Die zurückliegenden beiden Wochen mit der Entscheidung der EZB, sich mit ihrem OMT-Programm zum Retter der Eurozone aufzuschwingen, und der Fed, so lange MBS (Mortgage backed securities) zu kaufen bis die Arbeitslosenquote signifikant gesunken ist, markieren einen historischen Schnitt in der Finanzwelt.

Er ist an Tragweite zu vergleichen z.B. mit dem Einsatz der Deregulierung im Jahre 1999, als der „Glass-Steagall Act“ offiziell aufgehoben wurde, der seit 1933 die Aktivitäten von US-Geschäftsbanken auf dem Feld des Investment-Bankings beschränkt hatte. Mit diesem formalen Akt -die Regulierung war in den Jahren zuvor bereits löchrig wie ein Schweizer Käse geworden- wurde der Weg endgültig frei für Finanz-Supermärkte und eskalierende Bilanzhebel und für die im Herbst 2008 platzende Kreditblase.

Mit den jetzigen Beschlüssen von EZB und Fed erreicht eine Entwicklung eine neue Qualität, die nach 2000 in Asien begann.

Dortige Zentralbanken begannen vor gut zehn Jahren, verstärkt ausländische Assets zu kaufen (siehe Artikel „Zentralbanken – hohe Risiken“). Lag deren Anteil zu Beginn des neuen Jahrtausends noch bei unter 25% des BIP, hat sich die BIP-Quote mittlerweile verdoppelt.

Nach 2008 haben die diversen QE-Programme der Fed und anderer Notenbanken im Westen die Asset-Seite auch hier stark ausgeweitet und das Zinsniveau gedrückt. Die Differenz zu den Zinsen in den asiatischen Emerging Markets wurde größer. Der Gefahr zu großen Kapitalzustroms begegneten und begegnen die asiatischen Zentralbanken mit lockerer Geldpolitik und halten gleichzeitig mit Käufen ausländischer Staatsanleihen ihre Währung schwach, um ihre Exportindustrie zu stützen. Das übt weiteren Druck auf die langfristigen Zinsen z.B. in den USA aus – usw.

Was in Asien begann, wird von EZB und Fed nun auf ein neues Niveau gehoben. Die großen Notenbanken machen sich durch die Aufblähung der Aktivseite ihrer Bilanzen immer abhängiger von der Marktentwicklung der von ihnen gehaltenen Assets. Sie setzen darauf, dass die Assets in ihren Büchern zumindest nicht an Wert verlieren, was gleichbedeutend damit ist, dass die Zinsen zumindest nicht steigen. Wenn ernsthafte Zweifel an der Solvenz eines der größeren Schuldner aufkommen, kann sich das schnell ändern.

Das gilt insbesondere für die EZB, die künftigen PIIGS-Bonds in ihren Büchern und die aufgegebene Seniorität beim OMT-Programm. Aber auch die Fed setzt sich mit ihrem (erst einmal unlimitierten) QE3-Programm einem Marktrisiko aus. Es ist zwar vermutlich gegenwärtig besser überschaubar, weil sie Hypothekenpapiere in die sich abzeichnende Erholung des US-Häusermarktes hinein kauft (so hatte die Fed von New York kürzlich bei einer Versteigerung von Subprime-MBS aus ihrem von AIG übernommenen Bestand ein gutes Geschäft gemacht). Aber auch hier bleibt ein Restrisiko.

Abgesehen von den Marktrisiken ist die ordnungspolitische Konsequenz verheerend: Nachdem die Großbanken in der Krise 2008 zunächst die Staaten mit “too big to fail” erpressen konnten (erfolgreich), begeben sich die Zentralbanken exakt in dieselbe Situation. Sie werden in steigendem Ausmaß abhängig von der Wertentwicklung von Assets, d.h. von den Finanzmärkten. Damit werden sie in höchstem Maße erpressbar. Von der viel beschworenen Unabhängigkeit der Zentralbanken kann keine Rede mehr sein.

EZB-Draghi hat in seiner Euro-Retter-Pose unfreiwillig klar gemacht, wie die Eurozone zerstört werden kann, und dasBundesverfassungsgericht hat das in seinem (vorläufigen) Urteil zementiert, indem es die Hürde für eine Erweiterung des ESM hoch legt: Jedes Land, das in den Genuss des OMT-Programms kommen will, muss so am Boden liegen, das es unter den ESM flüchten kann. Damit beginnt die Spekulation, ob es die Sparbedingungen erfüllen kann und wie die EZB bei Zielverfehlungen reagiert. Das kann einerseits dazu führen, dass ein solches Land die Bedingungen eher übererfüllt und damit seine wirtschaftliche Lage noch weiter verschlechtert. Das steigert den Bedarf an ESM-Mitteln und hat negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage der gesamten Eurozone. Kann oder will ein Land aber andererseits den ihm auferlegten Austeritätsbedingungen nicht mehr folgen, wird die viel gerühmte „Konditionalität“ im OMT-Programm auf die Probe gestellt. Bliebe die EZB dabei, solchen Staaten (weitere) Bond-Käufe zu verweigern, riskierte sie ein Aufflammen der Eurokrise und Verluste bei entsprechenden Bilanzpositionen.

Die Finanzmärkte spielen mit ihrer euphorischen Reaktion auf die Beschlüsse von EZB und Fed zur Zeit eine andere Karte: Sie feiern die zu erwartende Liquiditätsflut. Sie setzen in den USA auf eine nachhaltige Erholung des zentral wichtigen Hausbausektors (der US-Hausindex hat sich in den zurückliegenden elf Monaten verdoppelt). In der Eurozone wetten sie mit dem Erfolg des OMT-Programms darauf, dass die niedrigen Leitzinsen Konjunktur und Wachstum der Lohnkosten in den Kernländern ankurbeln, sowie den Wettbewerbsdruck auf die Peripherieländer senken.
Auf Sicht einiger Jahre könnten so die Löhne explodieren, die Renten steigen und die Immobilienpreise durch die Decke gehen (siehe Artikel „CoBank-Krämer: Konjunkturüberhitzung durch EZB“). Zu diesem Szenario gehört allerdings auch ein im Interesse der Exportwirtschaft der Eurozone eher schwacher Euro – aktuell führt der gerade das Gegenteil vor.

Schlägt das “monströse Geld-machen” von Fed und EZB an, wird das dazu führen, dass das BIP diesseits und jenseits des Atlantik spürbar zulegt – wegen der strukturellen Probleme allerdings hauptsächlich nominal, weniger real. Den erwarteten Inflationsdruck nimmt die Preisentwicklung bei Edelmetallen gegenwärtig vorweg. Schlägt die Politik von Fed und EZB hingegen nicht an, wird es finster…

Wenn die Euphorie abgeklungen ist, werden die Finanzmärkte anfangen, EZB und Draghi zu testen. Als Testfall bietet sich Spanien, dann Italien an. Beide Länder stellen zusammen rund 30% des ESM-Kapitals – die Untoten zahlen ihre eigene Lebensversicherung… Beide Länder haben angekündigt, sie wollten sich nicht unter den ESM-Schirm begeben. Damit scheiden sie für das OMT-Programm der EZB „eigentlich“ aus.

Die Aktien-Rallye strebt auf langfristig wichtige Punkte zu. Da wäre im DAX rund 7515 zu nennen, im Dow zunächst gut 13900, im S&P 500 wird es ab 1530 interessant. Wie der Chart von „Chart of the Day“ zeigt, ist die gegenwärtige Rallye hinsichtlich Kursentwicklung und Dauer bisher unterbelichtet.