Die Fed hat auf ihrer jüngsten FOMC-Sitzung am zurückliegenden Mittwoch ihren Sprachgebrauch geändert. Hatte es zuvor noch geheißen, sie werde die Zinsen für beträchtliche Zeit niedrig halten, so möchte sie jetzt bei Zinserhöhungen geduldig vorgehen. Gleichzeitig sieht sie die Verfassung der US-Wirtschaft weiter verbessert. Für 2015 sagen die Ratsmitglieder ein Wirtschaftswachstum von 2,6 bis 3,0%, sowie einen Rückgang der Arbeitslosenquote auf 5,2 oder 5,3% voraus, was in etwa Vollbeschäftigung entspräche.

Die Aktionäre riefen „Hurra!“ und griffen beherzt zu. Der S&P 500 hatte seinen stärksten Tag seit Oktober 2013. Per Ende 2015 liegt die Markterwartung hinsichtlich Leitzins nun bei 0,56%, der Median der Meinungen der FOMC-Mitglieder kommt auf 1,125%. Nun ist es ja historisch gesehen so, dass Zinserhöhungen keineswegs Gift für die Entwicklung der Aktienkurse sein müssen, wie die heutzutage beständig umgehenden „Zinsängste“ nahe legen. Ein Blick zurück in frühere Zinszyklen zeigt, dass in den ersten ein, zwei Jahren steigender Zinsen Aktien ebenfalls anstiegen.

Bemerkenswert sind die Parallelen des jünsten FOMC-Kommuniqués zum letzten Zinserhöhungszyklus der Fed in 2004. Im Januar jenes Jahres ließ die Fed, damals noch unter Leitung von Alan Greenspan, die Zusicherung fallen, die Zinsen für einen „beträchtlichen Zeitraum” niedrig zu halten, und verkündete stattdessen Geduld bis zur nächsten Zinserhöhung. Im Mai 2004 sprach sie dann auch nicht mehr von „geduldig”. Im Juni erhöhte sie die Zinsen in einem ersten Schritt von 1,00 auf 1,25%.

Nun mag es mit der Geldflut der Notenbanken fraglich geworden sein, ob historische Erfahrungen noch so einfach übertragbar sind. Nach der Reaktion der Aktienmärkte zu schließen, scheinen sie an diesem Punkt erst einmal weiter zu gelten, weil steigende Zinsen nun als Beleg dafür genommen werden, dass es der US-Wirtschaft immer besser geht. Da diese Feststellung auf den Zustand der Wirtschaft in der Eurozone und in vielen Emerging Markets eher nicht zutrifft, bedeutet das gleichzeitig, dass offenbar die Meinung vorherrscht, die US-Wirtschaft könnte sich dauerhaft vom Rest der Welt abkoppeln und auf beschleunigtem Wachstumskurs bleiben. Das ist für sich genommen schon recht blauäugig.

Aber vollends widersinnig wird das Ganze, wenn man sich vor Augen führt, was die Fed-Chefin in der Pressekonferenz nach der FOMC-Sitzung von sich gab. Zunächst wurde betont, dass die neue Sprachregelung im Einklang mit der früheren Erklärung steht, die Zinsen „für eine beträchtliche Zeit” niedrig zu halten. Dann erklärte Yellen wiederholt, dass die tiefen Ölpreise gut seien für die US-Wirtschaft. Erstaunlich – bisher war immer wieder herausgestrichen worden, dass Inflation anzustreben sei, jetzt plötzlich wären die durch die fallenden Ölpreise angeschobenen disinflationären Kräfte zu begrüßen.

Einschub: Der US-CPI ist im Nov stärker als erwartet zurückgegangen nach einer Seitwärtsbewegung zuvor und kommt jetzt auf eine Jahresrate von gut 1,2%. Darüber hinaus ist es im Umfeld von Produktivitätssteigerungen der Normalzustand, dass Güter billiger werden. Ohne Manipulation der Geldseite der Wirtschaft, würde das die Konsumenten in die Lage versetzen, für ihr Geld im Zeitablauf mehr, nicht weniger zu kaufen. Disinflationäre Effekte sind also “eigentlich” realwirtschaftlich konsistent mit einer soliden wirtschaftlichen Entwicklung. Einschub – Ende

In der Schuldenwirtschaft unserer Tage sind disinflationäre Effekte jedoch höchst unwillkommen. Das weltweite Volumen ausstehender Anleihen wird auf 100 Bill Dollar geschätzt. US-Banken handeln mit Zins-Derivaten im Wert von über 190 Bill. Dollar. Damit diese Blase nicht platzt, ist beides nötig – Inflation und niedrige Zinsen. Das eine erleichtert den Schuldendienst real, das andere erleichtert ihn nominal. (Zur Verschuldung der US-nicht-Finanz-Unternehmen siehe z.B. hier!)

