Menu
A+ A A-

Forschen für den Bau

Forschen für den Bau Foto: iStock

Verglichen mit anderen Branchen sind Forschung und Entwicklung in der Bauwirtschaft ungeliebte Stiefkinder. Es gibt aber auch Lichtblicke: Die Forschungsinvestitionen sind in den letzten Jahren kräftig gestiegen und einzelne Unternehmen verfolgen ehrgeizige Ziele. Auch der Netzwerkgedanke gewinnt an Bedeutung, um gerüstet zu sein für eine ungewisse Zukunft.

Die Statistik Austria  hat 2017 zum letzten Mal eine umfassende Erhebung zum Thema »Forschung und Entwicklung in Österreich« gemacht. Demnach gaben die heimischen Unternehmen 7,89 Milliarden Euro für hausinterne Forschung aus. Den Großteil der Forschungsausgaben bestreiten mit 5,16 Milliarden Euro die »Hersteller von Waren«, gefolgt von den Dienstleistern mit 2,59 Milliarden Euro.

Auf Platz drei folgt in der Branchenlogik von Statistik Austria schon die Bauwirtschaft – mit bescheidenen 76,7 Millionen Euro allerdings mit gehörigem Respektabstand. Bei Umsatzerlösen von knapp 48 Milliarden Euro entspricht das einer F&E-Quote von gerade mal 0,16 Prozent. Branchenübergreifend liegt die F&E-Quote bei 3,19 Prozent. Gegenüber der letzten großen Erhebung der Statistik Austria im Jahr 2013 hat die Bauwirtschaft aber einen ordentlichen Sprung nach vorne gemacht. Damals lag die F&E-Quote bei 0,1 Prozent.

Unterschiedliche Forschungslust

Es sind vor allem die bauausführenden Unternehmen, deren F&E-Quote gelinde gesagt stark verbesserungswürdig ist. In Bereichen wie der Baustoffindustrie, der Bauchemie oder bei den Baumaschinenherstellern ist die Quote deutlich besser.  Das bestätigt auch eine aktuelle Erhebung des Bau & Immobilien Report. Wie schon im Jahr 2016 haben wir 20 führende Branchenvertreter quer durch den Gemüsegarten nach ihren F&E-Ausgaben gefragt.

Dabei zeigt sich, dass die Forschungsfreude sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Während etwa Baumit eine F&E-Quote von über 10 Prozent angibt und auch ein Zementhersteller wie Leube noch auf stolze 6,5 Prozent kommt, verzeichnen Branchengrößen wie Wienerberger oder Strabag F&E-Quoten von deutlich unter einem Prozent. Verglichen mit 2016 konnten sieben Unternehmen ihre F&E-Quote steigern, sechs Unternehmen verzeichneten Rückgänge und ebenfalls sechs Unternehmen konnten die Quote halten.

Best Practices 

»Der F&E-Bereich ist unser Schlüssel zum Wachstum. Baumit hat sich das Ziel gesetzt, nicht nur in Österreich, sondern auch in Europa zu den Top-Playern zu gehören«, sagt Baumit-Geschäftsführer Georg Bursik, der durchaus ehrgeizige Ziele verfolgt. Mittelfristig sollen 20 Prozent des Umsatzes mit Produkten erzielt werden, die jünger als fünf Jahre sind. Dieses Ziel schon deutlich übersprungen hat die Konzernschwester Murexin, die mit einer Forschungsquote von 7,2 Prozent zu den absoluten Musterschülern der Branche zählt. Das Bauchemie-Unternehmen erzielt schon jetzt mehr als Drittel des Umsatzes mit Produkten, die nicht älter als fünf Jahre sind.

»Der Fokus unserer Produktentwicklung liegt auf ressourcenschonender Herstellung, Umweltverträglichkeit und Anwenderfreundlichkeit im Hinblick auf die kraftsparende, einfache und sichere Anwendung unserer Materialien sowie die Gesundheit der Verarbeiter«, erklärt Vertriebsleiter Peter Reischer.  Dafür wurde auch im letzten Jahr um 1,5 Millionen Euro am Standort Wiener Neustadt das Schulungs- und Forschungszentrum Technikum errichtet.

