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Saisonale Stärke bei Aktien?

Die Marktteilnehmer an den Finanzmärkten gehen mehrheitlich davon aus, dass der Tempoverlust in der wirtschaftlichen Entwicklung Geschichte ist und die Konjunktur in den USA und anderswo wieder Fahrt aufnimmt. Sie stützen sich dabei aktuell im wesentlichen auf umfragebasierte Daten. Die am Freitag gemeldeten US-Arbeitsmarktdaten für Oktober runden das Bild ab, wobei aber der Arbeitsmarkt der konjukturellen Entwicklung stets hinterher läuft.

Im Oktober wurden 271.000 Jobs (non-farm) in den USA neu geschaffen, die Erwartungen lagen lediglich bei 180.000. Die Durchschnittslöhne überraschten ebenfalls positiv, sie stiegen im Vergleich zum Vormonat um 0,4% und im Vergleich zum Vorjahr um 2,5%. Hinsichtlich der Struktur der im privaten Sektor neu geschaffenen Arbeitsplätze zeigt sich aber das gewohnte Bild: Die Mehrheit der neuen Jobs entfällt auf solche mit einer Entlohnung unter dem Median-Wert der Stundenlöhne bei 24,93 Dollar. Im Oktober sind das 58%.

Wie zu Wochenbeginn gemeldet, sank der ISM-Index von 50,2 im September auf 50,1 im Oktober, liegt damit aber über den Erwartungen bei 50. Der Sub-Index der neuen Aufträge zeigte sich überraschend robust. Der ISM-Dienstleistungsindex stieg auf 59,1. Die US-Fertigungsaufträge sinken im September jedoch um 1%, das ist der zweite Rückgang in Folge. Der Service-Sektor wird gestützt durch die stark steigenden Healthcare-Kosten, als Zeichen für eine breite Erholung der Wirtschaft taugt das weniger.

Der Fertigungs-PMI für die Eurozone stieg im Oktober auf 52,3 nach 52,0 im September, der PMI für Dienstleistungen stieg um 0,4 auf 54,1. Die Produzentenpreise fielen den dritten Monat und liegen per September 3,1% unter dem Vorjahresniveau. Die deutsche Industrieproduktion schrumpfte im September um 1,1% nach einem Rückgang um 0,6% im August. Ökonomen hatten für September mit einem Anstieg von 0,5% gerechnet.

Der chinesische PMI für die Fertigung bleibt mit 48,3 im Kontaktionsmodus nach 47,2 im September. Der PMI für Dienstleistungen steigt auf 52,0 nach 50,5 im Vormonat.

So weit der Überblick über die jüngste Entwicklung bei ausgewählten Makro-Indikatoren.

Nach der Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten gestern stieg die Wahrscheinlichkeit eines Zinsschritts der Fed im Dezember nach Fed-Funds-Futures auf 70%, am Vortag lag der Wert noch bei 58%, vor einem Monat sogar noch bei knapp 5%. Jetzt dreht die Stimmung, ein Zinsschritt wird nicht länger als Belastung, sondern eher als Bekräftigung hinsichtlich einer robusten Wirtschaft angesehen.

Den ganzen Oktober hindurch kamen Signale der großen Zentralbanken, dass sie “Gewehr bei Fuß” stehen, sollten irgendwelche negativen Ereignisse die Märkte durchschütteln. So hat die EZB deutlich gemacht, dass sie ihr bestehendes QE-Programm ausweiten könnte, weil die Inflation nicht in die Gänge kommt. Die BoJ hat ihre Prognose für Inflation und Wachstum nach unten revidiert und signalisiert, dass sie ihre geldpolitischen Anreize verstärken könnte. Die chinesische Zentralbank hat die Leitzinsen ein weiteres Mal gesenkt. Damit ist klar, dass die Zentralbanken scharfen, anhaltenden Einbrüchen bei Preisen für riskante Assets nicht tatenlos zusehen werden. Damit sollte es auch im Kreditgeschäft zu Entspannung, sprich zu einer Wiederbelebung etwa bei Hi-Yield-Krediten kommen.

Daraus folgt, dass schlechte Nachrichten nun wieder eher gute Nachrichten sind. Viele Akteure sehen die Jahresendrallye bei Aktien bereits angelaufen und geben Kursziele deutlich jenseits der im Laufe diesen Jahres markierten Allzeithochs aus. Bestärkt werden sie darin auch durch die Tatsache, dass der NDX dabei ist, sein Rekordhoch von vor 15 Jahren zu überwinden.

Ein bullisches Intermarket-Signal kommt vom Währungspaar Euro/Dollar. Der Dollar-Index baut weitere Stärke auf, notiert nur noch knapp unter seinem mehr-Jahres-Hoch bei 100. Vor 2008 signalisierte Schwäche beim Dollar eine Ausweitung der weltweiten Kredittätigkeit (und damit eine Zunahme der Risikoausrichtung). Heutzutage hat die Euro-Schwäche diese Rolle übernommen, beschleunigt seit Mitte 2014. Dank der EZB-Politik ist der Euro dabei, sich in Punkto Carry-Trade-Währung zur weltweiten No 1 zu mausern. Wiederzunehmende Risikoneigung im Kreditgeschäft zeigt sich am Verlauf verschiedener Rendite-Spreads (siehe dazu am Ende des Artikels!).