Wenn Yellen sich nun plötzlich nicht mehr an Inflation interessiert zeigt, und auch steigende Zinsen nicht mehr so weit von sich weist wie zuvor, so steht das in Widerspruch zu dem, was die Bond-Blase bräuchte, um noch ein Weilchen weiter unbeschadet existieren zu können. Entweder fährt Yellen hier ein Ablenkungsmanöver oder sie glaubt aktuell tatsächlich, dass der Weihnachtsmann in Gestalt einer wachsenden Wirtschaft und steigender Aktienkurse (Stichwort Wohlstandseffekt) hilft, die im Bond-Markt lauernden Probleme zu managen. Für die Bond-Blase gilt wie jede andere Blase auch, dass sie platzt – früher oder später. Mit im Falle der Kredit-Blase besonders verheerenden Folgen. Ich kenne Yellen nicht, aber an den Weihnachtsmann wird sie vermutlich nicht glauben.

Die Notenbanken bringen sich in Stellung für die nächste Manipulationsrunde. Die Schweizerische Notenbank hat angekündigt, 22. Januar 2015 einen Strafzins von 0,25% auf Einlagen von Banken angekündigt, die um mehr als 10 Mio. Franken über das Mindestreservesoll hinausgehen. Damit wird angestrebt, dass der Dreimonats-Libor in den negativen Bereich fällt, dessen Zielband wird auf minus 0,75 bis plus 0,25% gesenkt. Das soll helfen, den Zustrom ausländischen Kapitals zu bremsen, der den Franken unter massiven Aufwertungsdruck setzt. Sollte der Kapitalzufluss nicht ausreichend gebremst werden, so könnte die SNB den Strafzins noch weiter anheben, drohte ihr Chef. Bisher verteidigt die SNB den Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro. Beobachter sehen einen Zusammenhang mit dem Absturz von Ölpreis und Rubel. Zudem bestehe ohne Wechselkursziel eine echte Deflationsgefahr für die Schweiz, heißt es. In der vergangenen Woche hatte die SNB ihre Inflationsprognose für das kommende Jahr auf minus 0,1% gesenkt.

Der 22. Januar ist nicht zufällig gewählt. Am eben diesem Tage berät der geldpolitische Rat der EZB. Viele Beobachter erwarten, dass dann ein QE-Programm beschlossen wird, in Interviews haben EZB-Offizielle bereits angedeutet, dass es sich um ein Volumen von einer Billion Euro handeln könnte. Das führt zu einer starken Erhöhung der Euro-Basisgeldmenge, insbesondere verglichen mit der ausstehenden Basisgeldmenge von 375,9 Mrd. Schweizer Franken.

Schon wenn Investoren ihre Währungshaltung in bisherigen Relationen weiter diversifizieren, sollte es bei einem solchen QE-Programm der EZB zu einer zusätzlichen Nachfrage nach Franken kommen, zumal es ja auch im Euroraum einen Negativzins gibt. Die SNB müsste dann bereit sein, bedingungslos Euro gegen Ausgabe von neuen Franken zu kaufen. Sie koppelt sich damit auf Gedeih und Verderb an die Politik der EZB.

Allein durch das Größenverhältnis der Basisgeldmengen wird schon klar, dass dies zu einer Gefahr für die Geldwertstabilität des Franken werden kann, selbst wenn die EZB ihr Inflationsziel noch gar nicht erreicht hat. Das säht Zweifel, ob die Schweiz auf längere Sicht ihre Politik der Verteidigung ihres Währungsziels beibehalten wird. Das gilt insbesondere dann, wenn die Krise von Russland und Rubel anhält und wenn die Konjunktur in der Eurozone aller EZB-Geldflut zum Trotz nicht in die Gänge kommt.

Der Aspekt der Zeitpräferenz ist aus meiner Sicht entscheidend als Bestimmungsfaktor für den Zins. Ein negativer Zins signalisierte, dass Verbrauch in der Zukunft höher bewertet wird als in der Gegenwart. Das ist „menschlich“ widersinnig, ordnungspolitisch abzulehnen und wirtschaftlich mehr als fragwürdig.

Es gibt schon länger Überlegungen, mittels negativer Zinsen zu versuchen, die Wirtschaft anzukurbeln. Damit dies in der Realwirtschaft funktioniert, müsste Bargeld abgeschafft werden. Dies hat erst kürzlich Kenneth Rogoff wieder gefordert. Bei negativen Einlagenzinsen würden Bankkunden ihre Einlagen bar auszahlen lassen und zuhause deponieren. Damit würde die erhoffte Wirkung negativer Zinsen konterkariert. Also muss zuvor das Bargeld abgeschafft werden, sagte er.

Ob negative Zinsen dann tatsächlich so funktionieren wie erhofft, sei dahingestellt. Politisch entscheidend ist, dass das Fehlen von Bargeld dem Bürger die letzte Möglichkeit nimmt, sich Allmacht und Willkür durch den Staat zu entziehen. Wir haben schon ein ZK in Frankfurt namens EZB und ein Politbüro in Brüssel namens EU-Kommission. Ohne Bargeld wäre der Weg in den Totalitarismus endgültig geebnet. Wir sind dann da gelandet, wo die westliche Welt angeblich nie hin wollte, in einem Regime wie damals hinter Mauer, Stacheldraht und Eisernem Vorhang. Vor dem hatte man uns immer so vehement gewarnt.