Konzernweit 141 Millionen Euro investiert Holzspezialist Stora Enso in Forschung und Entwicklung. Langfristiges Ziel ist es,  alle Materialien, die derzeit aus fossilen Materialien produziert werden, in Zukunft aus Holz herzustellen. »Daher verschreiben wir uns auch in der Division Wood Products einem transparenten Prozess für gesunde und nachhaltige Gebäude. Mittels digitaler Werkzeuge soll die gesamte Value Chain transparent und effizient gemacht werden – vom Rohstoff im Wald bis hin zur Wiederverwendung oder Recycling des Gebäudes«, heißt es bei Stora Enso.

Nachhaltigkeit und Ressorcenschonung stehen auch bei Synthesa auf der Forschungsagenda ganz oben. »Da­runter fallen der Einsatz möglichst regionaler Rohstoffe, die Entwicklung möglich effizienter Verarbeitungstechnologien sowie die Reduzierung kennzeichnungspflichtiger und  umweltschädigender Substanzen«, erklärt Synthesa-Geschäftsführer Paul Lassacher. So ist es Synthesa etwa gelungen, die ersten konservierungsmittelfreien Innenfarben zu entwickeln. »Und das, nachdem wir vor 20 Jahre bereits Pionierarbeit im Bereich der lösemittelfreien Technologien geleistet hatten«, sagt Lassacher

Sehr unterschiedliche Forschungsquoten weisen die Töchterunternehmen der Kirchdorfer-Gruppe auf. »Das reicht von 0,5 Prozent bis zehn Prozent«, erklärt Pressesprecher Matthias Pfützner. In den vergangenen Jahren lag der Forschungsfokus vor allem im Bereich der passiven Straßensicherheit.  Mit der Marke Steelbloc ist die Kirchdorfer Gruppe auch in Produktion und Vertrieb von Stahlleitschienen eingestiegen, als Ergänzung zum bereits vorhandenen Sortiment der Betonleitwände und Lärmschutzprodukte.

Weitere Forschungsschwerpunkte lagen im Bereich der Digitalisierung von der Auftragserfassung bis zur Projektfertigstellung sowie bei Interaktion aller Betonbestandteile. »Besonders stolz sind wir auch darauf, dass wir in den vergangenen Jahren einige Patente anmelden konnten, wie Zero Debris Concrete, ein abplatzungsfreier Beton, bei dem sich selbst bei einem Anprall mit einem LKW keine Bruchstücke lösen«, so Pfützner.  

Neue Wege der Kooperation

Um mit den großen Konzernen mithalten zu können, haben im Frühjahr 2019 sechs mittelständische Bauunternehmen die Plattform Smart Construction Austria gegründet. Zweck sind Beteiligungen an Forschung und Entwicklung, der gegenseitige Erfahrungsaustausch unter den Mitarbeitern sowie Förderung von Start-ups. Gerade für die Zeit nach Corona könnte dieses Modell des Miteinander richtungsweisend für viele Unternehmen sein. Sechs Unternehmen, die letztendlich auch Konkurrenten sind, bilden ein Netzwerk, um stärker, schneller und attraktiver zu sein – offene und transparente Zusammenarbeit als Vorbereitung auf die Zukunft. »Ich kenne kein vergleichbares Projekt«, sagt Geschäftsführerin Renate Scheidenberger.  

Rückenwind für die Bauforschung

Das Innovationslabor »Digital findet Stadt« hat eine Förderzusicherung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG im Ausmaß von 1,5 Millionen Euro erhalten.

Die Plattform für digitale Innovationen der Bau- und Immobilienbranche ist ein Gemeinschaftsprojekt von IG Lebenszyklus Bau, AIT Austrian Institute of Technology, Verband der Ziviltechniker- und Ingenieurbetriebe VZI, Facility Management Austria FMA und Smart Construction Austria. Ziel des Projekts ist, »mittels eines maßgeschneiderten Leistungsportfolios Innovationen in zwei zentralen Innovationsfeldern – Open BIM und Smart Buildings – zu unterstützen und so den Digitalisierungsgrad und in weiterer Folge die Produktivität der österreichischen Bau- und Immobilienbranche wesentlich zu steigern«.

Aufgebaut wird auf ein breites Netzwerk von in Summe 109 Interessensbekundungen, die die sehr inhomogene Branche bestmöglich bauphasen- und gewerkeübergreifend repräsentieren soll. Projektstart ist am 1. Juni 2020, die Laufzeit beträgt fünf Jahre. Die Gesamtkosten liegen bei 3,1 Mio. Euro.

back to top