Wie das folgende Bild zeigt, läuft Euro/Dollar auf die untere Begrenzung eines seit 1985 bestehenden Aufwärtskanals zu. Sie notiert in diesem Wochen-Chart aktuell bei rund 1,02. Gut möglich, dass im Rahmen von Unterschwingern auch noch die Parität erreicht wird. Ob allerdings dieser langfristige Kanal nachhaltig nach unten aufgebrochen wird? Ich bezweifele das, aber zunächst ist ja auch so noch weiteres Abwärtspotenzial gegeben.

 

 

Aus Sicht der Entwicklung von Euro/Dollar ist daher davon auszugehen, dass die Risikoausrichtung zunächst bestehen bleibt – übersetzt würde das bedeuten, dass etwa Aktienkurse übergeordnet eher steigen als fallen. Insbesondere europäische Aktien und wegen der deutschen Exportlastigkeit der DAX sollten relative Stärke zeigen.

Es gibt jedoch einige Hinweise, dass das Kurspotenzial bei US-Aktien zumindest aus kurzfristiger Sicht erschöpft ist. Die Volumenverteilung an der NYSE ist zur Wochenmitte in Distribution gekippt. Das bedeutet, dass das auf sinkende Aktien entfallende Volumen im Zeitablauf höher ist als das steigenden Aktien zuzurechnende. Dies zeigt gewöhnlich, dass große Akteure zunehmend geneigt sind, Aktien zu verkaufen. Das drückt die Kurse, so lange die Stimmung der breiten Masse nicht so überschäumt, dass die Gier die Kurse hoch treibt.

 

Weitere kurzfristige technische Schwächezeichen: Der Anteil steigender Aktien an der Gesamtzahl hatte Mitte Oktober ein lokales Maximum ausgebildet, aktuell bewegt er sich im Mittelfeld mit kurzfristig sinkender Tendenz. Schließlich zeigt das Put-Call-Verhältnis an der CBOE keine bullische Ausrichtung. Die Auswertung verschiedener Aktienindikatoren wie Stochastik, RSI und MACD zeigt eine weit entwickelte bullische Attitüde, gegenwärtig mit Tempoverlust. Das spiegelt eine kurzfristig überkaufte Lage wider, die normalerweise erst abgebaut werden muss, bevor es zu weiteren Kurssteigerungen kommen kann.

Die fraktale Sicht auf den S&P 500 ergibt folgendes Bild: Die obere rote Linie („Linearity“) zeigt, wie weit der Herdentrieb, bzw. die chaotische Phase des “Kurssystems” S&P 500 fortgeschritten ist. Das Linearitätsmaß hatte im Dezember 2014 einen Rekordwert von 96% erreicht, Ende Juni lag es bei 94%, Ende Juli kam es noch auf 91%. Per Ende August ist das Linearitätsmaß auf 83% gefallen, per Ende Oktober ist der Wert auf 73% zurückgegangen. Mit einem beginnenden Bären-Markt ist erfahrungsgemäß zu rechnen, wenn das Niveau von 90% unterschritten wird. Diese Bedingung ist erfüllt und bis jetzt zeigt sich beim Linearitätsmaß eine ähnlich dynamische Entwicklung wie nach dem Allzeithoch im Oktober 2007. Auch seinerzeit kam es danach aber immer wieder zu deutlichen Gegenreaktionen beim Kurs. Die Warnung des Linearitätsmaßes hatte es jedoch Bestand und wurde schließlich per Ende Februar 2008 bestätigt.

 

Um die Bestätigung des Signals des Linearitätsmaßes geht es jetzt auch wieder. Die statistische Verteilung der Dynamik im Kursverlauf (gelbe Linie im oberen Chart-Bereich) zeigt ein wieder neutralisiertes bärisches Signal (Ausschlag nach unten). Die Auswertung von Zuordnung und Richtung verschiedener gleitender Durchschnitte (hellgrüne Linie im oberen Chart-Bereich) hat mit dem Rückfall in den neutralen Zustand ein weiteres Warnsignal erzeugt. Kippt es nach unten ab, wird das Bärenmarkt-Signal des Linearitätsmaßes bestätigt. Dies ist bisher noch nicht erfolgt.

Nimmt man alle technischen Aspekte zusammen, so warnen zahlreiche „interne“ Faktoren vor einem bevorstehenden Regimewechsel bei Aktien. Der Startschuss hierfür ist aber „offiziell“ noch nicht gefallen. Auch angesichts der saisonal günstigen Zeit dürften die Rekordhochs bei Aktien wohl nochmals erreicht werden. Dies gilt umso mehr dann, wenn es jetzt kurzfristig scheinbar „aus heiterem Himmel“ zu einem scharfen Einbruch kommen sollte.

Ergänzung:
Die Rückkehr der Risikoneigung im Kreditgeschäft (hier anhand des Spreads von US-amerikanischen Hi-yield-Unternehmensanleihen zu 10-jährigen US-Treasurys) zeigt der folgende Chart. Anfang Oktober lag der Spread bei 6,6%, aktuell kommt er auf 5,8%.

 



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