nahm astronomische Ausmaße an. Das Wachstum dümpelt dahin. Dann kamen die Abenomics mit der Potenzierung der Geldflut. Auch hiermit wurde kein nachhaltiger Wachstumsschub erreicht.

 

Dollar/Yen stieg in der Folge bis Mitte 2015 um 60%. Das brachte den japanischen Exportunternehmen Extra-Profite, der breiten Wirtschaft half das nicht. BoJ-Chef Kuroda hatte im Januar eingestanden, dass die QE-Maßnahmen ihr Ziel verfehlt haben. Von ihrem Schritt hin zu negativen Zinsen am 29. Januar dürfte sich die BoJ eine erneute Schwächung des Yen versprochen haben. Zunächst stieg Dollar/Yen auch deutlich bis auf 121 an, dann aber kam der Zusammenbruch. Aktuell notiert das Währungspaar unter dem Pegel von gut 115, der allgemein als Schmerzgrenze für japanische Export-Fimen gilt.

 

 

Ähnlich hat sich der Euro gegen Dollar im Umfeld der Bekanntgabe der EZB-Entscheidung verhalten. Zunächst fiel das Währungspaar wie ein Stein, im späteren Verlauf trat genau das Gegenteil ein. Yen und in steigendem Maße der Euro sind Carry-Trade-Währungen, in denen Auslander Kredite aufnehmen und somit die jeweilige Währung schwächen. Das gilt auch umgekehrt, ein erstarkender Euro und Yen zeigt cet. par. an, dass solche Kreditaktivitäten abnehmen.

 

Bisher hatten die Finanzmärkte China, die Emergings Markets, die Ölpreisentwicklung, auch Italien als mögliche Krisenherde im Visier. Japan könnte sich jedoch als das Land erweisen, von dem aus sich ein Flächenbrand entwickelt. Die Abenomics sind mittlerweile in nahezu jeder Hinsicht gescheitert, die dazugehörenden Reformen wurden erst gar nicht eingeleitet. Welche Möglichkeiten bleiben noch?

 

Die japanischen Zinsen, die Geldumlaufgeschwindigkeit, die BIP-Entwicklung, das Konsumverhalten der Verbraucher, Inflation, Bankzahlen und vieles mehr zeigen die Malaise. Die japanischen Märkte für Aktien und Bonds zeigen extremen Stress, Aktien dürften trotz bereits gedrückter Kurse noch reichlich Potenzial nach unten haben. Die japanischen Konsumenten horten Cash, die Verkäufe von Safes für Privathäuser ziehen kräftig an – Indikatoren für eine sich entwickelnde deflationäre Spirale, in der staatliche Anreize ohne Wirkung bleiben.

 

 

Eine eindrucksvolle Entwicklung – die Geldumlaufgeschwindigkeit sinkt in dem Maße, wie sich die Bilanz der BoJ verlängert (Chartquelle). Das ist aber nicht auf Japan beschränkt. Einen ähnlichen Zusammenhang finden wir, wenn wir die Verhältnisse in den USA betrachten. Die „Monetary Base“ hat seit August 2008 stark zugenommen, die Geldumlaufgeschwindigkeit nimmt hingegen im großen Rahmen seit Mitte der 1990er Jahre kontinuierlich ab. Der „MZM-Multiplier“ spiegelt mit einem Anstieg die überproportionale Entwicklung liquider Finanz-Mittel wider. Phasen soliderer realwirtschaftlicher Entwicklung sind gekennzeichnet durch flache, bzw. steigende Geldumlaufgeschwindigkeit bei gleichzeitig flachem Verlauf des Multiplikators. Deutlich zu sehen, wie die seit 2003 recht positive Entwicklung Mitte 2006 kippte. Eine ähnlich positive Phase gab es zwischen 1992 und 1997.

 

 

Bei dem Spiel mit immer niedrigeren Zinsen geht es auch um die Schwächung der eigenen Währung. Länder mit stärkeren Währungen kaufen dann Güter von Schwachwährungsländern billiger ein, das stützt deren Konjunktur. Umgekehrt werden die Exporte von Ländern mit starker Währung tangiert. Die USA können damit einigermaßen leben, ihr Exportanteil ist relativ klein verglichen mit dem etwa von Deutschland oder Japan. Für Schwachwährungsländer verteuert sich der Import, das ist für die Eurozone etwa so lange kein Problem, so lange die Rohstoffpreise so gedrückt sind wie jetzt.

 

Versagt aber der Effekt der EZB-Geldpolitik und der Euro steigt gegen Dollar deutlich und nachhaltig an, treten zwei negative Effekte gleichzeitig auf. Die Exporte verteuern sich und die Importe sinken nicht im gleichen Maßstab. Das beeinträchtigt die Gewinnmargen der Exportunternehmen und das schlägt besonders in solchen Ländern wie Deutschland zu Buche.

 

Was macht der Drogenabhängige, der sich auf seinen Dealer nicht mehr verlassen kann? Er spielt irgendwann verrückt. Genau das steht auf dem Spiel, wenn die Politik der Zentralbanken nicht mehr den erwarteten Effekt erreicht. Die Entwicklung der entsprechenden Währungen ist dafür ein guter Indikator.

 

Stichwort Öl – seit Jahresbeginn gibt es die nahezu perfekte positive Korrelation: Steigen die Ölpreise, steigen Aktien (und umgekehrt). Nach mehr als einem Jahr abstürzender Ölpreise scheint die Angebotsseite nun zu kapitulieren. Der Ausstoß an US-Öl scheint ein Topp gebildet zu haben, die verwundbarsten OPEC-Länder agitieren für Förderbeschränkungen. Trotzdem bleiben die Ölvorräte auf hohem Niveau. Angesichts der erlahmenden Wachstumskräfte der Weltwirtschaft erscheint es unwahrscheinlich, dass die Ölpreise so weiter steigen wie zuletzt. Mag sein, dass das Niveau von um die 30 Dollar nicht mehr unterschritten wird und letztlich übergeordnet eine graduelle Erholung stattfindet.

 

Auf der Hoffnung auf eine explosive Erholung der Aktien von Rohstoff- und Energiefirmen basiert die Erwartung einiger Optimisten, dass sich die operativen Gewinne im S&P 500 in diesem Jahr um bis zu 20% verbessern. Das Shiller PE Ratio liegt aktuell bei 25,6 und ist damit deutlich erhöht. Selbst wenn diese 20% Steigerung tatsächlich erreicht würden, käme das Niveau gerade erst auf ein mittleres Niveau – günstig ist anders.

 

Wenn man so will, zeigen die Rohstoffpreise seit dem zweiten Quartal 2011 eine erlahmende Weltwirtschaft an. Eine nachhaltige dynamische Umkehr bei den Ölpreisen würde voraussetzen, dass die Weltwirtschaft die Kurve bekommt und wieder dynamisch wächst. Danach sieht es gegenwärtig nicht aus, wie auch vorwärts-schauende Indikatoren, wie der JPMorgan Global Manufacturing PMI (blau) und sein Dienstleistungs-Pendant (rot) zeigen. Beide sind im Februar abgestürzt (siehe auch hier!), haben die Scheidelinie zwischen Expansion und Kontraktion im Visier. Hinsichtlich USA ist der Dienstleistungsindex besonders relevant. Der jüngste Absturz steht im Zusammenhang mit einer Mitte 2015 eingeleiteten Abwärtsorientierung (Chartquelle).

 

 

Die aktuelle Börsenphase feiert ihren siebten Geburtstag. Japan könnte der Herd eines Flächenbrandes werden. Das Land gilt als das “Mutterland der QE-Maßnahmen”, hier zeigt sich auch am klarsten, dass diese keine wirtschaftliche Belebung hervorgebracht haben. Im Gegenteil – die Verschuldung hat exorbitante Ausmaße angenommen, die Gefahr einer deflationären Spirale nimmt zu.
Angesichts der offensichtlichen QE-Fehlschläge auch in anderen Ländern mehren sich die Zweifel an der Allmacht der Zentralbanken. Das wiederum dürfte die Volatilität an den Finanzmärkten bald wieder anheizen.